Duisburg. Immer mehr Verdachtsmeldungen, immer weniger Inobhutnahmen: Duisburger werden sensibler und melden schlechten Umgang mit Kindern beim Jugendamt.

Immer häufiger werden mutmaßliche Kindeswohlgefährdungen gemeldet. Bundesweit mussten Jugendämter 10 Prozent mehr Fälle einschätzen. In Duisburg stieg der Anteil um 17 Prozent. Dazu gehört der Fall des sechs Wochen alten Babys, das mitten in der prallen Sonne abgestellt war, während die Eltern baden gingen. Das Baby ist inzwischen in einer Pflegefamilie, die Eltern wurden verurteilt.

In konkreten Zahlen: 2018 wurde das Jugendamt 2176 mal alarmiert, weil der Verdacht bestand, dass ein Kind an Leib und Seele verletzt wird. Im Vorjahr waren es noch 1858 Fälle, berichtet Gabi Priem, Pressesprecherin der Stadt Duisburg. „Jedoch ist der Anteil der Fälle, in denen eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen war, von 29 Prozent auf 25 Prozent leicht gesunken“, so Priem.

Aus diesen geäußerten Verdachtsfällen wurden in den vergangenen beiden Jahren knapp 180 Inobhutnahmen. In den Jahren 2015 und 2016 waren es noch über 200 solcher Maßnahmen. Das Jugendamt ist gesetzlich verpflichtet, Kinder und Jugendliche in Obhut zu nehmen, wenn sie selbst darum bitten oder wenn eine dringende akute Gefahr besteht.

Körperliche oder psychische Gewalt

Betroffen sind Kinder und Jugendliche jeden Alters. Ihr Wohl ist bei sexuellem Missbrauch gefährdet, bei körperlicher oder psychischer Gewalt, aber auch bei Vernachlässigung etwa durch Eltern, die drogensüchtig oder psychisch krank sind, wenn Eltern erheblich in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt sind oder unverschuldet versagen. Hinweise kommen von Nachbarn, Lehrern, Erziehern, Ärzten, weil blaue Flecken, leere Brotdosen, auffälliges Verhalten des Kindes dazu führen, dass genauer hingeguckt wird.

Der große Unterschied zwischen gemeldeten Fällen und tatsächlichen Inobhutnahmen liegt vermutlich in der zunehmenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit, sagt Gabi Priem. Nachbarn, die sehen, dass Kinder tagelang allein zuhause sind, gehören ebenso zu den Hinweisgebern wie Lehrer, deren Schüler im Winter ohne warme Sachen zur Schule kommen oder gar sichtbare Spuren von Gewalt tragen. Mancher macht es auch selbst öffentlich, wie der Vater, der sein Baby per Ebay verkaufen wollte. Was ein Scherz gewesen sein soll, wie er später der Polizei erklärte.

Vielfältige Möglichkeiten, Familien zu helfen

Wenn das Jugendamt informiert wird, wird der Allgemeine Soziale Dienst in die Familie geschickt, um die Situation einzuschätzen. Die Möglichkeiten, den Kindern und ihren Eltern zu helfen, sind vielfältig. In einigen Fällen reichen regelmäßige Gespräche, oft werden Helfer eingesetzt, die die Familie engmaschig begleiten, manchmal hilft aber nur ein radikaler Schnitt und eine Trennung von Eltern und Kind, die Inobhutnahme. Dann wird das Kind aus der Familie geholt und in einer Pflegefamilie oder einem Heim untergebracht, wenn sich nicht Verwandte finden, die sich kümmern können.

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Im Schnitt dauert so eine Inobhutnahme sechs bis acht Wochen. In dieser Zeit werden nachhaltigere Lösungen organisiert. Sind Eltern gesprächsbereit, einsichtig und offen, Hilfe anzunehmen, kann ein Kind mitunter zurück in die Familie. Widersprechen die Eltern den Maßnahmen, läuft ein System an, zu dem Gutachten, Diagnosefahren und schließlich auch Gerichtsentscheide gehören. In der Zeit werden die Kinder pädagogisch intensiv betreut, betont Priem.

Kooperationsverträge mit Schulen und Kindergärten

Das Jugendamt hat zudem Kooperationsvereinbarungen zum Thema Kinderschutz mit Schulen und Kitas abgeschlossen. Lehrer und Erzieher werden sensibilisiert und können nach Angaben der Stadt in Verdachtsfällen jederzeit beraten werden.