Duisburg. Duisburger Parteien sprechen ihr Abstimmungsverhalten oft vor den öffentlichen Sitzungen ab. Ein Politiker bringt das nun zur Bezirksregierung.

Immer wieder kommt Kritik an ihnen auf, dieses Mal allerdings könnte die Auseinandersetzung um die sogenannten interfraktionellen Gespräche bis hinauf zur Bezirksregierung führen: Hinterzimmerpolitik, ein bewusstes – und illegitimes – Umgehen der Öffentlichkeit, so lautet der Vorwurf ihrer Gegner. Notwendige Absprachen zwischen Politik und Verwaltung, argumentieren die Verteidiger. Tatsache ist: In allen Duisburger Bezirksvertretungen, in einigen Ausschüssen und bis hoch auf die Ratsebene finden solche Absprachen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ein Bezirkspolitiker will diese Vorgehensweise nun ändern.

Politiker: „Man spricht zwar, aber letztendlich ist schon alles entschieden“

„Das ist eine Vorabstimmung zwischen Verwaltung und Politik, um größere Projekte in der öffentlichen Sitzung nicht nochmal zu thematisieren. Man spricht zwar danach noch, aber letztendlich ist schon alles entschieden“, so beschreibt Norbert Broda die interfraktionellen Gespräche. Das ehemalige SPD-Mitglied ist seit Jahren Mitglied in der Bezirksvertretung Süd, hat an diversen interfraktionellen Gesprächen selber teilgenommen und weiß: Hier geht es um die großen Themen, ob Straßenbau oder Wohnbauprojekte. Er weiß auch: Nach dem Gespräch erstellt die Verwaltung – sofern es eine gibt – ihre Beschlussvorlage, die dann in die öffentliche Sitzung eingebracht wird. „Wenn man das nicht machen würde, würde die Verwaltung eine Vorlage erstellen und wüsste nicht: Wo geht die Reise hin? Bei einem Nein wäre sie öffentlich gescheitert. Das will man vermeiden“, erklärt er. Bei seiner Kritik an den interfraktionellen Gesprächen geht es ihm allerdings um etwas anderes.

Für Rahm gewählt – aber fürs Bauprojekt in Rahm nicht stimmberechtigt

„Das ist für mich eine Diskriminierung von Mandatsträgern“, sagt der Bezirkspolitiker. Seine Kritik macht er fest am Beispiel eines Wohnbauprojektes: Am Rahmerbuschfeld sollen auf 4,2 Hektar eines noch-Landschaftsschutzgebietes 65 neue Häuser sowie ein Supermarkt entstehen. Mit Rahm in einem Stadtteil, für den Broda zuständig ist, für den er in die Bezirksvertretung gewählt wurde. Abstimmen konnte er darüber zwar in diesem Gremium – nicht aber im Rahmen des interfraktionellen Gespräches, das dazu einberufen wurde. Denn zuvor war Broda aus der SPD-Fraktion ausgetreten. Einzelmitglieder sind in seinem Bezirk – bis auf ein Mitglied der Linken – von den interfraktionellen Gesprächen ausgeschlossen.

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Trotz Kritik: „Ich halte die Gespräche für sinnvoll“

Das will Broda jetzt ändern. Dabei kritisiert er nicht die Einrichtung an sich: „Ich halte die Gespräche für sinnvoll.“ Das Recht zur Teilnahme sollten seiner Meinung nach aber alle Politiker mit Zuständigkeit und Sachkenntnis haben. Dass, wie in den meisten Fällen, die Bezirksbürgermeister über den Kreis der Teilnehmer entscheiden, hält er für nicht rechtens. Auch kritisiert er, dass es keine öffentlich einsehbaren Protokolle der interfraktionellen Gespräche gibt. „Protokolle sind die einzige Möglichkeit der Bürger, das nachzuvollziehen.“

Eine Stellungnahme des Oberbürgermeisters zum Thema hat Broda angefragt. Ändert sich nichts, will er die Angelegenheit der Bezirksregierung vortragen und hofft auf Regulierung von oben. Weder Hauptsatzung der Stadt Duisburg noch Bezirkssatzung sehen ein Gremium unter- oder innerhalb einer Bezirksvertretung vor; auch in der Gemeindeordnung NRW findet sich dazu nichts. Einen Beschluss von Rat oder Bezirksvertretungen, interfraktionelle Gespräche einzuführen, gibt es ebenfalls nicht. „Interfraktionelle Gespräche sind nicht durch eine Geschäftsordnung geregelt“, äußert sich dazu auf Anfrage die Verwaltung und ergänzt: „Und nicht rechtsverbindlich.“

Der Teilnehmerkreis ist streng limitiert

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Interfraktionelle Gespräche existieren in allen sieben Duisburger Bezirksvertretungen. Der Teilnehmerkreis ist streng limitiert: Oft sind es nur die Fraktionsvorsitzenden, die teilnehmen dürfen, in den meisten Fällen ergänzt durch stellvertretende Bezirksbürgermeister. Einzelmitglieder – also Politiker, die keiner Fraktion angehören – sind nur in den Bezirken Hamborn, Homberg/Ruhrort/Baerl und im Bezirk Süd zugelassen; in letzterem mit Beschränkung auf ein Einzelmitglied der Linken. Im Bezirk Homberg/Ruhrort/Baerl gab es wegen einer Auseinandersetzung zwischen SPD und CDU ein paar Jahre lang keine interfraktionellen Gespräche, seit 2019 werden sie aber wieder einberufen. In Rheinhausen heißen die Gespräche „informelle Runde“, es handelt sich aber um dasselbe Vorgehen, bestätigt die dortige Bezirksbürgermeisterin Astrid Hanske. Zu den interfraktionellen Gesprächen laden in den meisten Fällen die jeweiligen Bezirksbürgermeister ein; in einem Fall für die Bezirksverwaltung; in einem anderen mit ihr zusammen.

Auch in einigen Ausschüssen gibt und gab es interfraktionelle Gespräche, beispielsweise im Schulausschuss. Zahlen dazu nennt die Verwaltung nicht; sie verweist darauf, dass bei Ausschüssen deren Vorsitzende dazu einladen. Auf Ratsebene lädt die Verwaltung selber zu interfraktionellen Gesprächen ein, sofern sie einen Bedarf dazu sieht. Ihre Durchführung betrachtet sie als unproblematisch. „Der interfraktionelle Gesprächskreis ist kein Entscheidungsgremium“, sagt Friedhelm Klein, Bezirksmanager Süd.