Duisburg/Recklinghausen. Über zwei Jahre war Marvin (15) aus Duisburg verschwunden. Jetzt entdeckten Polizisten ihn in der Wohnung eines 44-Jährigen in Recklinghausen.
Im Fall „Marvin“ aus Duisburg laufen die Ermittlungen weiter auf Hochtouren: Nach dem überraschenden Fund des 15-Jährigen in der Wohnung eines Kinderpornografie-Verdächtigen in Recklinghausen ist der Jugendliche, der seit mehr als zwei Jahren vermisst wurde, zur Untersuchung in eine Klinik gekommen.
„Er war zwei Jahre lang nicht in der Obhut von Erziehungsberechtigten“, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Der psychische Zustand des Jungen werde nun fachärztlich untersucht.
Der seit Juni 2017 vermisste Marvin war am Freitag in der Wohnung eines 44-Jährigen im Schrank gefunden worden, als Ermittler dessen Wohnung wegen des Verdachts auf Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs durchsuchten.
Marvin wird am Samstag erneut befragt
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Unklar ist weiterhin, ob sich der Junge freiwillig in der Wohnung aufgehalten hatte. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er gefesselt oder eingesperrt worden sei, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Es müsse geklärt werden, ob psychischer Druck ausgeübt worden sei.
Polizisten durchsuchten am Wochenende die Wohnung des Festgenommenen akribisch nach Beweismitteln wie Datenträgern - auch mithilfe eines speziell ausgebildeten Daten-Spürhundes. Die vollständige Auswertung der beschlagnahmten Geräte und Datenträger werde noch eine Weile dauern, so der Sprecher. „Jeder Quadratmeter der Wohnung wird von uns auf links gedreht“, sagte der Sprecher. Die ersten beschlagnahmten Geräte und Datenträger wurden bereits am Samstag ausgewertet.
44-Jähriger aus Recklinghausen kommt vor Haftrichter
Der 44-Jährige war am Freitag vorläufig festgenommen worden. Am Samstag ordnete ein Richter dann Untersuchungshaft an.
Dass die Polizisten Marvin am Freitagmorgen entdeckten, sei „reiner Zufall gewesen“, sagte ein Polizeisprecher. Als die Beamten um 7 Uhr in der Wohnung standen, hatte sich der Jugendliche in einem Schrank versteckt.
Wie lange er schon in der Wohnung des 44-Jährigen lebte, ist eine von vielen offenen Fragen, die die Polizei noch beantworten muss. Dazu gehört auch, was Marvin in den zweieinhalb Jahren seines Verschwindens gemacht hat. „Das sind alles Punkte, die noch geklärt werden müssen“, sagte Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber am Freitag.
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Marvin wurde laut Polizei unversehrt aufgefunden
Äußerlich sei der Jugendliche unversehrt gewesen, als die Polizei ihn entdeckte, sagt Wilming-Weber. Ob er in der Wohnung Opfer von Straftaten geworden sei, sei ebenfalls Gegenstand der noch laufenden Ermittlungen: „Da ist es jetzt noch zu früh für eine Aussage.“
Marvins Eltern sind bereits informiert. Die Polizei entscheidet nun, in wessen Obhut der Jugendliche jetzt kommt.
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Die Beamten nahmen in der Wohnung am Freitag nicht nur den 44-Jährigen, gegen den sich die Kinderpornografie-Ermittlungen vorrangig richten, sondern auch dessen 77-jährigen Vater, der sich ebenfalls in der Wohnung aufgehalten hatte.
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Fall aus Duisburg war im Sommer noch Thema bei „Aktenzeichen XY“
Der aus Duisburg stammende Marvin hatte nach seinem Verschwinden aus einer Einrichtung in Oer-Erkenschwick am 11. Juni 2017 sein Handy ausgeschaltet und war unauffindbar.
In der Folge meldeten sich bei der Polizei Zeugen in Deutschland, den Niederlanden und Österreich, die den Jungen gesehen haben wollten. Gefunden wurde er nicht. Der Vermisstenfall war noch im Sommer – rund zwei Jahre nach dem Verschwinden des Jungen – Thema bei der „Aktenzeichen XY“-Spezial-Sendung mit dem Schwerpunkt „Wo ist mein Kind?“.
Danach hatte sich die Duisburger Polizei für die zahlreichen Hinweise bedankt, die nach der Ausstrahlung eingegangen waren. Jeder einzelne davon sollte intensiv geprüft werden, hieß es. Letztlich half doch Kommissar Zufall.
In den zweieinhalb Jahren, in denen Marvin verschwunden war, musste die Familie auch Kritik ertragen. Mancher äußerte sich abfällig über die Familiensituation, die den Jungen in eine pädagogische Einrichtung gebracht hatte. Manuela B. wurde nicht müde, zu erklären, dass der Tod seines Vaters Marvin aus der Bahn geworfen habe.
Eine Kerze für Marvin, „damit er den Weg nach Hause findet“
„Ich sagte zu dem Engel, hole mich aus der Ungewissheit raus und zeige mir den Weg des Lichts“ – diesen Spruch hat Marvins Mutter Manuela B. am Donnerstag auf ihrer Facebook-Seite gepostet.
Seit dem Verschwinden war die Ungewissheit für die zweifache Mutter am schwierigsten zu ertragen. Ein Gedenkschrein in der Wohnung mit Fotos und Kerzen erinnerte täglich an die Leere.
Sie engagierte sich bei der Suche nach vermissten Kindern, postete noch am Freitagmittag eine Vermisstensuche zu einem 14-jährigen Mädchen aus Hanau. Auf der Facebookseite zum Vermisstenfall ihres Sohnes postet die Mutter regelmäßig, ein Foto zeigt die „Adventsecke“ für Marvin, „und die Kerze ist dazu immer an, damit er sozusagen den #Weg nach #Hause findet“.