Sechs Mädchen dürfen im Schwimmstadion nicht mehr mit der Trainerin ihres Vereins trainieren. Ein Streit treibt Eltern, Vereine und Trainer um.
Wenn in Duisburger Schwimmvereinen Talente auftauchen, übernehmen Trainer der gemeinsamen Startgemeinschaft „Duisburger Schwimmteam“ (DST) deren Leistungstraining. So beschlossen es die Vereine 1999. Sechs zehn- bis zwölfjährige Mädchen des Vereins Freie Schwimmer Duisburg 1920 (FSD) aber möchten das nicht. Für die Kinder gilt: Leistungstraining ja, aber nur unter der Regie der Freien Schwimmer, nur mit der Wettkampftrainerin ihres Heimatvereins. Ihr vertrauen die FSD-Talente und deren Eltern. Die Entscheidung der Familien ließ die DST-Verantwortlichen jedoch radikal handeln. Eltern und Talente, Schwimmvereine und Funktionäre treibt ein emotionaler und grundsätzlicher Streit um.
Seit März dürfen Helen Pollmann, Lilo Stephan, Greta Roitzheim, Maja Mahmutovic, Charlotte Migala und Sina Preißler nicht mehr mit ihrem FSD-Team im Schwimmstadion Duisburg-Wedau trainieren. Dabei ist das Hallenbad im Sportpark das einzige in Duisburg mit 50-Meter-Wettkampfbahnen. Diese Entscheidung soll bei einem Treffen von Schwimmteam-Vertretern und Delegierten der an der Startgemeinschaft beteiligten zehn Duisburger Schwimmvereine einstimmig gefallen sein. Das habe ihnen der Vorsitzende ihres Vereins FSD ausgerichtet, so die Eltern.
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„Sie haben Trainingsverbot im Stadion bekommen, obwohl sie den Leistungssportbetrieb des DSTs nicht behindern“, kritisiert eine der Mütter – sie möchten ihre Namen nicht in der Zeitung lesen – den Ausschluss durch das Schwimmteam. Ihnen liege bis heute kein Schriftstück zur mündlichen Mitteilung des DST über das Trainingsverbot für ihre Kinder vor. Sie fragen sich, fasst eine Mutter zusammen: „Warum und auf welcher rechtlichen Grundlage darf so eine Entscheidung getroffen werden? Wir fühlen uns abgestraft und empfinden die Entscheidung als willkürlich.“
Eltern berufen sich auf Duisburger „Schwimmstartvereinbarung“
Die Eltern berufen sich auf die „Schwimmstartvereinbarung“, die vor 20 Jahren von Vereinen bei der Gründung der „Startgemeinschaft Duisburger-Schwimm-Team“ getroffen wurde und nun über das Schwimmteam koordiniert wird. Diese besagt in Unterpunkt 4, dass das Training im DST unter Berücksichtigung persönlicher Belange des zu Fördernden freiwillig ist.
Die Betroffenen forderten den schriftlichen Beschluss über den Ausschluss an, die Verantwortlichen des Schwimmteams aber weigerten sich (E-Mail-Wechsel liegt der Redaktion vor). Stattdessen setzte das Schwimmteam mündlich eine Frist: Die Eltern und ihre Mädchen sollten entscheiden, ob sie nun doch mit dem Schwimmteam trainieren wollten oder vom Training im Schwimmstadion ausgeschlossen werden, so eine Mutter.
Nach Streit: Talente und Trainer verließen DSV 98
Auch Michaela Schürmanns Sohn weigerte sich im Frühjahr 2019 ins Schwimmteam einzutreten, weil er seinen weiteren Weg im Leistungssport bei Heinz Rennings sah, dem vereinseigenen Trainer des Duisburger Schwimmvereins (DSV 98). Das DSV98-Team „hielt zusammen und zum Trainer, wollte sich nicht unter Druck setzen lassen“, sagt Schürmann. Am Ende traten alle Nachwuchssportler aus dem DSV 98 aus. Heinz Rennings hingegen legten die DSV-98-Funktionäre nahe, dass seine Kräfte als Wettkampftrainer nicht mehr gebraucht würden, er aber als Übungstrainer bleiben dürfe.
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Die Fälle der FSV- und DSV-Talente seien in Umgang und Kommunikation einander ähnlich und „keine Einzelfälle“, sagt Michaela Schürmann. Unter manchen Eltern und auch Trainern sei die Rede von unlauteren Verboten, erpressungsähnlichen Entscheidungen sowie Briefformulierungen, in denen das Schwimmteam Druck auf die unter seinem Dach organisierten Vereine ausübe.
„Weil wir dem Oberbürgermeister geschrieben haben, bekamen wir sogar Wettkampfverbot“, erzählt Schürmann. Sie und die Eltern der FSD-Schwimmerinnen berichten übereinstimmend: Bei Versammlungen in ihren Vereinen hätten sie schon häufiger gehört, die Vereine fürchteten, Schwimmbahnen und -zeiten durch Konflikte mit dem Schwimmteam zu verlieren.
Vereine sollen um Trainingsmöglichkeiten bangen
Aufgrund der kalten Witterung müssten die Vereine aber im Winter zwingend von ihren Sommerquartieren in das Schwimmstadion ausweichen. „Nur dort haben die Vereine die Möglichkeit, unter angemessenen Wettkampfbedingungen, nämlich auf 50-Meter-Bahnen, trainieren zu können“, erklärt Schürmann das Dilemma.
Es sei ein Wirrwarr aus unzähligen mündlichen Aussagen, unterschiedlichen Standpunkten, „Rückgratlosigkeit“ und „Angsthandlungen“ der Vereine im Zusammenspiel mit dem DST. So zumindest empfindet es Michaela Schürmann.
Das sagt DST-Koordinator Dinter zu den Vorwürfen
Karl-Heinz Dinter ist der zuständige DST-Koordinator und zugleich der Leiter der Fachschaft Schwimmen im Stadtsportbund (SSB). Somit legt Dinter auch die Trainingszeiten der Vereine im Schwimmstadion Duisburg-Wedau fest. Er weist die Vorwürfe der Eltern zurück: „Das stimmt einfach nicht.“ Er und das DST übten keinen Druck auf Vereine aus.
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Vielmehr gehe es um die Wahrung bestimmter Standards für den Leistungssport, so Dinter: „Wir brauchen nun mal Platz für nachrückende Talente. Auch die müssen gefördert werden und Stück für Stück an den Leistungssport herangeführt werden.“ Für individuelle Wege sei da wenig Platz bei nur einem verfügbaren Stadion mit Wettkampfbahnen. Dinter erklärt dies pragmatisch: „So machen die Vereine ein Angebot. Hier dieses, beim DST trainieren zu können. Wenn dieses nicht genutzt wird, müssen sich Eltern und Nachwuchstalente einen Verein suchen, in dem möglicherweise ihre Wünsche gewahrt werden.“
Zum Trainingsverbot für die Schwimmerinnen sagt Dinter: Ein Beschluss des DSTs müsse nicht schriftlich mitgeteilt werden, sondern könne mündlich über die Vereine mitgeteilt werden. Zudem betont er, die sechs Mädchen könnten in ihrem Verein weiter trainieren – „nur eben nicht im Schwimmstadion“.
Eltern fühlen sich Willkür einzelner Entscheider ausgesetzt
Den Beschluss von Schwimmteam und Vereinen aber gibt es aus Sicht von Hanspeter Sturm gar nicht. Sturm ist der Vereinsvorsitzende der Freien Schwimmer (FSD). In den Protokollen der DST-Sitzungen vom 11. September 2018 und vom 15. Januar 2019 ist kein ausdrücklich formulierter Beschluss zu finden, der festlegt, dass die sechs Freien Schwimmerinnen nicht mehr im Schwimmstadion trainieren dürfen (Protokolle liegen der Redaktion vor).
Die betroffenen Kinder und Eltern fühlen sich hilflos der Willkür einzelner Entscheider ausgesetzt, wie sie sagen. Sie wünschen sich Gespräche mit DST-Vertretern. Die Eltern der sechs Schwimmerinnen haben bereits Oberbürgermeister Sören Link geschrieben, „in der Hoffnung, dass er vermittelt“.
Stadtverwaltung empfiehlt „Hinzuziehen einer Schiedsperson“
Das Dezernat des Oberbürgermeisters und das Sportdezernat des Beigeordneten Ralf Krumpholz hätten reagiert und zu vermitteln versucht, berichtet Stadtsprecher Jörn Esser. Mitarbeiter hätten auch mit betroffenen Müttern gesprochen: „Wir haben versucht, Lösungswege aufzuzeigen und haben etwa das Hinzuziehen einer Schiedsperson empfohlen“, so Esser. Der städtische Betrieb „Duisburg Sport“ verwies in diesem Zusammenhang auf die Zuständigkeit der Vereine.
Die Kinder und ihre Eltern beharren auf einem schriftlichen Beschluss zum Trainingsausschluss. Diesem müssten Vertreter der zehn beteiligten Vereine offiziell zustimmen. Ohne den Beschluss, so eine der Mütter, „können wir die mündliche Entscheidungen nicht akzeptieren und werden mit dieser Orientierungslosigkeit allein gelassen“.