Duisburg. Im Skandal um die Duisburger Behindertenwerkstatt äußert sich mit Uwe Käbe ein Ex-Aufsichtsrat. Er übt auch Kritik an den Wirtschaftsprüfern.
Mit „Zorn und großer Ratlosigkeit“ aber auch mit Kritik an der beauftragten Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft hat Uwe Käbe, bis Frühjahr 2018 ordentliches Mitglied des Aufsichtsrates der Duisburger Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), auf die Gehalts- und Finanzaffäre der langjährigen und fristlos entlassenen Geschäftsführerin der WfbM, Roselyne Rogg, reagiert. Käbe wehrt sich gegen den Vorwurf, als Mitglied des verantwortlichen Aufsichtsrates unaufmerksam oder blauäugig gewesen zu sein.
Mit Uwe Käbe ergreift jetzt auf Anfrage der NRZ erstmals ein Mitglied des damals verantwortlichen Aufsichtsrates der Werkstatt öffentlich das Wort. Alle anderen Mitglieder des Aufsichtsrates hatten eine Anfrage der NRZ um ein Gespräch über Aufsicht und mögliche Mitverantwortung abgewiesen.
Als Vertreter des Mitgesellschafters im Aufsichtsrat
Uwe Käbe, selber Vater eines behinderten Sohnes, saß als Vorstandsmitglied des Vereines für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Duisburg e.V. (VMK) und somit als Vertreter des Mitgesellschafters der Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung gGmbH im Aufsichtsgremium der Werkstatt.
Ihm sei damals „schlichtweg die Spucke weggeblieben“, bekennt Käbe jetzt gegenüber der NRZ, als er im August des vergangenen Jahres 2018 die Schlagzeilen von dem hohen Gehalt und den heimlichen vollzogenen, maßlosen Gehaltserhöhungen für Frau Rogg gelesen habe. Käse: „Wir, die Mitglieder des Aufsichtsrates, wurden getäuscht und betrogen.“
„Wie Herr Spaniel auf die Idee kommen konnte...“
Außer einer einzig vertraglich vereinbarten Gehaltserhöhung zu Beginn der Amtszeit von Frau Rogg habe sich der Aufsichtsrat niemals mehr mit diesem Thema beschäftigt. Und „Bestellung und Abberufung, wie alle Änderungen im Arbeitsvertrag der Geschäftsführung“, so Käbe, seien natürlich die Aufgabe des kompletten Aufsichtsrates und nicht nur die Aufgabe des Vorsitzenden, damals Stadtdirektor Reinhold Spaniel. Käbe: „Wie Herr Spaniel auf die Idee kommen konnte, dies alleine bestimmen zu wollen, ist mir ein totales Rätsel. Spaniel hat uns alle getäuscht!“ Niemals, so Käbe, hätte es der Aufsichtsrat zugelassen, dass die Geschäftsführerin 376.000 Euro verdient.
Luxus, Schampus, Geldverschwendung
Zur Erinnerung: Roselyne Rogg wurde als Chefin der Werkstatt für behinderte Menschen in Duisburg im August 2018 fristlos entlassen, nachdem bekannt wurde, dass sie zuletzt rund 376.000 Euro im Jahr an Einkünften erzielte. Gehaltserhöhungen, von denen offenbar einfache Mitglieder des Aufsichtsrates nichts wussten.Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen Untreue eingeleitet; die Stadt Duisburg fordert mittlerweile von Rogg und dem Ex-Stadtdirektor 760.000 Euro an Schadensersatz. Zudem wurde in nachfolgenden Berichten des städtischen Rechnungsprüfungsamtes neben der Gehaltsaffäre weitere, hohe Geldausgaben der Geschäftsführerin des Sozial-Unternehmensu.a. für Luxusmöbel, kostspielige Events, Geschenke, häufige Geschäftsessen, Dienstreisen, Berater offenbar. Den städtischen Prüfern kamen zuletzt sogar Zweifel, „ob die satzungsmäßigen Zwecke der WfbM noch systematisch verfolgt wurden.“ Zudem kritisierten die Prüfer, dass AR-Sitzungen nie länger als eine Stunde andauerten, danach aber kostspielig gegessen wurde.
Wie konnte all dies dem Aufsichtsrat entgehen?
Frage der Redaktion an Uwe Käbe, Mitglied des Aufsichtsrates: Wie konnte dies geschehen? Wie konnte all dies dem Aufsichtsrat entgehen?
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Er sei in den knapp zehn Jahren seiner Zeit als Aufsichtsrat ein einziges mal im Büro der Frau Rogg gewesen, sagt Käbe. Ob dort Ikea-Möbel oder teure Designer-Möbel standen, könne er nicht sagen. Auch sei er kein Autoexperte, um zu wissen, wie preiswert oder teurer ein Dienstwagen sei. Er sei als Aufsichtsrat aber auch nicht dazu da, zu überprüfen, „ob die Geschäftsführung in Saus und Braus“ lebe. Er prüfe Jahresberichte. Er sei kein Buchprüfer, der Belege über Möbelkäufe oder Champagnerflaschen einzeln prüfe; das sei der Job der ebenfalls beauftragten Wirtschaftsprüfung. Die schaue jedes Jahr in die Belege.
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Käbe: „Und wenn die Geschäfte gut laufen, es im Unternehmen tolle Innovationen gab, mit Ziegenpeter und Ars vivendi, es auf alle Nachfragen plausibele Antworten gab, dann hatten wir auch überhaupt keinen Ansatzpunkt für Kritik.“
Kritik übt Käbe aber rückblickend an dem eingesetzten Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Die Wirtschaftsprüfer, so Käbe, hätten bereits nach dem Finanzskandal aus 2008/09 um den Rogg-Vorgänger klar und explizit die Zusatzaufgabe gehabt, die Zahlungsflüsse zwischen der Gesellschaft und der Geschäftsführung gesondert unter die prüfende Lupe zu nehmen.
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Sie hätten als Aufsichtsrat geglaubt, mit diesem Zusatz-Prüfauftrag hätten sie „maximalen Schutz.“ Offenbar ein Irrtum. Die Wirtschaftsprüfer, so sagt Käbe, müssen die Gehaltssteigerungen der Geschäftsführung erkannt haben Er hätte sich dazu einen kleinen Hinweis im Bericht gewünscht. Zwar hätten die Wirtschaftsprüfer standardmäßig immer vermerkt, dass sie die geforderte Zusatzprüfung durchgeführt hätten. Käbe: „Aber dass man dem über die reine Formalität offenbar überhaupt keine Beachtung schenkt, das ist schon bitter!“