Duisburg-Großenbaum. Törtchen und Brote glutenfrei, laktosefrei und vegan: Darauf ist die Pâtisserie Isabella spezialisiert. Damit erobert das Start-up Deutschland.
Pistazien-Macarons, veganes Waldbeer-Sweetie, White Chocolate Cheesecake, und das alles handgemacht und glutenfrei: Ein solches Angebot ist deutschlandweit selten. Die Pâtisserie Isabella hat sich auf Backwaren für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten spezialisiert. Vieles ist nicht nur gluten-, sondern auch laktosefrei, manches vegan – und alles lecker. In diesem Jahr hat das Start-up seinen Hauptsitz nach Duisburg verlegt. Von hier aus will die Pâtisserie nicht nur NRW erobern, sondern ganz Deutschland.
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Isabella: So heißt die Mitinhaberin des Familienbetriebs mit Vornamen. Sie leidet selber an Zöliakie, der krankhaften Form der Glutenunverträglichkeit. Nach Jahren voller Schmerzen und Krankenhausaufenthalten bekam sie die Diagnose und mied fortan alles mit Weizenmehl. Die Bauchschmerzen verschwanden – aber mit ihnen die Leckereien. Für die Naschkatze schwierig. Am Nachbartisch wurde Sahnetorte geschlemmt, und „ich saß da im Café mit meiner Tupperdose voller trockener Kekse aus der Drogerie.“ Selbst auf Anfrage bekam sie nichts gebacken, das sie vertragen hätte. „Die Konditoren sagten mir: Das machen wir nicht. Das schmeckt nicht, das sieht unappetitlich aus.“
Auf Instagram fand die Pâtissière ihre Vorbilder
Also stellte sie sich selber an den Ofen. Zunächst mit wenig Erfolg: „Es war alles zum Wegwerfen“, erzählt sie. Die Hobbybäckerin nahm es als Herausforderung. „Ich wollte es besser machen.“ Sie besuchte Profibackkurse, las sich in Zutaten ein und durch französische Backbücher. Auf Instagram zeigten französische Pâtissiers ihr Handwerk; die Fotos so deliziös wie das Gebäck. Ihre Vorbilder.
Längst stellt sie ihre Törtchen und Tartelettes, Brötchen und Brioches dort selber ein. Von den ersten Erfolgen war es nicht weit bis zum Gedanken „Es gibt bestimmt ein paar Leute, die sich auch darüber freuen“ – und damit bis zur Gründung der Pâtisserie Isabella.
Die Gründer loben Duisburg als Wirtschaftsstandort. „Duisburg ist mega, die Verkehrsanbindung ist toll, wir haben hier tolle Mitarbeiter gefunden“, schwärmt Dominic Krätz. Der ehemalige Investment Banker und Unternehmensberater ist Geschäftsführer des jungen Unternehmens. Im ehemaligen Sitz der Cônfiserie Bittner, findet er, „passt alles: Das ist Hauptsitz, Verwaltung, Produktion.“ Das einzige, was es in Großenbaum nicht gibt, ist ein Café. Trotzdem ist der Weg für Duisburger zu den leckeren Kleinigkeiten nicht weit.
In Hamburg serviert TV-Koch Tim Mälzer die Duisburger Pâtisserie
Denn ein Café betreibt die Familie Krätz in Düsseldorf-Oberkassel. Fünf Standorte hat die Pâtisserie Isabella insgesamt, davon drei in NRW, außerdem gibt es Cafés in Stuttgart und Hamburg. In der Hansestadt hat das Start-up einen prominenten Abnehmer gefunden: Promikoch Tim Mälzer serviert die süßen Sachen in seinen Restaurants.
Lokale Manufakturen, die glutenfreie Waren überregional liefern: Das ist in der Branche, die sich gerade erst aus ihrem Nischendasein befreit, selten. Noch seltener sind Cafés, in denen auch Genießer mit einer Glutenunverträglichkeit ohne Bauchschmerzen Törtchen und Macarons schlemmen können. „Für ein Café würde ich 600 Kilometer weit fahren“, sagt Mutter Isabella Krätz. Augsburg, Südtirol: So weit musste sie früher anreisen, um ihren Hunger auf Süßes zu stillen.
Bis heute entwickelt Isabella Krätz alle Rezepte selber. „Ich rühre etwas an in fünf, sechs, Variationen, und dann stehen alle da und probieren“, verrät sie. Dabei sei es sogar von Vorteil, dass sie diesen Beruf nie erlernt hat: „In der Konditorei wird heute gelehrt, Sahnetorten einzustreichen. Das ist genau das, was wir nicht machen.“ Der Erfolg gibt ihr recht: Erst in diesem Jahr rief die Tierschutzorganisation Peta den Vegan Food Award ins Leben – und zeichnete gleich die Großenbaumer Pâtisserie aus.
Das sind die Schwierigkeiten beim glutenfreien Backen
Wobei der Begriff Pâtisserie zu kurz greift: Immerhin 40 Prozent des Umsatzes erwirtschaften die Inhaber mit Brot. Auch hier gilt: Glutenfrei zu backen, ist eine Herausforderung. Reismehl, Hirsemehl, Tapioka oder Teff verhalten sich im Teig ganz anders als Weizenmehl. „Selbst unsere Bäcker sagen: Bei Euch ist immer alles so kompliziert“, sagt Dominic Krätz. Gerade mal eine handvoll Zutaten stecken in einem herkömmlichen Brot: Mehl, Wasser, Salz, vielleicht noch Hefe. Beim glutenfreien Brot fällt eine wesentliche Zutat raus: das Weizenprotein. Den Teig trotzdem fluffig hinzubekommen, bringt eine Menge anderer Zutaten mit sich: „Wir haben in unseren Broten 20 bis 25 Rohstoffe.“
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Inzwischen ist das glutenfreie Backen zwar noch immer ein Schwerpunkt – aber eben nur einer. Längst gibt es auch laktosefreie Produkte: Die Schwester der Gründerin verträgt keinen Milchzucker, da lag das nahe. Und wo die Mitinhaberin gerade dabei war, nahm sie auch noch vegane Backwaren in die Produktpalette auf. Statt Ei kommt hier Apfelmus in den Teig. Das vegane Backen bringt seine eigenen Tücken mit sich: Butter zum Beispiel wird durch Biopflanzenfett ersetzt. Allerdings: „Das kriegen Sie nur in 200-Gramm-Packungen.“ Pro Backgang benötigt die Pâtisserie allerdings 25 Kilogramm.
Das Start-up eröffnet regelmäßig neue Standorte
Heute boomt das Geschäft der Pâtisserie Isabelle mit dem glutenfreien Backwerk. Alleine 2018 eröffnete die noch junge Firma drei Standorte, Ende des Jahres soll das nächste Café in Köln folgen, ein Online-Shop ist gerade an den Start gegangen. „Ernährung hat an Bewusstsein total gewonnen. Davon profitieren wir“, sagt Dominic Krätz. 80 Mitarbeiter hat die Familie inzwischen angestellt. Bei der Gründung 2014 war die Familie noch Boss und Angestellter zugleich: „Mein Vater und ich haben Kaffee gemacht und meine Mutter die Törtchen“, erinnert sich der Sohn an die Anfänge.
Weit reisen muss Isabella Krätz nun nicht mehr, wenn sie auch einmal Kaffee und Kuchen genießen möchte: Sie kann sich einfach in ihrem eigenen Café niederlassen. Die weite Anreise nehmen nun andere auf sich: „Wir haben Kunden aus Luxemburg, die packen sich den Kofferraum voll für einen Monat.“ Nur 50 Prozent der Kunden leiden übrigens tatsächlich an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit. Die andere Hälfte kommt einfach: weil’s schmeckt.