Die kleine Bibi erlitt in Afghanistan schwere Brandverletzungen – überlebte nur wie durch ein Wunder. Duisburger Ärzte geben ihr eine Zukunft.

Duisburg. Als sich Dr. Raouf Onallah nähert, flitzt Bibi los, drückt die Tür des Spielzimmers in der Sana-Kinderklinik zu und lächelt schelmisch. „Ich weiß, immer wenn ich komme, tut’s weh“, ruft Onallah. Der plastische Chirurg des BG Klinikums hat die schweren Brandverletzungen des Mädchen aus Afghanistan operiert. Nach zweieinhalb Monaten kann Bibi das Krankenhaus verlassen. „Unter den Kindern im Friedensdorf ist es schöner“, sagt Martina Mika, die Leiterin der Kinderstation – „Oma“ nennt ihre kleine Patientin sie.

Kleine Bibi: Mit Verletzungen keine Zukunft in der afghanischen Provinz

Was genau geschehen ist, das weiß auch Claudia Peppmüller nicht. „Wohl ein Kampf zwischen den Taliban und dem Militär“, vermutet die Sprecherin des Friedensdorfs International in Oberhausen. Vielleicht wurde das Haus, in dem ihre Familie lebte, in Brand geschossen. Jedenfalls grenzt es schon an ein Wunder, dass das drei, vielleicht vier Jahre alte Kind überlebte. Die Flammen verbrannten ihre linke Gesichtshälfte und den linken Arm, zerstörten ein Auge.

In den Sana Kliniken Duisburg ist Bibi, ein schwer brandverletztes Kind aus Afghanistan behandelt worden. Sie lebt derzeit im Friedensdorf International in Oberhausen
In den Sana Kliniken Duisburg ist Bibi, ein schwer brandverletztes Kind aus Afghanistan behandelt worden. Sie lebt derzeit im Friedensdorf International in Oberhausen © Sana Kliniken Duisburg | Sana Kliniken Duisburg

Monate waren schon vergangenen, als ihr Vater Bibi im August vorstellte beim Roten Halbmond, der Partnerorganisation des Friedensdorfs. Die Wunden, notdürftig versorgt, waren vernarbt, der Arm angewinkelt und unbrauchbar. „Ein klassischer Drittwelt-Befund“, sagt Raouf Onallah, „so etwa gibt es hier nicht“. In der zentralafghanischen Provinz Ghazni, dort lebt Bibi, hätte sie keine Zukunft gehabt. „Ihr Vater hat uns angefleht, sie mitzunehmen“, berichtet Claudia Peppmüller. Unter der Bevölkerung sind die Termine im August und Februar, an denen die am schwersten verletzten Kinder ausgewählt werden für die Reise nach Deutschland. Ihre Verletzungen können in Afghanistan nicht behandelt werden. „Zwischen 600 und 1000 Familien kommen zu diesen Terminen“, so die Friedensdorf-Sprecherin.

Duisburger Kliniken behandeln unentgeltlich

Die Sana Kliniken und das BG Klinikum gehören seit vielen Jahren zu den Duisburger Häusern, die unentgeltlich die kleinen Patienten behandeln. „Wir nehmen Kinder, die plastische Operationen oder eine neurochirurgische Versorgung benötigen“, erklärt Dr. Axel Feldkamp, der behandelnde Kinderarzt. Nicht jedes Krankenhaus verfügt über die nötige Kompetenz, die schweren Verletzungen zu behandeln. Immer wieder erreichen dann Hilferufe die Spezialisten. „Ein großes Herz allein reicht nicht“, sagt Raouf Onallah.

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Eine Skizze hat der plastische Chirurg angefertigt, um aus dem fehlverheilten Gewebe bei der Operation Bibis Gesicht neu zu formen. „Eine verschiebbare Lappenplastik“, erklärt er, „dabei wird alles komplett abgelöst und neu platziert, die Löcher dazwischen werden mit Lappen aus der Bauchhaut gefüllt“. Auch der Mund, zuvor „ein offenes Loch, aus dem das Essen herausfiel“, konnte so rekonstruiert werden, dass die Kleine wieder normal essen kann. „Die Muskulatur unter der Haut war zum Glück nicht zerstört“, berichtet der Chirurg.

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Nachsorge ist wichtig für den Behandlungserfolg

Auf einem guten Weg: Bibis linke Gesichtshälfte, ihren Mund und den linken Arm konnten Dr. Raouf Onallah rekonstruieren, das linke Auge des Mädchens war nicht zu retten.
Auf einem guten Weg: Bibis linke Gesichtshälfte, ihren Mund und den linken Arm konnten Dr. Raouf Onallah rekonstruieren, das linke Auge des Mädchens war nicht zu retten. © FUNKE Foto Services | Foto: Jörg Schimmel

„Sie isst wie ein Scheunendrescher“, freut sich Axel Feldkamp über die Entwicklung seiner Patientin nach den zwei plastischen Operationen im Oktober und November. Kinder wie Bibi aufzunehmen, das sei keine Kleinigkeit für die Klinik, sagt der Kinderarzt. „All diese Kinder sind Träger von gefährlichen Keimen, das muss tunlichst behandelt werde, bevor wir sie aufnehmen.“ Zudem mussten Bibi sechs vereiterte Zähne entfernt werden – hier kooperierten die Kiefer-Spezialisten der Malteser-Klinik in Homberg.

Der Heilungsprozess ist nicht abgeschlossen. Spezialbandagen und viel Hautpflege sorgen dafür, dass die Narben verheilen, bei der Physiotherapie übt die Kleine, ihren linken Arm wieder zu gebrauchen. Einen künstlichen Aufsatz, eine sogenannte Epithese, werden die Ärzte noch anpassen für das von den Flammen zerstörte Ohr. Auf dem linken Auge wird Bibi nie wieder sehen können. „Wir hoffen, dass wir noch eine schnelle Lösung finden, bis Bibi im Februar nach Afghanistan zurückkehrt“, sagt Claudia Peppmüller. Welche Narben auf der Seele von Bibi bleiben werden, können auch die besten Ärzte in der kurzen Zeit nicht ergründen. Dass die Kleine fröhlich spielt mit Martina Mika, wertet Dr. Axel Feldkamp als gutes Zeichen: „Wir haben das Gefühl, dass sie ein glückliches Kind ist.“

Wirtschaftlicher Druck erschwert die Behandlung der Kinder

Seit vielen Jahren behandeln Duisburger Kliniken wie Sana - vormals das städtische Klinikum – und das BG Klinikum unentgeltlich Kinder aus dem Friedensdorf International in Oberhausen. Die ärztliche Kunst der Spezialisten sichert ihr Überleben in der Heimat, wo eine Behandlung ihrer Unfall- und Kriegsverletzungen nicht möglich ist. Zwei bis drei Kinder werden alljährlich in den Sana Kliniken Duisburg behandelt.

„Wir entscheiden nach Dringlichkeit und der Zahl der freien Betten in den Häusern, die mit uns kooperieren, über die Zahl der Kinder, die wir ausfliegen“, erklärt Claudia Peppmüller vom Friedensdorf. Die Bereitschaft der Kliniken und der Ärzte, sich für die jungen Patienten zu engagieren, sei unvermindert hoch, berichtet die Sprecherin des Oberhausener Friedensdorfes. Weil der wirtschaftliche Druck in den Kliniken steige, Bettenzahlen reduziert werden, werde es zunehmend schwieriger, Plätze in geeigneten Häusern zu finden. Informationen über Hilfseinrichtung, die sich ausschließlich aus Spenden finanziert, gibt es unter: www.friedensdorf.de