Duisburg. Im „Steinbruch“ diskutieren zahlreiche Bürgerinitiativen, wie sie eine Verkehrswende für Duisburg hinbekommen könnten. Finanzen ein großes Thema.
Der Öffentliche Nahverkehr hat ein gravierendes Problem – und es ist weder Unpünktlichkeit, Sauberkeit, noch die jährlich unverdrossen steigenden Ticketpreise: „Er wird falsch, das heißt nicht volkswirtschaftlich berechnet“, sagt Udo Hase. Zum „Politischen Frühstück“ von Attac Duisburg im Lokal Steinbruch zeigt der Verkehrsexperte, wie die Finanzierung des ÖPNV über Fahrkarten den Ausbau blockiert. Und damit die notwendige Verkehrswende. Am Tisch mit Hase und Attac sitzen Vertreter von Gruppierungen, die im Kommunalwahljahr kräftig Druck auf die politischen Gruppen ausüben wollen – notfalls auch mit zivilem Ungehorsam: die Duisburger Stiftung für Umwelt, Gesundheit und Soziales, Fridays for Future, BI Sechs-Seen-Platte, Amnesty, Intakt – auch die Linkspartei. Ihre Maximalforderung: ein kostenloser ÖPNV, mindestens aber der Ausbau von Bus und Bahn.
ÖPNV-Nutzer finanzieren derzeit das Angebot
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Dass das zu bohrende Brett dick ist, wissen alle: „Es gibt einen Reflex gegenüber Forderungen für den Ausbau des Nahverkehrs“, bestätigt Hase, der selbst bei den Linken ist. Er lautet: Wer soll das bezahlen? Von Bürgern wie Lokalpolitikern ist das kaum zu beantworten, denn das „Finanzierungsmodell“ ist ein schwer zu entfädelnder Spaghetti-Knoten aus Bundes-, Landes- und Kommunalmitteln, mit Kreuz- und Querrechnungen zwischen Verlusten und Gewinnen der Stadttöchter einer Kommune.
Mit einer zentralen Komponente: In Deutschland muss er von den Nutzern, und damit zum größten Teil aus den Ticket-Einnahmen bezahlt werden, zeigt Hase auf. Und stützt sich dabei auf wissenschaftliche Analysen etwa der TU Dortmund. Gut 25 Milliarden kostet demnach der Nahverkehr in der ganzen Republik, rund neun Mrd. kommen dabei aus dem gemeinsamen Topf der Fahrgeldeinnahmen, Werbung und Pacht also gut ein Drittel, in einigen deutschen, vor allem aber armen Kommunen liegt der Anteil noch höher. Denn sie haben weniger Mittel, um Verluste auszugleichen.
Duisburger Bündnis will Gruppen zusammenbringen
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Die Auswirkungen dieser Nutzerfinanzierung sind weitreichend: Entsprechend hoch müssen die Ticket-Preise sein: 2,40 Euro kostete 2011 der Einzelfahrpreis in Berlin, und lag damit weit vor Amsterdam (1,50 €) oder Madrid (1 Euro). Entsprechend unattraktiv jedoch ist damit der Umstieg vom Auto auf Bus oder Schiene. An einen Ausbau ist so kaum zu denken, weil die öffentliche Hand ja Verluste ausgleicht, und gleichzeitig sparen soll, erläutert Hase. Wie lässt sich der Spaghetti-Knoten durchschlagen? Eine volkswirtschaftliche Rechnung des ÖPNV wollen Attac und Linke nun weiter in die Diskussion der Stadtgesellschaft bringen. Nach ihrer Rechnung kann man durch Streichung von Subventionen beim Diesel (8 Mrd.) und Luftverkehr (12 Mrd.) sowie Steuervorteilen beim Dienstwagen (3 Mrd.) und verzichtbare Straßenbauprojekte (2 Mrd.) wenigstens die Kosten des ÖPNV finanzieren. Mit Strafen für die Autoindustrie wegen Dieselbetrugs ließe sich sogar Geld für den Ausbau generieren.
„Es gibt zig Gruppierungen in Duisburg, die man in der Sache zusammenbringen kann“, glaubt Melanie Schmidt (Sprecherin des Aktionsbündnisses Intakt), „es braucht nur einen Funken.“