Duisburg. Aus dem Bergarbeitersohn aus Meiderich wird ein international gefragten Künstler. Vor 100 Jahren setzte er seinem Leben ein Ende.
Aus dem Bergarbeiterkind Wilhelm Lehmbruck aus Meiderich wird ein gefragter Künstler, der seinen Durchbruch in der Kunstmetropole Paris erlebt und von wohlhabenden Sammlern gefördert wird. Er hat Frau und drei Kinder und setzt seinem Leben mit 38 Jahren ein Ende. Warum? Die Frage sei bis heute nicht beantwortet, sagt Jörg Mascherrek, der im Lehmbruck-Museum die Begleitausstellung „Ein Leben“ zur großen „Schönheit“-Ausstellung mit Werken von Lehmbruck und Rodin kuratiert hat.
„Das Interesse an seiner Biografie ist sehr groß, die Besucher sind bei den Führungen sehr konzentriert“, sagt Mascherrek. Schließlich begegnet man in dieser kleinen Ausstellung zum einen Menschen und Orten, die das Leben des berühmtesten Duisburger Künstlers geprägt haben, zum anderen sind Werke ausgestellt, die lange nicht zu sehen waren. Wie ein frühes Selbstporträt, das die jugendliche Züge des 17-Jährigen zeigt, oder frühe „Fingerübungen“ zum Broterwerb wie eine Nachbildung von Gabriel Grupellos Düsseldorfer Reiterstandbild von Jan Wellem oder eine Büste von Königin Luise, wie sie der Bildhauer Gottfried Schadow abgebildet hatte.
Seine Frau Anita Kaufmann stand ihm Modell
Auf einem Klassenfoto von 1891 begegnet man dem Mann, ohne den das 1881 geborene Bergarbeiterkind Lehmbruck kaum Künstler geworden wäre, seinem streng blickenden Zeichenlehrer Gerrit van Driepenbrock, der sein Talent erkennt und ihn an die Kunstgewerbeschule in Düsseldorf empfiehlt. Das Studium ermöglicht ihm ein Stipendium der Stadt Meiderich.
In Düsseldorf lernt er auch seine spätere Frau Anita Kaufmann kennen. Sie ist die gebildete Tochter eines Kunsthändlers und steht ihm Modell. Seine Skulptur „Die Badende“ verkauft er an die Akademie, der Sammler Carl Nolden fördert ihn ebenso wie Carl Ernst Osthaus, Gründer des Folkwang-Museums. Lehmbruck unternimmt eine Italien-Reise und sucht sich in Carrara den Marmor aus, den Adele Böninger ihm für die Skulptur „Anita“ stiftet. Adele Böninger war mit dem Duisburger Industriellen Ernst Böninger verheiratet, Teilhaber der Tabakfabrik Arnold Böninger.
Das Leben in Paris
Der erste Sohn von Anita und Wilhelm Lehmbruck, Gustav Wilhelm, genannt Guwi, wird kurze Zeit nach der Hochzeit 1908 geboren. Das Paar zieht nach Paris, wo 1913 Sohn Manfred zur Welt kommt, der später das Museum entwerfen wird. Man lebt in der Nähe des Cafés Le Dome, einem Treffpunkt der Künstler. Lehmbruck schafft die „Stehende weibliche Figur“, für die ihm Anita Modell steht, 1911 dann die „Kniende“. Er besucht Auguste Rodin in seinem Atelier, dessen Skulpturen ihm seit einer Ausstellung in Düsseldorf bekannt waren. Lehmbruck präsentiert seine Werk auf bedeutenden Ausstellungen. 1912 fährt er, diesmal mit Anita, nach Carrara, um im Auftrag des Duisburger Museumsvereins eine Marmorversion der „Stehenden“ zu schaffen.
1913 wird er er nach einer Ausstellung in Köln zur Armory Show in die USA eingeladen, in New York verkauft er die „Stehende“, die „Kniende“ und Radierungen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 zieht er nach Berlin, lernt Beckmann und Barlach kennen und wird Mitglied der Akademie der Künste. Er ist kriegsbegeistert wie viele andere Künstler, die nicht oder schwer gezeichnet von den Fronten zurückkehren. Lehmbruck muss nicht zum Kampfeinsatz, erlebt aber in einem Hilfslazarett die Opfer des Krieges. Er verarbeitet diese Eindrücke im „Sitzenden Jüngling“ oder dem „Gestürzten“.
1916 freundet er sich mit dem Berliner Stofffabrikanten Sally Falk an, der neben Nolden zu seinem wichtigsten Sammler wird und ihm sogar zeitlebens eine kleine Rente garantiert. Lehmbruck porträtiert ihn und seine Frau Adele in Mannheim, wo er Ende des Jahres in der Kunsthalle seine einzige große Einzelausstellung erlebt.
Das unstete Leben geht dann 1916 mit einem Umzug nach Zürich fort. Der dritte Sohn Guido wird geboren. Und Lehmbruck lernt bedeutende Literaten kennen, die in die neutrale Schweiz emigriert sind. Über Fritz Unruh entsteht der Kontakt zur jungen Theaterschauspielerin Elisabeth Bergner. Sie steht ihm Modell, er verliebt sich unsterblich ihn sie. Sie aber nicht in ihn, arbeitet in Berlin und Wien, flieht regelrecht vor dem ihr nachreisenden Lehmbruck, wie sie in ihrer Autobiographie schreibt. Vielleicht sind es diese unglückliche Liebe, der Krieg, und eine Syphiliserkrankung, die ihm den Lebensmut nehmen. Eine Behandlung gegen Depressionen ist nicht erfolgreich.
Ausstellung wurde verlängert
Wegen eines Auftrags reist er 1919 nach Berlin, doch die Auftraggeberin Baby von Friedlaender-Fuld lehnt seine Büste ab. Die Ernennung zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste erreicht ihn nicht mehr, er nimm sich am 25. März 1919 das Leben.
Die Ausstellung „Schönheit. Lehmbruck & Rodin – Meister der Moderne“ im Lehmbruck-Museum ist bis zum 1. September verlängert. Zusätzlich im Begleitprogramm: am Donnerstag, 22. August, um 19 Uhr „In Rodins Atelier – Einblicke in die Arbeitsweise Auguste Rodins“, am Donnerstag, 29. August, um 19 Uhr „1910 – Begegnungen in Paris. Ein Jahr im Leben Wilhelm Lehmbrucks“, am Sonntag, 1. September, 17 bis 19 Uhr: Finissage „Au revoir Monsieur Rodin“ – Die Museumsmitarbeiter stellen ihre Lieblingswerke vor. Musikalische Begleitung vom Niehusmann-Gitarrenduo.
Die Begleitausstellung „Lehmbruck. Ein Leben“ bleibt bis zum 1. Juni 2020.