Duisburg/Mülheim/Oberhausen. Ängste, Einsamkeit in der Quarantäne und Verunsicherung lassen die Zahl der Anrufe bei der Telefonseelsorge steigen. Sorge vor häuslicher Gewalt.

In der Corona-Krise stößt auch die Telefonseelsorge in Duisburg an ihre Grenzen: In vier Tagen wurden über 200 Gespräche geführt. „Es gibt kaum noch Pausen zwischen den Anrufen“, sagt Olaf Meier, Leiter der Telefonseelsorge. Durchschnittlich dauert ein Seelsorgegespräch 25 Minuten. Gesprochen wird über Ängste – aber vor allem auch über Einsamkeit.

In über 20 Prozent der Anrufe wird aktuell die Corona-Pandemie angesprochen. Viele Menschen sind verunsichert, haben etwa Angst vor einer Ansteckung. Mit Informationen des Robert-Koch-Institutes weisen die Mitarbeiter am Telefon deshalb zum Schutz der Anrufer auf gängige Hygienevorschriften hin. Aber gerade Menschen mit Angststörungen bekämen „durch das Coronavirus neue Nahrung“.

Coronavirus: Erinnerungen an den Krieg

Einige Anrufer, so teilt Psychologe und Theologe Meier mit, fühlen sich durch die Corona-Krise an den Krieg erinnert. „Es werden traumatische Erinnerungen wach.“ Durch Hamsterkäufe wird etwa das Gefühl der akuten Not geweckt. Erinnerungen, die alleine nur schwer zu verarbeiten sind.

Bei anderen Ratsuchenden spielt die Einsamkeit eine große Rolle. „Corona macht einen mutterseelenallein“, soll ein Anrufer im Gespräch gesagt haben. 63 Prozent der Gespräche der Seelsorge werden mit alleinlebenden Menschen geführt, sagt Meier. Manche von ihnen rufen täglich an, oft um erstmals am Tag eine menschliche Stimme zu hören. Der sinnvolle Verbleib in den eigenen vier Wänden lässt einsame Menschen in dieser Zeit aber noch einsamer wirken, so Meier.

Coronavirus: Häusliche Isolation schafft Probleme

Der leere Raum um einen herum biete aber auch für sonst sehr aktive Menschen „viel Zeit zum Nachdenken“ und schaffe so manchmal erhöhten Beratungsbedarf. Denn mit der Isolation beginnen Menschen, auch über sich und ungelöste Lebensfragen nachzudenken.

Die häusliche Quarantäne birgt gerade für Paare und Familien auf engstem Raum Probleme, sagt Meier, der auf 23 Jahre Erfahrung bei der Telefonseelsorge zurückblickt. „Dann knallt es auch mal, wenn Menschen nicht ausweichen können.“ Bisher habe es im Zuge der Corona-Krise aber noch keine Beratungen über Streit oder sogar häusliche Gewalt gegeben.

"Wir müssen uns auf einen Langstreckenlauf einstellen"

Doch das Ende der Pandemie ist noch nicht in Sicht. Vielmehr ist der Leiter der Telefonseelsorge überzeugt: „Wir müssen uns auf einen Langstreckenlauf einstellen und uns womöglich längere Zeit auf größere Einschränkungen einstellen.“ Es sei zu erwarten, dass die Anrufzahl noch steigen werde, wenn immer mehr Menschen ans Haus gebunden sind und wenn immer mehr psychologische Beratungsdienste kein Angebot mehr im persönlichen Gegenüber anbieten können.

Ohne „die hohe Motivation der Ehrenamtler“, da ist sich Meier sicher, würde die Beratungsstelle an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. „Bis heute ist der Dienstplan immer gefüllt“, sagt Meier. Und das, obwohl ein Großteil der 120 Mitarbeiter mit knapp über 60 Jahren zur Risikogruppe zählt. Aber junge Kollegen würden in dieser Zeit auch regelmäßig einspringen.

Telefonseelsorge - anonym, vertraulich und rund um die Uhr verfügbar

Im Gespräch versuchen die geschulten Mitarbeiter vor allem eines: zuhören. Mit viel Mitgefühl wird „Raum zum Klagen“ gewährt und wird versucht, Ängste zu nehmen. „Fake News, aber auch Informationen rund um die Uhr, verstärken die Angst.“ Was mit den anonymen Anrufen in der Zukunft passiert, wissen die Mitarbeiter der Telefonseelsorge nicht. Sie sind aber in dieser Zeit der Entbehrungen und neuen Situationen ein wichtiger Baustein der Lebenshilfe.

>>> So erreichen Sie die Telefonseelsorge

Die Mitarbeiter der Telefonseelsorge sorgen dafür, dass ein Telefon tagein tagaus rund um die Uhr sowie ein zweites Telefon zwölf Stunden am Tag besetzt sind. Die Anrufe unter den Rufnummern 0800 1110111 und 0800 1110222 sind anonym, vertraulich und kostenfrei.

Die Mitarbeiter führten mit Menschen aus Duisburg, Mülheim und Oberhausen im vergangenen Jahr insgesamt 13.642 Seelsorgegespräche. Damit das so bleiben kann, werden Menschen für die neue Ausbildung ab Herbst 2020 gesucht. Allerdings kann der für Dienstag, 24. März, um 19 Uhr im Haus der Kirche in Duisburg geplante Informationsabend zur Ausbildung für die Telefonseelsorge wegen der Pandemie nicht stattfinden. Der Termin soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Wer sich für die Ausbildung interessiert, findet nähere Infos unter www.telefonseelsorge-duisburg.de. Kontakt zu diesem Thema kann aufgenommen werden mit dem Sekretariat unter 0203-22657 oder buero@telefonseelsorge-duisburg.de.