Duisburg. Anonyme Spurensicherung nach Vergewaltigungen soll künftig auch in Duisburg möglich sein. Nur 15 Prozent der Taten werden angezeigt.

Frauen, die vergewaltigt wurden, können ab 2020 in Duisburg anonym Spuren sichern lassen. Bis März müssen Betroffene auf Krankenhäuser in Moers oder Düsseldorf ausweichen. Die Frauenberatungsstelle Duisburg ist zuversichtlich, das System in Duisburg etablieren zu können. Darum geht’s:

Durch die Anonyme Spurensicherung soll Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, Zeit zum Nachdenken verschafft werden. Bis zu 72 Stunden nach der Tat können noch Spuren festgehalten werden, die den Täter überführen könnten. Eine Anzeige kann auch Monate später noch gemacht werden.

Duisburg: 60 Beratungsgespräche wegen sexueller Gewalt geführt

„Manche Frauen sind erst nach Beratungsgesprächen und einer Therapie stark genug, die Tat anzuzeigen“, erklärt Melanie Lütke von der Frauenberatungsstelle. Denn damit verbunden ist in Gerichtsverfahren eine Konfrontation mit dem Täter. Befragungen vor Gericht seien mitunter belastender als die Tat, ergänzt ihre Kollegin Diana Determann. Für traumatisierte Frauen eine Horrorvorstellung, „und ist die Anzeige einmal gestellt, gibt es kein Zurück“.

Die Frauenberatungsstelle Duisburg ist durch Mittel des Gleichstellungsministeriums in der Lage, die Einführung zu koordinieren. Für zwei Jahre ist das Projekt gesichert. Im letzten Jahr haben die Mitarbeiterinnen 60 Beratungsgespräche wegen sexueller Gewalt geführt. Durch die #metoo-Bewegung sei das Bewusstsein für Fehlverhalten gestiegen, betonen Melanie Lütke und Diana Determann.

Für die teilnehmenden Krankenhäuser sind Anonyme Spurensicherungen mit Aufwand verbunden. Eine Frau nach sexuellem Missbrauch zu untersuchen, das kostet Zeit und Sensibilität. Die Gynäkologen werden geschult, weil sie gerichtsfest vorgehen müssen. Abstriche, Fotos oder anderes Beweismaterial werden in der Düsseldorfer Rechtsmedizin bis zu zehn Jahre gelagert, bis sich die Frau zu einer Anzeige entschieden hat.

Personelle Engpässe bei der Betreuung traumatisierte Frauen

Melanie Gartz, Oberärztin am St. Anna-Krankenhaus, findet die Einführung in Duisburg wichtig. Obwohl ihr Haus durch einen anstehenden Trägerwechsel in Bewegung ist, glaubt sie, dass sich das Krankenhaus beteiligen wird, zumal die Arbeit ab Januar abgerechnet werden kann. Da die ASS aber einen Facharzt erfordert, befürchtet sie vor allem nachts personelle Engpässe.

Wenn man alleine im Dienst sei, parallel im Kreißsaal gefragt ist und gynäkologische Notfälle hereinkommen, sei es schwer, mit der nötigen Fürsorge eine traumatisierte Frau zu untersuchen. Inklusive Dokumentation rechnet Gartz mit rund anderthalb Stunden Arbeit. Wie groß die Nachfrage sein wird, ist für Gartz die große Unbekannte.

„Nur wenige Vergewaltiger werden verurteilt“

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Die Statistiken im Zusammenhang mit Vergewaltigungen sind bitter: „Lediglich bis zu 15 Prozent der Fälle werden angezeigt“, sagen Lütke und Determann. Die Gründe sind vielfältig. Einer ist: Täter sind oft Familienmitglieder oder Bekannte.

Ein anderes Problem ist die Stigmatisierung der Frauen und die Frage der Schuld. In der öffentlichen Wahrnehmung gingen Frauen, die kurze Röcke tragen, Alkohol trinken, ein Risiko ein: „Die Mitschuld schwingt oft mit“, sagt Lütke.

Durch die ASS könnten perspektivisch mehr Täter gefasst werden. Die Beratungsstelle bereitet Frauen aber auch darauf vor, dass der Täter womöglich nicht verurteilt wird, „nur wenige werden bestraft“

Für die Duisburger Polizei ist die Anonyme Spurensicherung ein zweischneidiges Schwert, sagt Polizeisprecherin Stephanie Bersin. „Für uns ist ja wichtig, zu wissen, um wen es geht.“ Sie könne die Nöte der Frauen aber gut verstehen. Intern gebe es deshalb ebenfalls Sicherungsmaßnahmen, damit nicht in allen Fällen jeder sehen könne, wer hinter einer Anzeige stecke.

70 Vergewaltigungen in Duisburg 2018

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Das Wäldchen in Mülheim, wo die Tat geschah. Der Tatort befindet sich nahe der Straßenlaterne im Hintergrund.
Von Von Hubert Wolf, Annika Fischer und Carolin Rau

Die Polizei zählte 2018 insgesamt 402 Sexualdelikte, im Vorjahr waren es noch 353 Fälle, eine Steigerung um 13,8 Prozent. Zu Sexualdelikten gehören Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, sexueller Missbrauch, Zuhälterei, ausbeutende Prostitution sowie die Verbreitung kinderpornographischer Schriften.

Konkrete Vergewaltigungen bzw schwere sexuelle Nötigung wurde in 70 Fällen angezeigt, davon sind nach Angaben der Polizei 64 aufgeklärt. In 2017 waren es 45 Fälle, von denen 39 aufgeklärt wurden.

Für Frauen, die Gewalt erlebt haben, gibt es das Hilfetelefon. Unter 08000116016 gibt es in 17 Sprachen rund um die Uhr Unterstützung. In Duisburg ist die Frauenberatungsstelle zu erreichen unter Tel. 0203/3461640, www.frauenberatungsstelle-duisburg.de