Duisburg. Im Forum: Verkäuferinnen bangen um ihr Gehalt, Kunden um ihre Freiheit. Was die Menschen am letzten Tag mit uneingeschränktem Zutritt bewegt.

Das Duisburger Forum ist am Montagvormittag leergefegt. Aus Angst vor dem Coronavirus meiden die Duisburger seit einigen Tagen das Einkaufszentrum an der Königstraße. So erzählen es die Verkäufer, Putzfrauen und Sicherheitsarbeiter. Doch ab Dienstag, 17. März, wird es allerdings noch ruhiger.

Die Stadtverwaltung hat entschieden, dass Bürger im Forum nur noch einkaufen dürfen, um ihren „dringenden oder täglichen Bedarf“ abzudecken. Denn bereits am Sonntag hatte die Landesregierung erlassen, dass Einkaufszentren mit mehr als 15 Geschäften den Zugang für Kunden beschränken müssen.

Der Erlass der Landesregierung war eine Handlungsempfehlung an die Stadt. Die hat am Montag entschieden, den Erlass umzusetzen, so dass er für das Forum nun gültig ist. Hält sich das Forum nicht an die Vorgaben, drohten Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahre, mahnt die Stadt Händler im Allgemeinen. Die Stadt hat angekündigt, Kontrollen durchzuführen.

Forum Duisburg: Verkäuferin hat Angst vor Schülern mit Langeweile und Virus

Am Montagmorgen, noch bevor die Entscheidung der Stadt gefallen ist, den Erlass umzusetzen, spürt man bei den Verkäufern im Forum Verunsicherung. Viele wissen nicht, wie es in den nächsten Tagen weitergeht: Schließt das Einkaufszentrum komplett? Für wie lange? Und was bedeutet das für die Angestellten?

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Die Verkäuferin eines Modegeschäfts im Untergeschoss ist vom Krisenmanagement in NRW und Duisburg nicht überzeugt: „Die sollen das Forum endlich schließen und nicht wieder alles verpennen wie bei der Loveparade.“ Sie sagt, dass nun alles unternommen werden müsse, um die steile Kurve der Ansteckung abzusenken. „Wir müssen die Ausbreitung des Virus verlangsamen, damit nicht so viele Alte und Vorerkrankte sterben.“

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Für eine Schließung des Forums spricht aus ihrer Sicht auch, dass andernfalls Schüler das Zentrum bevölkern würden: „Die haben ja jetzt frei. Dann lungern sie hier rum und verbreiten das Virus.“

Die Verkäuferin fühlt sich schlecht informiert von der Geschäftsführung des Forums: „Wir hängen total in der Luft.

Verkäuferin: Schließung wäre eine Katastrophe

Ganz anders sieht das die Store-Managerin des frisch eingezogenen Dessousgeschäfts Hunkemöller. Sie fände eine Schließung des Forums übertrieben: „Zwischen den Kunden ist immer viel Abstand, so voll wird es ja nie hier.“

Außerdem sei eine Schließung für die Arbeitnehmer „eine Katastrophe, weil die angewiesen sind auf ihr Geld“. Einige Verkäuferinnen arbeiten in dem Geschäft als Mini-Jobber. Wenn das Geschäft schließt, fehle ihnen das Geld zum Leben.

Aber auch für die Festangestellten könnte eine Schließung negative Folgen haben: Es drohten Kündigungen, wenn den Unternehmen und Ketten ihre Einnahmen fehlen. „Wer sagt, dass die Unternehmen ihre Verluste nicht auf die Angestellten abwälzen?“

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Von Fabienne Piepiora und Martin Schroers

Brüder berichten Rassismu: „Manche spucken uns vor die Füße“

Ein Rentner – graue Haare, Weste und faltiges Gesicht – sitzt im Erdgeschoss des Forums auf einer Holzbank und beobachtet mit starrer Miene andere Besucher. Ein Mitarbeiter des Forums bittet den Mann, sich „nicht zu lange im Forum aufzuhalten“ – wegen der Ausbreitung des Coronavirus. Kopfschüttelnd steht der Mann auf: „Spinnen doch alle“, sagt er und verlässt das Einkaufszentrum.

Im Saturn schauen sich zwei Brüder Videospiele an. Einer ist 14 Jahre, der andere 15 Jahre alt. Sie schauen hier wöchentlich nach neuen Nintendo-Spielen. Am liebsten zocken sie Mario Card. „Wäre schon nervig, wenn das Forum schließt“, sagt einer der beiden. „Wir haben zwar noch die alten Spiele, aber das wird schnell langweilig.“ Jetzt wollen sie das Fitness-Videospiel Ring Fit Adventure kaufen.

„Unsere Mutter ist Thailänderin, deswegen sehen wir asiatisch aus“, erklären sie. Seit der Ausbreitung des Coronavirus sind die Brüder auf der Straße rassistischen Äußerungen ausgesetzt: „Die Leuten rennen vor uns weg, schauen böse rüber und manche spucken uns vor die Füße.“

Für sie würden geschlossene Geschäfte und leere Straßen also auch eine kurze Auszeit vom offen gezeigten Rassismus bedeuten.

Reinigungskräfte: Türgriffe „kann man gar nicht sauber halten“

Eine junge Frau aus dem Saarland, die seit kurzem in Duisburg lebt, um als Krankenschwester zu arbeiten, verbringt ihren Vormittag in der Fernsehabteilung des Saturnmarktes: „Ich will mich hier nur mal umschauen und gucken, wie teuer die Fernseher sind.“ Der möglichen Schließung des Elektronikgeschäfts sieht sie gelassen entgegen: „Ich bin überzeugt, dass die Politik weiß, was richtig ist, um uns Bürger zu schützen.“

Zwei Achtklässlerinnen mit glatten, braunen Haaren nutzen ihre Freizeit, um durch die Geschäfte zu schlendern. Als sie am Freitag über eine Lautsprecherdurchsage im Klassenzimmer erfahren haben, dass ab Montag die Schulen schließen, sei Jubel und Freude ausgebrochen, wie sie erzählen. Auf einer Internetseite bekommen sie nun Aufgaben von ihren Lehrern gestellt. Wann sie die lösen, ist ihnen überlassen. Angst vor dem Coronavirus haben sie nicht. „Wir sind ja nicht die Risikogruppe“, meint eine von ihnen.

Im Shopping-Bereich wechseln sich drei Reinigungskräfte schichtweise ab. Eine von ihnen erzählt, dass sie Angst hat, sich anzustecken, weil Kunden keine Distanz wahren würden. „Die husten ohne Hand vor dem Mund, kommen nah an mein Gesicht und fragen, wo das Klo ist.“

Die Reinigungskräfte müssen seit dem Ausbruch des Coronavirus Türgriffe, Bänke und Tische mit Desinfektionsmittel reinigen. „Vorher nur mit dem nassen Lappen“, sagt eine von ihnen. Doch sie bezweifelt, dass das viel bringt. „In der Stunde packen so viele die Türe an, das kann man gar nicht sauber halten.“