Duisburg. Weniger Richter, eine stagnierend hohe Arbeitsbelastung und neue Klagewelle: Das Sozialgericht Duisburg erwartet längere Verfahrensdauern.

Nicht selten geht es um ganz banale, aber für die Betroffenen existenzielle Fragen wie: „Darf ein Hartz IV-Empfänger für einen Umzug ein Umzugsunternehmen beauftragen? Müssen es Umzugskisten sein oder gehen auch Bananenkisten?“ Dina Richter, Richterin am Sozialgericht in Duisburg, könnte viele Beispiele aus der Praxis aufführen, die zeigen, wie breitgestreut die Streitthemen sind, mit denen sich das Sozialgericht auch 2019 wieder befasst hat. Nach wie vor nehmen Klagen im Hartz IV-Bereich mit 4991 Fällen und 37,8 Prozent den größten Anteil aller Verfahren ein. Deren Zahl ist zwar insgesamt um 4,2 Prozent auf 13.227 gesunken. „Dennoch aber stagniert die Belastung der Richter auf hohem Niveau“, sagt Vizepräsident Karl-Dieter te Heesen, der nach dem Wechsel des ehemaligen Präsidenten Ulrich Scheer Anfang des Jahres nach Münster das Gericht kommissarisch führt und heute den Jahresbericht für 2019 vorstellte.

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Hinzu kommt, dass sechs Richter, die während der großen Klagewelle der Krankenkassen vor zwei Jahren zur Entlastung zusätzlich eingestellt wurden, Duisburg wieder verlassen haben. „Die Stellen werden nicht nachbesetzt. Deshalb müssen mehrere tausend Verfahren auf die Kammern umverteilt werden. Die Kollegen bearbeiten zum Teil über 120 Akten auf einmal mehr“, erklärt te Heesen. Damit dürften auf jeden der 46 Richter rund 300 Klagefälle pro Jahr zukommen. Dies werde sich in diesem Jahr bei den Verfahrensdauern bemerkbar machen. Weit mehr als die Hälfte aller Verfahren konnten bislang in weniger als zwölf Monaten erledigt werden, was eine gute Quote sei. Ob dieser Schnitt aber zu halten ist, sei fraglich.

35 Prozent der Klagen erfolgreich

Aktuell müssen sich die Richter mit einer erneuten Klagewelle im Bereich der Krankenversicherungen beschäftigen. Hintergrund ist das MDK-Reform­ge­setz, das im Januar in Kraft getre­ten ist. Der Medizinische Dienst wurde organisatorisch von den Krankenkassen gelöst. Er prüft künftig die Abrechnungen der Krankenhäuser seltener, dafür aber gezielter als bisher. Zudem soll es einen Schlichtungsausschuss auf Bundesebene für Konflikte zwischen Krankenkassen und Kliniken geben. Dies habe dazu geführt, „das bei uns Ende des Jahres noch einmal rund 950 Verfahren eingegangen sind, weil die Kassen noch schnell klagen wollten. Allerdings können hinter jedem mehrere Einzelfälle stecken, die getrennt zu bearbeiten sind“, erklärt Richterin Dina Richter.

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Und gerade im Krankenversicherungsbereich müssten oft Gutachten hinzugezogen werden. Auch das koste Zeit. Mittlerweile müssten Gerichte nicht selten bis zu neun Monate auf ein Gutachten warten. Im Kern geht es zumeist um möglicherweise falsch berechnete Behandlungskosten oder Krankenhaus-Patiententage, die Kassen vorsorglich von den Kliniken zurückfordern. Klassischer Fall: Der Patient wurde fünf Tage stationär behandelt. Die Kasse ist der Meinung, zwei Tage hätten reichen müssen. Allerdings kommen die Kassen mit ihrer Meinung nicht immer durch.

Nur etwa 35 Prozent aller Klagen sind erfolgreich. Das gilt für alle Fachbereiche wie Arbeitslosenversicherung, Elterngeld, Krankenversicherung, Kassenarztrecht, Pflegeversicherung, Sozialhilfe, Schwerbehinderten- und Versorgungsrecht.

Trotz aller Mehrbelastung ist es dem Gericht aber gelungen, die Zahl aller erledigter Verfahren um 12,4 Prozent auf 13.580 zu steigern. Damit verringere sich der Bestand insgesamt um 2,4 Prozent auf 14.381 Verfahren. „Dieses Ergebnis ist aber nur auf einen enormen Arbeitseinsatz aller Mitarbeiter zurückzuführen“, sagt Vizepräsident te Heese wohlwissend, dass die Arbeitsbelastung für die Kollegen steigen wird. Immerhin sei es gelungen, im nichtrichterlichen Dienst alle offenen Stellen zu besetzen. So werden die 46 Richter von 86 Justizbeschäftigten unterstützt.

Unverändert ist die Gebäudesituation im bahnhofsnahen ehemaligen Klöckner-Haus. Noch immer gibt es nichts Neues in Sachen Sanierung. Fehlende Barrierefreiheit, fehlende Besprechungsräume für Anwälte und Kläger, ständig kurzfristig auftretender Reparaturbedarf erschwerten die Arbeit. Und der Mietvertrag läuft noch bis Ende 2021.