Duisburg. Vollstationäre Jugendhilfe hat kein Homeoffice: Wegen des Coronavirus bereiten sich die Duisburger Kinderheime auf den Ernstfall vor.

Ärzte, Schwestern, Pfleger, sie alle bekommen Lob und Anerkennung für ihr Engagement in der Coronakrise. Vollstationäre Pflege ist auch in Kinderheimen Tag und Nacht erforderlich. Wie gehen die Duisburger Einrichtungen mit der Situation um?

"Wir sind komplett vergessen worden, wir werden hier nicht gesehen", sagt Ivonne Homeister-Monschke. Die pädagogische Leiterin des Kinderheims St. Josef in Duisburg bemüht sich seit Wochen um klare Informationen. Beim Gesundheitsamt bekomme man mit jedem Anruf von unterschiedlichen Ansprechpartnern andere Infos, klagt sie. Wie etwa umgehen mit fiebernden Kindern? Getestet worden sei noch keines. (Das Jugendamt Duisburg hat unserer Redaktion eine Stellungnahme zum Artikel geschickt, die wir am 3. April am Textende hinzugefügt haben, d. Red.)

Bislang habe es keine konkreten Corona-Fälle gegeben. Geschäftsführer Michael Hegemann ist darüber erleichtert angesichts der Vielfach-Infektionen in Altenheimen. "Unsere Klientel ist keine Risikogruppe", sagt der 39-Jährige, und gefährdete Mitarbeiter seien nicht mehr im Dienst. Alle anderen seien da, "ich bin glücklich und stolz, dass das so gut funktioniert im Sinne der Kinder", sagt der Diplom-Ökonom.

Duisburg: Schulaufgaben mit Förderschulkindern

In den Gruppen werde wie in einer großen Familie gelebt. Aktuell steht hier also Schulunterricht an. "Wir haben viele Förderschulkinder, die wenig selbstständig arbeiten können", sagt Homeister, das sei schon anstrengend. Aufgaben am Computer müssen abwechselnd erledigt werden.

Nachmittags ist Austoben angesagt. Wegen der strikten Trennung zwischen den Gruppen gehe man abwechselnd heraus, um Basketball oder Wikingerschach zu spielen. Mit einer Sonder-Bescheinigung dürfen die Gruppen auch an den Rhein.

Herausfordernde Kinder - schon ohne die Pandemie

Die Ängste von Kindern und Mitarbeitern nehme man ernst, begegne ihnen mit Informationen und Transparenz. Gefühlt sei der Zusammenhalt groß, man habe einen "gemeinsamen Feind", so Hegemann.

Trotzdem seien es auch ohne Pandemie schon "herausfordernde Kinder und Jugendliche, die sich nicht so einfach einschränken lassen. Die sind ja hier, weil sie zu Hause nicht gehalten werden konnten", verdeutlicht Homeister. Da ist Kreativität gefragt, um alle bei Laune zu halten. Konflikte gebe es, aber "nicht gravierend", ergänzt die 49-Jährige.

Reduzierter Elternkontakt nach strengen Regeln

Quarantäne-Pläne wurden längst durchgespielt - mit dem Ziel, dass möglichst viele Kinder im Heim bleiben können. "Es würde ihnen aus pädagogischen und psychischen Gründen nicht gut tun, für längere Zeit nach Hause zu gehen", sagt Homeister. Der Elternkontakt sei reduziert, teils nur nach strikten Regeln draußen erlaubt.

"Wir dürfen und wollen es nicht verbieten, müssen aber uns und alle schützen." Eine einheitliche Regelung statt schwammiger Empfehlungen des Landesjugendamtes würden sie sich wünschen.

"Der Zusammenhalt ist super"

Im Schifferkinderheim in Ruhrort ist die Regelung strikter. "Nach außen gilt ein rigoroses Kontaktverbot, sagt Leiterin Corinna Stanioch. Die Eltern dürfen nicht besucht werden - Videoanrufe ersetzen den unmittelbaren Blickkontakt. Auch die Gruppen halten sich voneinander fern, gehen nacheinander Billard spielen oder auf die Kegelbahn - und dazwischen wird desinfiziert. Wegen der Herausforderungen durch die Schulaufgaben habe der Cartiasverband das Personal aufgestockt, Reinigungsintervalle verkürzt.

Überhaupt: Die Mitarbeiter. "Die Dienste laufen, alle sind da, der Zusammenhalt ist super", freut sich Stanioch. Sie schreibt täglich einen Newsletter, damit alle 130 Kollegen auf Stand sind. Bislang sei niemand infiziert, kein krankes Kind zu pflegen. Vorbereitungen seien aber getroffen.

Handhygiene und Abstand halten

Man achte auf die Handhygiene und bemühe sich um den nötigen Abstand. Aber: "Stationäre Jugendhilfe hat kein Homeoffice", sagt die 43-Jährige. Der Abstand habe natürlich Auswirkung auf die Beziehungsarbeit. Umarmen sei aktuell nicht möglich, körperliche Nähe werde kompensiert, etwa durch kleine Massageübungen in den Gruppen.

Neben den schulischen Herausforderungen laufen Projekte, die die Gruppen selbst bestimmen konnten: "Eine Gruppe schleift ihre Stühle ab, eine andere streicht Wände neu", sagt Stanioch, der Verband finanziert diese 'Beschäftigungstherapie'. Spielsachen durften sie sich auch wünschen, "Lego Technik steht gerade hoch im Kurs".

Eine Quarantänegruppe könnten sie im Schifferkinderheim sofort einrichten. Masken allerdings hätten sie nicht ausreichend. Und was tun mit infizierten Kindern, die nicht ins Krankenhaus kommen? Täglich neue Fragen und Herausforderungen. Stanioch, die vor ihrer Karriere als Sozialwissenschaftlerin und Betriebswirtin mal Krankenschwester werden wollte, stürzt sich in die Lösungssuche. Spannend ist die Coronakrise eben auch.

Stellungnahme des Duisburger Jugendamtes

Diese Stellungnahme des Duisburger Jugendamtes hat unsere Redaktion am Donnerstag, 2. April, erreicht. Am Tag darauf haben wir diese an dieser Stelle ergänzt: Das Jugendamt und das Gesundheitsamt arbeiten eng zusammen, so auch in allen Fragen der Corona-Pandemie. Das betrifft auch die Situation in den Duisburger Kinderheimen. Den Einrichtungen steht eine Rufdiensthandynummer des Gesundheitsamtes zur Verfügung, mit der die schnelle Erreichbarkeit gesichert ist. Das Jugendamt steht zudem in einem engem Austausch mit allen stationären Duisburger Jugendhilfeeinrichtungen. Die gute Kooperation sowie die gegenseitige Unterstützung zwischen allen Beteiligten sind nach unserer Auffassung in dieser Krise eine tragfähige Partnerschaft auf Augenhöhe. Mit Blick auf die Krisenbewältigung werden Konzepte und Unterstützungsmöglichkeiten mit einander abgestimmt, die einerseits den Infektionsschutz in den Einrichtungen größtmöglich sichern und anderseits den fachlich bestehenden Erfordernissen der erzieherischen Hilfen in den Einrichtungen gerecht werden.

>> KNAPP 250 KINDER IN DEN BEIDEN KINDERHEIMEN

  • In den 16 Gruppen von St. Josef im Duisburger Westen werden über 120 Kinder betreut, von fünf Jahren bis ins junge Erwachsenenalter, die meisten Kinder sind zwischen acht und zwölf Jahre alt
  • In den acht Wohngruppen der Caritas und vier Tagesgruppen werden im Schnitt je 10 Kinder betreut. Die jüngsten sind 6, die ältesten 21 und in der Verselbständigungsphase, auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gehören dazu.

>> SPRECHSTUNDE DES FAMILIENHILFEZENTRUMS

  • Das Familienhilfezentrum der Caritas hat eine offene Sprechstunde eingerichtet. Wochentags von 9 bis 12 Uhr finden Eltern, Alleinerziehende und Kinder hier Ansprechpartner zu Themen wie Familienkonflikten, Erziehung, Schwangerschaft oder Schulden: Tel.: 0203/2865643
  • Das Jugendrotkreuz Duisburg öffnet wochentags von 9 bis 12 Uhr digital sein Sterntalerhaus. Unter 0203/4196300 oder spielederweltjrk@drk-duisburg.de können sich Kinder und Eltern Anregungen holen, was man gemeinsam spielen, malen oder basteln kann.