Duisburg. Das Konfuzius-Institut ist Ort für kulturelle und politische Bildung. So sehen die deutschen Co-Direktoren die Partnerschaft Duisburgs mit Huawei.
Es ist die Brücke zwischen Deutschland und China, ein Forum für sprachliche, kulturelle und politische Bildung zwischen Duisburg und dem Reich der Mitte: Das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr, feiert am Freitag, 22. November, seinen zehnten Geburtstag. Zum Jahrestag sprechen die beiden deutschen Co-Direktoren, die Ostasien-Wissenschaftler Prof. Dr. Markus Taube und Prof. Dr. Thomas Heberer (beide Universität Duisburg-Essen) und Geschäftsführerin Susanne Löhr über die Bedeutung des Instituts für Duisburg und das Ruhrgebiet.
Wie kam es zur Gründung?
Thomas Heberer: Man hatte in Düsseldorf bereits ein solches Institut gegründet, der damalige Rektor Lothar Zechlin und der Duisburger OB Adolf Sauerland fragten mich, ob ich mich nicht um eines in Duisburg bemühen könne. Ich habe dem chinesischen Botschafter geschrieben, der sich dann ebenfalls dafür aussprach. Dann nahm alles seinen Lauf.
Welches Selbstverständnis hat das Institut?
Heberer: Die kritische Darstellung des chinesischen Prozesses mit dem Ziel, China und seine Entwicklung besser einordnen und verstehen zu können. Im Unterschied zu anderen Instituten, die sich auf kulturelle Inhalte konzentrieren, bilden Wirtschaft, Politik und Gesellschaft besondere Schwerpunkte bei uns. Das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr versteht sich als Ansprechpartner für das gesamte Ruhrgebiet.
Wie lautet ihre Bilanz nach zehn Jahren?
Heberer: Wir treffen nicht nur bei den Städten auf Interesse, sondern auch bei Schulen und Bürgern. Wir sind für Delegationen aus China und bei Reisen städtischer Delegationen nach China Ansprechpartner und Begleiter. Da können wir unsere Expertise gezielt einsetzen. Durch den Hafen will Duisburg deutsches China-Zentrum werden. Da passt ein Institut, das den Prozess kritisch begleitet, gut in den Gesamtkontext.
Was heißt kritische Begleitung?
Heberer: Wir müssen nicht die Politik Chinas propagieren oder seine Positionen teilen, sondern uns damit auseinandersetzen – durchaus auch mit unterschiedlichen Stimmen. In unserer Reihe „Chinagespräche Metropole Ruhr“ ging es etwa 2018 um die Frage, ob eine europäisch-chinesische Partnerschaft die transatlantische ablösen könnte. In diesem Jahr ging es um künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Dabei treten stets deutsche und chinesische Experten in Dialog – durchaus mit unterschiedlichen Meinungen.
Konfuzius-Institute werden paritätisch von deutschen und chinesischen Direktoren geführt. Hat sich das bewährt?
Heberer: Es hat sich eine Arbeitsteilung herausgebildet, die vorsieht, dass die chinesischen Co-Direktoren den sprachlich-kulturellen Bereich abdecken, die deutschen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir hatten Glück, dass wir immer mit chinesischen Direktorinnen besetzt waren, die mit vollem Engagement die Aktivitäten des Instituts mitgetragen haben.
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Ein Institut für Sinologie hat die Universität nicht.
Heberer: Nein, der Schwerpunkt des Ostasieninstituts ruht auf Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie. Manchmal wünsche ich mir, wir könnten den Studierenden mehr historisches Wissen vermitteln. Ohne Kenntnis seiner Geschichte ist China schwer zu verstehen. Die Rolle des Staates etwa, wie sie heute diskutiert wird, ist der von vor Jahrhunderten vielfach ähnlich: Er soll die Ordnung aufrechterhalten, Moralerziehung sicherstellen, Grenzen sichern und den Erhalt der Nation garantieren. Daran hat sich seit 2000 Jahren wenig geändert. Was Präsident Xi Jinping heute sagt über Xiaokang, den „grundlegenden Lebensstandard“ oder über die „harmonische Gesellschaft“ sind Begriffe, die aus einem der Klassiker des Konfuzianismus aus vorchristlicher Zeit stammen.
Markus Taube: China hat in den vergangenen 150 Jahren viele Konzepte und Ideen aus dem Westen übernommen – selbst den Großteil seiner kommunistischen Ideologie. Wir sehen jetzt eine Emanzipation. China meint, sich nun stärker auf die eigenen Wurzeln berufen zu können, weil es zuletzt so erfolgreich war. Aktuelle Narrative entstehen aus einem historischen Kontext.
Wie geht es weiter mit dem Institut?
Taube: Ich bin mit der Entwicklung außerordentlich zufrieden. Unsere Angebote werden angenommen und man versteht uns als das, was wir sein wollen: Vermittler eines besseren Verständnisses zwischen unterschiedlichen Kulturen und Systemen – nicht Propagandisten einer bestimmten Position.
Heberer: Es besteht ein großer Bedarf an Informationen über China. Zu meinen kommen sehr viele Menschen, die wissen wollen, wohin sich das Land entwickelt. Auch Bedrohungsszenarien beschäftigen sie. Viele wissen auch nicht, wie sie den Konflikt zwischen China und den USA einschätzen sollen.
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Taube: Wir können Entwicklungen in den innerchinesischen Kontext setzen und in die globalen wirtschaftlichen Strukturen einordnen. Wir bieten Interpretationsoptionen an – das ist eine wichtige Aufgabe. Zu mir kommen Unternehmen, die handfeste Probleme zu lösen haben und verunsichert sind. Die wollen wissen, was auf sie zukommt.
Susanne Löhr: Zuletzt nehmen mehr Menschen unsere Angebote wahr, weil sie mit China konfrontiert sind, weil sie für chinesische Unternehmen tätig sind oder weil sie sich auf einen Aufenthalt in China vorbereiten. Wir wollen China vom Exoten-Podest holen. Viele nehmen China immer noch als Black Box wahr. Wir wollen helfen, es zu verstehen und ein Ort sein, wo sich Deutsche und Chinesen begegnen können.
Der Handelskrieg ist ein großes Thema. Trauen Sie sich eine Prognose zu?
Taube: Letztlich handelt es sich um einen Kampf um Hegemonie und technologische Führerschaft. Zumindest bis zu den US-Wahlen wird der Handelskonflikt mit wechselnden Intensitätsstufen weitergeführt werden. Der Wettstreit um technologische Führerschaft und globale Hegemonie wird sich aber über Jahrzehnte erstrecken.
Heberer: Auch ein anderer US-Präsident wird die China-Politik wohl nicht ändern. Wie der US-Politikwissenschaftler John Mearsheimer geschrieben hat: Die Amerikaner akzeptieren nicht, dass eine andere Macht aufsteigt und sie möglicherweise vom ersten Rang verdrängt. Man kann sagen, dass China in den nächsten 20 Jahren wohl stabil bleiben und sich am politischen System wenig ändern dürfte. Im Übrigen: Wir sollten hoffen, dass China stabil bleibt, denn ein Zusammenbruch des Systems würde wahrscheinlich ein Chaos hervorrufen.
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Taube: Wir sollten den Austausch stärker pflegen. China wird schon qua Masse viel bewegen. Wir müssen lernen, uns damit informiert auseinanderzusetzen, Wissen und Kompetenz aufbauen, um zu verstehen, was dort passiert.
Duisburg ist sehr um enge Bindungen zu China bemüht. Deckt die Realität den Anspruch, führender China-Partner zu sein?
Taube: Durchaus. Duisburg ist der Hauptbahnhof der neuen Seidenstraße in Europa. Das ist ein von Zahlen belegter Fakt. Hieraus erwachsen sehr positive Effekte für Stadt und Region. Die Stadt ist zentrale Drehscheibe für den Schienen-Güterverkehr zwischen Europa und China. Wir sind dabei ,ein völlig neues Industriegeflecht von Europa bis China zu entwickeln.
Huawei, Technologie-Partner für die Smart City Duisburg, steht in der Kritik. Mit Recht?
Heberer: Der Kernpunkt in dieser Frage ist das Vertrauen. Der Westen hat offenbar wenig Vertrauen in das politische System Chinas, und dies wirkt sich auch bei der Beurteilung von Huawei und seiner Technologie aus, obwohl es kein Staatsbetrieb ist. Dabei gibt es bislang keinerlei Hinweise auf das Einbauen von sogenannten „backdoors“, Hintertüren in der Technologie, die zu Spionage- oder Manipulationszwecken benutzt werden könnten. Der einzig bekannte Fall des Einbaus einer solchen „Hintertür“ ist die US-Firma Cisco, was etwa beim Handy von Frau Merkel der Fall war.
Ist Duisburg allein mit einer Entscheidung überfordert?
Taube: Ja. Die Bundesregierung sollte in Abstimmung mit der Industrie festlegen, wo welche Technologie verwendet werden kann. Es gibt erhebliche Technologieabflüsse nach China, aber wir haben derzeit keine Beweise für Spionage von Huawei. US-amerikanische Industriespionage führt ebenfalls massive Verluste für die europäische Industrie herbei. Darüber sprechen wir nicht. Vielleicht, weil wir die USA als Teil eines größeren „Wir“ verstehen. Wir brauchen eine offene, aufgeklärte Diskussion darüber, wie wir damit umgehen, dass wir in Zukunftsfeldern von ausländischen Technologieträgern abhängig sind oder werden.
Ist angesichts der Größe Chinas eine Partnerschaft auf Augenhöhe überhaupt möglich?
Taube: Für Deutschland allein nicht, für Europa ja. Es geht um die Frage, wie kreativ und leistungsstark unsere Volkswirtschaft ist. Wenn sie nichts mehr zu bieten hat, werden wir an Einfluss verlieren. Innovationskraft und Produktivität unserer Unternehmen sind der Schlüssel für unseren Einfluss zur Förderung demokratischer Werte und ethischer Normen in der Welt.
Heberer: Partnerschaft auf Augenhöhe ist möglich. Letztlich geht es dabei nicht nur um Wirtschaft oder Technik, sondern auch um die gemeinsame Lösung globaler Probleme.Das geht nur gemeinsam.