Duisburg-Rheinhausen. Der bekannte Pianist besuchte die Fröbel-Schule in Rheinhausen und will ihnen Lust auf Bach und Beethoven machen.

Martin Stadtfeld winkt die rund 20 Schüler zu sich, damit sie sich um ihn scharen und direkt in den offenen Flügel auf die Saiten und die Mechanik schauen können. Und schon perlen die Finger des vielfach ausgezeichneten Pianisten über die Tasten und es erklingt die betörende Musik Bachs, die für den Musiker als Sechsjähriger so wichtig und prägend war. Die Schüler der Friedrich-Fröbel-Schule sind sofort ruhig, schauen zunächst fast ehrfürchtig auf den Gast am Flügel, aber strahlen vor Glück.

„Es ist mein Lieblingsstück“, sagt der 39-Jährige. Er zeigt, was passiert, wenn er eine Taste anschlägt. Dann drückt er das Pedal, die Dämpfer heben sich, das ganze Instrument klingt. Ein Klangwunder.

„Bach ist mein Lieblingskomponist“

Konzertpianist Martin Stadtfeld genießt es sichtlich, den Schülern der Fröbel-Schule Bach näher zu bringen.
Konzertpianist Martin Stadtfeld genießt es sichtlich, den Schülern der Fröbel-Schule Bach näher zu bringen. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Johann-Sebastian Bach ist sein Lieblingskomponist, mit dem er als Pianist auch als 22-Jähriger seinen Durchbruch erlebte. Das Präludium in C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier war es, das in ihm den Wunsch weckte, Klavier zu spielen. Sein Klavierlehrer hat ihm damit die Welt der Harmonie eröffnet und aufgefordert, den Spannungen der Musik zu lauschen. Den Zyklus hat er dann vor zwölf Jahren für Sony aufgenommen. Als er das Präludium spielt, sagt er jede Stimmungsänderung an. „Jetzt wird es etwas unheimlich“, dann „bedrohlich“, „traurig“ und zwischendurch immer wieder gut. Dann vergleicht er das Stück mit einem Gespräch. Die tiefen Töne sind der Vater, dann hält die Mutter in schrillen Höhen die Gegenrede. Er lässt sich einmal von einem neugierigen Jungen assistieren, der eine Taste drücken soll, damit sich die Spannung eines Akkords in Wohlklang auflöst.

„Schnell spielen ist einfach. Einfach die Finger locker lassen“

Die Kinder applaudieren. Einer wünscht sich Amadeus und Stadtfeld gleitet bei Mozarts türkischem Marsch akzentuiert über die Tasten. Verträumter wird es bei Beethovens Mondscheinsonate, die er anspielt und auch dessen Frühwerk mit dem lustigen Titel „Die Wut über den verlorenen Groschen“ stimmt er an. Das rasante Stück, das gar nicht so nach Wut, sondern eher nach ungestümer Eile klingt, wird er im Juli auch bei seinem Auftritt beim Klavierfestival Ruhr in Herne spielen. Wie er so schnell spielen könne, wollen die Kinder wissen. „Ganz einfach die Finger locker lassen“, antwortet der Virtuose mit einem Lachen, sagt aber auch, dass es das Ergebnis vieler Übungsstunden sei. Als Geste des Dankes führen die Kinder zwei Finger zum Kinn. Stadtfeld erwidert diese Gebärde. Hinterher kommt noch ein Schüler zurückgelaufen und bittet Stadtfeld um ein Autogramm.

Musiklehrer Pascal Vogt sprach den Virtuosen nach einem Konzert an

Für Kinder einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung ist der Besuch eines Konzerthauses und das Erleben von professioneller Live-Musik eine Seltenheit, aber wichtig, da klassische Musik durch ihre Emotionalität so tief und wohltuend wirkt. Der Musiklehrer Pascal Vogt, der Stadtfeld sehr schätzt, nutzte eine Gelegenheit nach einem Konzert in Dortmund und fragte ihn einfach, ob er zu einem Konzert an die Schule kommen würde. Stadtfeld sagte gerne zu, sieht darin eine erfrischende und wunderschöne Ergänzung zum Konzertbetrieb, weil sich der Ablauf nicht planen lasse. Es ist ihm aber auch wichtig. Wenn er in ein paar Tagen in Frankfurt gastiert, geht er auch in eine Schule.

Mehr Frust als Lust

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Als Vogt nachher im Gespräch erzählt, dass Kinder zunächst offen für klassische Klänge seien und sich erst später durch unterschiedlichste Einflüsse dem Pop zuwenden, nickt Stadtfeld heftig. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, Jugendliche an die klassische Musik heranzuführen. „Es gibt auch gute Popmusik, aber das meiste ist nur Oberfläche“, stellt er fest und bedauert, dass es mittlerweile auf jedem Kanal im Radio dudelt.

Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger WestenErfreut registrierte er, dass ein Mädchen neben ihm die ganze Zeit die Melodie richtig mitgesummt habe. Ein Junge habe sich dazu tänzerisch bewegt. „Die sind sehr musikalisch.“ Er hält es auch für einen Fehler, Bachs Musik intellektuell vermitteln zu wollen. Das gehe nur über die Sinnlichkeit, in dem Schüler die Emotionen erfassen. Lehrer sollten begeistern, die kindliche Freude nutzen und in der Mathematik von der Magie der Zahlen schwärmen. Doch leider sei Frust statt Lust oft die Realität.