Duisburg. Linken-Politiker Gregor Gysi ist Mercator-Professor der Uni Duisburg-Essen. In seiner Antrittsrede kritisierte er auch die Sprache der Politiker.

Gregor Gysi (Die Linke), Vorsitzender der Europäischen Linken, hat seine Mercator-Professur an der Universität Duisburg-Essen (UDE) offiziell angetreten. Am Dienstag überreichten Ulrich Radtke, Rektor der Universität, und Karl-Rudolf Korte, Direktor der „NRW School of Governance“ an der UDE, dem Juristen seine Ernennungsurkunde als Gastprofessor für Politikmanagement. In seinem anschließenden Vortrag im kleinen Saal des Audimax in Duisburg sprach der 71-jährige Berliner über Donald Trumps Verhältnis zur Roulettekugel und über das langsame Sterben der Volksparteien.

Gregor Gysi bespricht in Duisburg Deutschland und die Welt

Die letzten Vorbereitungen: Gregor Gysi, studierter und promovierter Rechtsanwalt, lieferte an der Universität in Duisburg einen hervorragenden Vortrag ab – fand auch UDE-Direktor Ulrich Radtke (l.).
Die letzten Vorbereitungen: Gregor Gysi, studierter und promovierter Rechtsanwalt, lieferte an der Universität in Duisburg einen hervorragenden Vortrag ab – fand auch UDE-Direktor Ulrich Radtke (l.). © FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Omnipräsent im Alltag und zu Beginn von Gysis Rede ist Donald Trump. „Im Gegensatz zu ihm ist eine Roulettekugel eine berechenbare Größe“, witzelt der Politiker. Die Feindbilder, die Trump beschwört und in das Machtvakuum des kalten Krieges setzt, zeigten sich aber auch national – und zwar am Erfolg der AfD.

„Die Zeit der alten Volksparteien geht zu Ende“, prophezeit der Vordenker der Linken und bedauert alles, was in der „großen Koalition versank“. Es gebe keine Parteibindung mehr – zumindest nicht bei jungen Menschen –, das wiederum erschaffe die große Menge der AfD-Protestwähler. Die Drei-Parteien-Koalitionen, wie sie aktuell in den neuen Bundesländern entstehen, könne man wohl auch schon bald auf Bundesebene beobachten, schätzt Gregor Gysi.

Gysi gibt in Duisburg Kompromiss-Lektionen

Größere Koalitionen erforderten natürlich größere Kompromisse, weiß der Polit-Veteran: „Mein Rezept für Kompromisse lautet: Alle Schritte müssen in die richtige Richtung gehen, einzig die Schritte dürfen kleiner sein.“ Wie in seinem ganzen Vortrag belegt der hervorragende Redner auch diese Aussage mit einem passenden Beispiel, in diesem Fall mit einer Analogie zur Haltung seiner Partei zu Rüstungsausgaben.

„Die Zeit der ewigen Kanzler ist vorbei“, verkündet der letzte Vorsitzende der SED-PDS (1989-1993) sehr zitierfähig, und führt vor Augen, wie die SPD als Vasall der Union nicht nur ihre Identität verloren, sondern auch einen Nährboden für die AfD geschaffen habe. Der Nationalismus und Rassismus aber, der dieser Tage so omnipräsent ist, sei nicht neu. „Aber jetzt stehen die Leute offen dazu, das war früher nicht so“, zeigt Gysi auf und verweist auch auf braune Sammelbecken in den sozialen Netzwerken.

Gregor Gysi bemängelt in Duisburg die „Bedarfsargumentation“

Jetzt offiziell ein Gastprofessor an der Universität Duisburg-Essen: Gregor Gysi (2.v.l.) freute sich über seine Urkunde von Felix Streiter (1.v.l.), Karl-Rudolf Korte (3.v.l.) und Ulrich Radtke (rechts).
Jetzt offiziell ein Gastprofessor an der Universität Duisburg-Essen: Gregor Gysi (2.v.l.) freute sich über seine Urkunde von Felix Streiter (1.v.l.), Karl-Rudolf Korte (3.v.l.) und Ulrich Radtke (rechts). © FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Die Protestwähler, die heute die AfD wählten, erklärt er, hätten früher die Linke gewählt. Doch selbst wer die AfD „nur“ aus Protest wähle, meint der Gastprofessor, trage auch die Verantwortung für die Konsequenzen.

Der rhetorisch so versierte Politiker bemängelt an diesem Dienstagabend auch die generelle Wortwahl in der Politik. „Die Politiker müssen so sprechen, dass der größte Teil sie versteht“, fordert er, und leitet so zur Diagnose eines beunruhigenden Trends über: „Argumente werden nicht nach Prinzipien genutzt, sondern nach Bedarf“, kritisiert Gysi seine Kollegen im Bundestag, „deswegen haben die Leute das Gefühl, dass ihnen keine Wahrheit begegnet.“

Weiter kritisiert er die „Unabwählbarkeit“ der großen Wirtschaftsbosse und betont die Bedeutung der Aufnahme von Flüchtlingen. Aber, grenzt er ein, „Flüchtlinge haben immer das Recht, Kultur zu erweitern, aber nie, sie einzuschränken.“