Duisburg. In einigen Duisburger Gemeinden besuchen nur noch ein Prozent der Mitglieder einen Gottesdienst. Geistliche betreiben Ursachenforschung.

Geht man nach den aktuellen Zahlen, bekommt man schnell die Erkenntnis: Die Kirche spielt im Alltag der meisten Duisburger kaum eine Rolle mehr. Sie treten scharenweise aus ihr aus, nur ein winziger Teil besucht noch die Gottesdienste. Aber wo gehen die Menschen in Duisburg noch am meisten in die Kirche, warum kehren ihr so viele den Rücken und was denken Pastoren und Pfarrerinnen, wie es mit ihren Gemeinden weitergeht?

239.692 der rund 491.000 Menschen in Duisburg waren 2018 überhaupt noch Mitglied in der Kirche. Das geht aus Statistiken hervor, die Bistümer und Landeskirche veröffentlichen. 33 evangelische und katholischen Gemeinden gibt es. Lediglich fünf Prozent der Mitglieder gehen durchschnittlich an einen gewöhnlichen Sonntag in den Gottesdienst, nirgendwo sind es so wenige wie in in der evangelischen Gemeinde Ruhrort-Beeck.

„Das ist schon traurig. So eine schöne Kirche – und so leer“, sagt der Pfarrer der Gemeinde, Rüdiger Klemm. Gerade mal ein Prozent der Gemeindemitglieder feiern dort sonntags den Gottesdienst. Aber man gewöhne sich an die leeren Bänke, sagt Klemm. „Ich habe schon mit nur acht Leuten Gottesdienst gefeiert.“ Zum Vergleich: Am häufigsten besuchen Menschen in der katholischen Gemeinde St. Johann in Hamborn eine Messe, aber auch dort sind es nur 8,5 Prozent der Mitglieder.

Duisburg: In einigen Gemeinden besuchen gerade noch ein Prozent der Mitglieder den Gottesdienst

Generell gibt es einen deutlichen Rückgang der Gottesdienstbesuche. 2008 gingen zum Beispiel in der Gemeinde St. Michael in Meiderich noch 1600 Menschen sonntags in die Messe, 2018 waren es nur noch 859 – also ein Rückgang um etwa 54 Prozent. In den anderen Gemeinden sieht das ähnlich aus.

Die Ursachen für die geringen Kirchenbesuche in Duisburg sind vielfältig, nicht auf alle haben die Kirchen überhaupt einen Einfluss. Wir haben mit zwölf Geistlichen aus den drei evangelischen Kirchenkreisen und den zwei katholischen Bistümern gesprochen. Sie nennen verschiedene Ursachen für die schrumpfende Anzahl an Gottesdienstbesuchen: Dahinter sehen sie in der Tendenz eine Distanzierung der Bürger von Kirche, nicht aber von Religion. „Der Mensch ist ein religiöses Wesen, braucht Religion,“ sagt Thorsten Hendricks, Dechant des Dekanats Duisburg-West und Pfarrer der Gemeinde St. Franziskus. Bürger suchten ihr Heil aber nun verstärkt außerhalb der Kirche, etwa in Yoga, Meditation oder auch Fußball.

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Wolfram Syben, Superintendent des Kirchenkreises Moers, stellt ein Land-Stadt-Gefälle fest. „Wir sehen, dass Leute in ländlichen Gebieten noch etwas häufiger Gottesdienste besuchen, als etwa in Homberg“. Die Gesellschaft, vor allem in der Stadt, sei weniger gleichförmig, als noch vor 50 Jahren. „Sie ist multireligiös und multikulturell geworden“, sagt der Pfarrer Andreas König aus der Gemeinde St. Michael. „Wir hatten in den vergangenen Jahren einen Zuzug von Muslimen, Juden und orthodoxen Christen, gleichzeitig sank der Anteil an katholischen und evangelischen Christen.“ Der Anteil wird geringer, weil viele alte Mitglieder sterben und nur wenige neu getauft werden.

Durch Gemeinde-Fusionen verlieren Menschen ihre kirchliche Heimat

Rüdiger Klemm, Pfarrer der evangelischen Gemeinde Ruhrort-Beeck, sieht als ein Problem, dass Gemeinden zusammengelegt und dem Zuge Gebäude geschlossen werden. Die Kirchen bündeln Kräfte wegen des Mitgliederschwundes, um überhaupt noch weiter existieren zu können. Die Fusionen machen die Gemeinden aber mitunter gesichtslos. „Wenn wir noch alle Kirchen hätten, würden bestimmt noch mehr Leute kommen“, vermutet er. Der halbe Duisburger Norden gehöre zu seiner Gemeinde, es gebe jedoch nur noch eine Kirche.

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Thorsten Hendricks sagt: „Die Zusammenführung macht die Gemeinden anonymer. Menschen verlieren dadurch ihre kirchliche Heimat und wenden sich ab.“ Auch der Strukturwandel begünstige niedrige Gottesdienstbesuche. „Krupp hatte tausende Arbeiter, die hielten zusammen und Kirche gehörte dazu.“

Wenn man Menschen fragt, warum sie aus der Kirche austreten, sind die am häufigsten genannten Gründe, dass ihnen Kirche nichts mehr sagt, dass sie sich über einen Priester geärgert haben, die Missbrauchsfälle – und dass ihnen die Kirchensteuer schlicht zu hoch ist.

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Die Menschen, die aus der Kirche austreten sind in der Regel zwischen 25 und 30 Jahre alt: Dann bekommen sie ihr erstes Gehalt und zahlen Steuern. Die Kosten-Nutzen-Abwägung verliert die Kirche in vielen Fällen.

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