Duisburg. Der Duisburger Cyrus Overbeck hat seine ostfriesische Wahlheimat Esens fluchtartig verlassen. Der Künstler fürchtet gewaltbereite Rechtsextreme.
Mit seiner ostfriesischen Wahlheimat Esens hat der Duisburger Künstler Cyrus Overbeck abgeschlossen. Vor 15 Jahren wurde er vom Rat der 7000-Einwohner-Stadt eingeladen, das historische Bürgermeister-Becker-Haus zu übernehmen, um dort mit seinen Aktivitäten das kulturelle Leben zu bereichern. Im Mai hat er den Ort fluchtartig verlassen, nachdem er von einem Mann, der „Jude!“ schrie, angegriffen wurde.
„Ich bleibe hier, ich gehe nicht mehr weg“, sagt Cyrus Overbeck im Gespräch in der alten Brotfabrik seiner Großeltern in Beeck, in die er sich zurück gezogen hat. Die Angst vor weiteren Attacken ist noch nicht gewichen, erst kürzlich habe er einen schwarz gekleideten Mann beobachtet, der die Fabrik fotografiert habe.
Polizei und Staatsschutz in Duisburg haben sich eingeschaltet
Seit seiner Rückkehr nach Duisburg steht der 49-Jährige in Kontakt mit der Polizei, auch dem Staatsschutz. Anders als in Esens, fühle er sich hier von der Polizei Ernst genommen. Erleichtert habe ihn auch der Bericht über den Vorfall und seine Hintergründe in der letzten Ausgabe des „Spiegel“. Das zeige ihm: „Es wird nicht weggeguckt.“ Das aber wirft er den Esensern vor.
Overbeck fürchtet sich vor gewaltbereiten Rechtsextremen, hat doch seine intensive Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit des Ortes zum Bruch geführt. Dass die Verbrechen im Nationalsozialismus eines seiner großen Themen sind und das Ziel seiner Kunst die aktive Auseinandersetzung mit Gewalt und Krieg, daraus hat Overbeck nie einen Hehl gemacht.
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In seiner Straßengalerie stellte er Porträts der vor den Nazis geflüchteten Dichterin Anna Seghers und von Adolf Hitler gegenüber, er zeigte Bilder seiner Serien „Wollt Ihr wieder den totalen Krieg?“ und „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Es habe immer mal „komische Sachen“ wie Beschädigungen an seinem Auto gegeben. Aber erst 2018, als er ein Projekt über die NS-Vergangenheit mit dem Kurverein Neuharlingersiel anging und darauf hin die Beteiligten in Mails bedroht wurden, sei die rechte Ecke deutlich geworden, aus der die Angriffe kamen.
Wilhelm Petersen war ein Lieblingsmaler von Adolf Hitler
Im Zuge der Recherchen sei dann auch der Name eines Nachbarn von Overbeck aufgetaucht. Sie ergaben, dass es sich dabei um einen Sohn des Malers Wilhelm Petersen handelt, der während des Krieges Mitglied in einer Propagandaabteilung einer Einheit der Waffen-SS war. Mit Bildern vom „germanischen Herrenmenschen“, der „heldischen Pflichterfüllung des Soldaten“ und den besiegten „Untermenschen“, die er als Kriegszeichner machte, war er ein Lieblingsmaler von Adolf Hitler.
Overbeck stieß auf das 1987 erschienene Buch „Maler des Nordens“, das von Petersens Sohn Hans-Christian und Alain de Benoist herausgegeben worden ist; der Franzose ist führender Kopf der „Neuen Rechten“. Erschienen ist das Buch im Rechtsaußen-Verlagen Grabert. Petersen-Zeichnungen vertreibt der italienische Thule-Verlag, der auch Adolf Ziegler im Angebot hat, der 1936 zum Präsidenten der Reichskulturkammer ernannt wurde. Petersens Motive seien bei Neonazis beliebt, so der „Spiegel“. Er zitiert Hans-Christian Petersen, „er habe den Verlagen schon vor Jahren untersagt, die Werke seines Vaters zu verwenden“. Wilhelm Petersen wurde nach dem Krieg Zeichner des beliebten Comic-Igels „Mecki“.
Cyrus Overbeck zieht einen Schlussstrich
In einer Kanzelrede zum Reformationstag 2018 regte Overbeck, der iranisch-jüdische Wurzeln hat, sich zum Christentum bekennt und evangelische Theologie studiert hat, die Verlegung von Stolpersteinen in Esens an – und sprach auch über Hans-Christian Petersen. Noch während des Gottesdienstes sei er beschimpft und bedroht worden, das werde er bereuen. „Islamischer Hassprediger“ sollen ihn Gemeindemitglieder in einem anonymen Brief an den Kirchenvorstand und das Landeskirchenamt genannt haben.
Overbeck ließ nicht locker und beantragte im Stadtrat, die Werke von Hans-Christian Petersen – bunte Bärenfiguren – aus dem Ort zu entfernen. Und scheiterte. Die Stolpersteine hingegen sollen verlegt werden.
Bereits am Montag werde eins seiner zwei Häuser in Esens verkauft, zieht Overbeck einen Schlussstrich. Er habe sich wieder in Duisburg angemeldet und will den „demokratischen Dialog“ weiterführen. Seine Botschaft: Für jeden einzelnen gehe eine Gefahr von den Neofaschisten aus, die das politische System verändern wollten. Overbeck will wieder so in Duisburg leben „wie vor 30 Jahren“ – mit Freunden, Künstlern und Sammlern. „Mit denen gehe ich immer in Marxloh essen.“