Duisburg. Drei Duisburger Arzthelferinnen geraten in eine Corona-Kontrolle, sollen je 200 Euro zahlen. Sie legen Einsprüche ein. Das sagt das Amtsgericht.

Der Fall hat für Aufsehen gesorgt: Drei Duisburger Arzthelferinnen berichten, wie sie in der City Anfang April nach getaner Arbeit in einer orthopädischen Praxis in eine Corona-Kontrolle geraten. Sie stehen demnach auf der Königstraße im Eingangsbereich nur wenige Sekunden zusammen und bekommen von Mitarbeitern des Ordnungsamts prompt Bußgelder von jeweils insgesamt 200 Euro zuzüglich Gebühren und Auslagen aufgebrummt. Wegen Verstoß gegen das damals noch striktere Kontaktverbot. Tatjana Reichert, Nora Hoffmann und Heidrun Hellwig legen daraufhin Einspruch beim Rechtsamt der Stadt Duisburg ein und eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers bei.

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Mittlerweile liegen die Fälle beim Amtsgericht. Bisher hat nur Tatjana Reichert eine schriftliche Antwort bekommen. In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, signalisiert der zuständige Richter, das Bußgeld nicht zurückzunehmen. Dabei stützt er sich auf die Aussagen der Ordnungsamtsarbeiter zum Vorfall vor rund drei Monaten. Reichert habe in ihrer Einlassung betont, dass sie sich damals mit ihren Kolleginnen nach Verlassen der Praxis lediglich über dienstliche Belange ausgetauscht habe – in Dienstkleidung.

Duisburger Arzthelferin kann die Argumention des Amtsgerichts nicht nachvollziehen

Laut Gericht ergibt sich aus der Anzeige aber, dass sich die Drei „etwas auf einem Smartphone angesehen“ und dabei zivile Kleidung getragen haben. Die Arzthelferin kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. „Die Benutzung eines Smartphones schließt dienstliche Belange aus meiner Sicht nicht aus. Und natürlich haben wir Arbeitskleidung getragen.“

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Das Gericht bietet ihr an, ihren Einspruch zurückzunehmen und das Bußgeld zu bezahlen, um weitere Kosten zu vermeiden. Widerspricht sie der Verfahrensweise, käme es ansonsten zu einer Hauptverhandlung.

„Ich werde schweren Herzens meinen Einspruch zurückziehen“

„Dann müsste ich meine Kolleginnen und meinen Chef als Zeugen benennen“, so Reichert. „Dies führt dann aber faktisch dazu, dass die Praxis in der Zeit geschlossen werden müsste. Der Aufwand und die Kosten, die dann entstehen, sind in keinem Verhältnis zu den Bußgeldern. Mein Chef hat bereits angeboten, diese zu bezahlen. Ich werde schweren Herzens meinen Einspruch zurückziehen. Meine Kolleginnen werden wahrscheinlich genau so verfahren.“

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Sie haben allerdings noch keine Antwort vom Amtsgericht bekommen, weil ihre Einsprüche später beim Amtsgericht gelandet sind. Dies teilt Pressesprecher Rolf Rausch auf Nachfrage der Redaktion mit. Es sei auch noch nicht klar, ob die beiden Arzthelferinnen das gleiche Schreiben wie Tatjana Reichert bekommen. Zuständig ist in diesen beiden Fällen eine Richterin, die gegebenenfalls anders entscheiden könne.

Stadt Duisburg verweist auf die Corona-Schutzverordnung

Stadtsprecherin Susanne Stölting betont mit Verweis auf die Corona-Schutzverordnung, dass Verstöße demnach sofort zu ahnden sind – mit Ausnahme bei Missachtung der Maskenpflicht. Hier seien Bußgelder ohne vorherigen Hinweis gar nicht möglich.

Die Stadt hatte die Einsprüche der Arzthelferinnen zunächst geprüft und keine Veranlassung gesehen, die Bußgeldbescheide zurückzunehmen. Es ist gesetzlich geregelt, dass die Vorgänge dann erst einmal an die Staatsanwaltschaft übergeben werden.

Auch die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren nicht eingestellt

Diese hat laut Sprecherin Marie Fahlbusch das Verfahren nicht eingestellt. Das sei möglich, wenn es keinen hinreichenden Verdacht auf eine Ordnungswidrigkeit gibt oder wenn das Vergehen bereits verjährt ist. Geringfügigkeit, also ein geringes Verschulden, kann auch ein Grund für eine Einstellung sein. „Das ist Ermessenssache“, so Fahlbusch. Nach Prüfung zweifelt aber auch die Staatsanwaltschaft die Bußgeldbescheide der Arzthelferinnen nicht an. Die Einsprüche landen beim Amtsgericht, das nun zumindest Tatjana Reichert schon mal schriftlich einen Dämpfer verpasst hat.

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Ihre Entscheidung, den Einspruch daraufhin zurückzunehmen, hat sie mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch getroffen. „Ich arbeite mit meinen Kolleginnen täglich acht Stunden zusammen in der Praxis“, so die Arzthelferin. Die Stadt betone ständig den tollen Einsatz so vieler Menschen in der Corona-Krise. „Aber Feingefühl scheint dann doch auch dem Ordnungsamt ein Fremdwort zu sein“, sagt Reichert. „Die Prioritäten liegen scheinbar auf Abkassieren.“

>> CORONA-SCHUTZVERORDNUNG: STADT DUISBURG LEITET BISHER 23 EINSPRÜCHE GEGEN BUSSGELDBESCHEIDE AN STAATSANWALTSCHAFT WEITER

• Die Stadt Duisburg hat nach Angaben ihres Sprechers Sebastian Hiedels bisher 23 Einsprüche (Stand 19. Juni) gegen Bußgeldbescheide aufgrund von Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung an die Staatsanwaltschaft Duisburg übergeben. Alle anderen Einsprüche werden demnach aktuell noch geprüft. Wie viele dies sind, konnte die Stadt nicht sagen.

• Hiedels verweist darauf, dass in Einzelfällen auch Bußgeldbescheide zurückgenommen worden sind – in Bezug auf das Kontaktverbot beispielsweise bei Personengruppen, bei denen sich erst im Nachhinein herausstellte, dass es sich um eine häusliche Gemeinschaft oder um eine Familie handelte.

• Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass ein Großteil der Einsprüche, die von der Stadt übergeben werden, am Ende beim Amtsgericht landen. Dabei geht es nicht nur um Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung., sondern auch um andere Bußgeldverfahren etwa aus den Bereichen Umwelt/Tierschutz oder Verkehr.

Die Zahl solcher Ordnungswidrigkeitsverfahren insgesamt ist laut Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren leicht gestiegen – von 6380 (2016) über 6380 (2017) und 6747 (2018) auf 6827 (2019). In diesem Jahr sind es demnach bereits 4075 (Stand 25. Juni).