Duisburg-Bruckhausen. 1911 begann die Geschichte der Straßenbahnlinie 10 durch Duisburg-Alsum. Heute ist sie längst Geschichte – wie das Dorf, durch das sie fuhr.
Schmal wirkt die Straßenbahn der Linie 10, die auf den körnigen, schwarz-weißen Filmaufnahmen von 1964 aus Hamborn gefahren kommt und von der Kaiser-Wilhelm-Straße aus in den Matenatunnel abbiegt. „Der Eindruck täuscht nicht, die Hamborner Bahnen hatten eine geringere Spurweite als die Duisburger Bahnen“, sagt Hans Joachim Meyer. Er sammelt Heimatbilder aus Hamborn und kann dazu so manche Geschichte aus der Vergangenheit erzählen – so wie die der Linie 10, die 1911 begann.
In diesem Jahr wurde die Gemeinde Hamborn Großstadt und leistete sich ein eigenes Straßenbahnnetz. Um die gleiche Zeit überbaute man die Matenastraße mit einer 400 Meter langen Tunnelröhre. Das ehemalige Fischer-und Bauerndorf Alsum am Rhein wurde in den folgenden Jahren mehr und mehr durch die wachsenden Industrieanlagen eingekesselt. Die Bahnen der Linie A, später in Linie 21, noch später in Linie 10 umbenannt, die alle Viertelstunde durch den gekachelten Tunnel ratterten, verbanden Alsum mit dem Rest der Welt. „Man konnte über Alt-Hamborn und Neumühl bis nach Oberhausen-Buschhausen fahren und von dort in die Linie nach Sterkrade umsteigen, wo die Gutehoffnungshütte lag“, erinnert sich Meyer an die günstige Verkehrsanbindung.
Das Duisburger Rheindorf Alsum verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg
Als 1964 die Kamera der Bahn in den düsteren Tunnel folgte, da war das Schicksal der Linie 10 schon besiegelt. Und das Schicksal des ehemaligen Rheindorfes Alsum auch. Im Zweiten Weltkrieg waren von den 252 Wohnhäusern 142 zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. Bergsenkungen ließen den Stadtteil mit den schönen Gaststätten und der hohen Vereinsdichte immer weiter abrutschen. Im Jahre 1954 wurde die Umsiedlung aller Bewohner beschlossen. 1964 lebten noch 23 Familien in Alsum.
Ein Foto von 1966 zeigt eine Bahn der Linie 10, mit Kakaowerbung auf der Flanke, am letzten offiziellen Betriebstag. Schluss mit den Fahrten nach Alsum war schon ein Jahr davor. Die letzten Einwohner gingen von dort 1965 weg. Der Stadtteil verschwand unter einem Berg aus Weltkriegstrümmern und Abraum, dem Alsumer Berg.
Der Matenatunnel wurde unter Denkmalschutz gestellt – und trotzdem zugeschüttet
Am längsten hielt der Matenatunnel mit der drückenden Decke durch, der im Jahr 2012 tatsächlich noch unter Denkmalschutz gestellt wurde. Bilder aus Meyers Fundus mit Götz George vor der großen Schnauze einer englischen Edelkarosse belegen seinen Einsatz als Schimanski-Kulisse. Gerettet hat ihn das nicht: Inzwischen ist er zugeschüttet. Die von Stadt und ThyssenKrupp vereinbarten Hinweisschilder und Instandsetzungen des Eingangsbereiches sind bisher nicht umgesetzt worden.
Hans Joachim Meyer erinnert das an eine andere traurige Geschichte. Das Hochrelief des heiligen Nikolaus, das die Hamborner Künstlerin Emmy Bartscherer für die katholische Kirche von Alsum entworfen hatte, sollte gerettet werden und einen Platz an der Bruckhausener Kirche finden. „Aber am Ende hat man den Nikolaus doch achtlos auf den Schutt geworfen“, sagt Meyer, den diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Wahrzeichen eines verschwundenen Stadtteils auch nach über 50 Jahren noch immer schmerzt.
Neues Heimatbuch geplant
Mit vollem Einsatz stöbert der Heimatforscher und Verleger Hans Joachim Meyer immer wieder alte Bilder und Dokumente auf.
Zehn Bände mit Bildern und Texten über die ehemalige Großstadt Hamborn sind so bereits zusammen gekommen.
Zurzeit arbeitet Meyer am elften Band.