Duisburg. Martina führte 20 Jahre lang toxische Beziehungen. Abhängig von Partnern, vergisst die Duisburgerin ihr eigenes Leben. Wie sie los gekommen ist.

Seit einem Jahr lebt Martina* in Duisburg. Für die 53-Jährige ist es ein Neustart ins Leben. Über 20 Jahre führte sie Beziehungen, in denen sie sich komplett vergisst. „Alles an mir war falsch“, sagt Martina. Aggressivität gehörte zum Alltag. Und trotzdem war sie abhängig von ihren Partnern und kam einfach nicht los. „Wir haben einander festgehalten und uns gleichzeitig zerstört.“ Dank einer Selbsthilfegruppe in Duisburg, lernt sie, gesunde Beziehungen zu führen und auf sich selbst zu achten.

Die erste gemeinsame Wohnung. Martina und ihr Freund haben nach der Geburt des Kindes den großen Schritt gewagt. Sie verbindet nicht nur ein Baby, sondern auch die Liebe. „Doch dann hat sich alles um 180 Grad gewendet.“

Ausraster und keine Proteste

Wenn Martinas Freund nach Hause kommt, mustert er die Wohnung. Ist alles aufgeräumt? Steht das Essen auf dem Tisch? Beim kleinsten Makel rastet er aus. Nichts kann sie richtig machen – egal, was sie tut, ihr Partner hat etwas auszusetzen. Und Martina protestiert nie, aus Angst vor dem nächsten Ausraster. Und aus Angst, die Beziehung zu verlieren.

Den Aufwand, einen Säugling zu versorgen, sieht ihr Freund nicht. Martina geht sogar so weit, dass sie extra frühmorgens um 6 Uhr aufsteht und die Waschmaschine anstellt – „Ich habe so versucht, zu beweisen, dass ich fleißig bin.“ Doch statt die immer mehr aufkommenden Probleme anzusprechen, nimmt Martina es hin. Solange sie nur das Opfer der Verbalattacken ist. Doch das ändert sich und der raue Ton richtet sich auch gegen das Kind.

Los kommen: Aber nur wie?

„Dann bin ich geflohen“, mit dem Auto wird sie von einer Freundin abgeholt. Neben Gefühlen wie Ärger und Hass empfindet sie aber für ihren Mann auch Liebe. „Er wollte mich sofort zurück haben.“ Der Kopf sagt nein, das Herz hofft. Herz über Kopf zieht sie zurück zu ihm – all die gemachten Versprechungen vergisst er schnell.

„Ich habe diese große Abhängigkeit gespürt.“ Martina ist Opfer ihrer Co-Abhängigkeit. Es ist eine Beziehungsstörung, in der sich Betroffene von ihren Partnern abhängig machen und das Wohl des anderen über das eigene stellen – bis zur eigenen Aufopferung.

Alte Liebe – alte Probleme

Auch interessant

Es ist nicht die einzige Beziehung, die die Duisburgerin rückblickend als belastend empfindet. „Ich hatte anschließend nochmal zwei Beziehungen in ähnlichem Stil.“ Auch dieses Mal hat sie sich verbogen, aus Verlustängsten die eigenen Interessen zurückgestellt. Sie möchte etwa das Abitur nachholen. Doch ihr Partner ist dagegen und rastet aus. Statt die Schulbank zu drücken, geht Martina weiter putzen.

Hilfe sucht Martina in einer Selbsthilfegruppe für Co-Abhängige

Irgendwann geht sie den Schritt und isoliert sich komplett. „Ich konnte nicht mehr gerade Sätze reden. Ich war psychisch so am Ende von diesen Grenzüberschreitungen.“ Hilfe sucht sie in einer Selbsthilfegruppe für Co-Abhängige und findet in der Gemeinschaft Halt.

Auch interessant

So ordnet sie ihr Leben neu. Dazu gehört auch der Umzug nach Duisburg – über 400 Kilometer von ihrem Ex-Partner entfernt. Sie versucht so, endgültig von ihm los zu kommen. Denn in Gedanken ist die Sehnsucht nach den schönen Momenten der Partnerschaft groß. Trotz der leidvollen Erfahrungen über 20 Jahre hinweg.

Mit 53-Jahren zum ersten Mal glücklich alleine

Der Austausch in der Selbsthilfegruppe und eine Verhaltenstherapie haben die 53-Jährige aber stabilisiert. „Ich bin erstmalig an dem Punkt, an dem ich nicht denke, dass ich was verpasse, wenn ich alleine bin.“ Sie achtet mehr auf sich, auch der Kontakt zur Familie ist besser geworden.

Auch interessant

Die Zeiten, in denen sie ihre eigenen Interessen zurückstellt, sind vorbei. „Ich bin dankbar für alles, was schon geht.“ Was noch schwer fällt, ist Nein zu sagen. Das sind die Momente, in denen sie ihre Co-Abhängigkeit noch am stärksten spürt. Bereit für eine Beziehung sei sie noch nicht – zu groß ist die Angst, ihr zurückgewonnenes Leben wieder zu verlieren.

>>> Hier bekommen Betroffene in Duisburg Hilfe

In Duisburg gibt es eine Selbsthilfegruppe für Beziehungssüchtige und Co-Abhängige. Ziel dieser Gruppengespräche ist es, gesunde Beziehungen zu entwickeln – zu anderen und sich selbst. Die Mitglieder bleiben anonym. Auch Martina nimmt an den Gesprächen teil. Jeder Teilnehmer darf sich seine Probleme von der Seele reden. Es werden aber keine Fragen gestellt, keine Ratschläge gegeben. Und wer nicht reden will, kann auch nur schweigen und zuhören.

Die Treffen finden immer mittwochs von 17.30 Uhr bis 19 Uhr an der Erftstraße 15 im DRK-Bildungswerk Leben und Lernen statt. Die Selbsthilfegruppe finanziert sich selbst, daher werden die Teilnehmer bei den Treffen um eine Spende gebeten. „Da sind auch 50 Cent in Ordnung“, sagt Martina. Interessierten können ohne Anmeldung zu den Treffen kommen oder den Kontakt per Telefon suchen: 0176 84702789.

* Name von der Redaktion geändert.