Duisburg. . Über 20.000 Bulgaren und Rumänen leben in Duisburg. Oft unter menschenunwürdigen Bedingungen in Schrottimmobilien, gegen die die Stadt vorgeht.

Die städtische Task Force hat seit ihrem Start Ende 2016 bisher insgesamt 41 unbewohnbare Schrottimmobilien geräumt, in denen Menschen meist aus Südosteuropa unter menschenunwürdigen, teils lebensgefährlichen Bedingungen leben.

NRW-Innenminister Herbert Reul lobte das Duisburger Vorgehen erst vor eine Woche bei einer Marxloh-Visite als „vorbildhaft“ und für Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) ist „wahrnehmbar“, dass sich das konsequente Handeln bei den Vermietern solcher Schrottimmobilien herumspricht.

Zugleich: Nach Räumungen gibt es oft öffentliche Kritik, von Grünen, von Linken etwa, auch Sozialverbände sorgen sich vor allem um die betroffenen Mieter, die binnen Stunden ihre Wohnungen räumen müssen.

Abschreckung zielt auf Eigentümer

„Die Arbeit der Task Force und die Räumungen zielen nicht auf bestimmte Volksgruppen, die Vorwürfe auch gegen die Mitarbeiter, die einen belastenden Job machen, ärgern mich. Wir haben einen restriktiven, aber zugleich einen integrativen Ansatz und ein Konzept, das über Hausräumungen hinausgeht“, unterstreicht OB Link zur Zwischenbilanz der Task Force nach knapp drei Jahren.

Vermüllte Räume, Mängel beim Brandschutz und lebensgefährliche Stromanlagen führen oft zu den Schließungen der Schrotthäuser
Vermüllte Räume, Mängel beim Brandschutz und lebensgefährliche Stromanlagen führen oft zu den Schließungen der Schrotthäuser © Fabian Strauch

Richtig ist auch: Die Bewohner der geräumten Schrottimmobilien sind meist Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien. Über 21.000 leben in Duisburg. Viele ohne Jobperspektive, die, so die Stadt, von kriminellen Schlepperbanden nach Deutschland geholt werden und hier „immer wieder Opfer von skrupellosen Vermietern werden, die Wuchermieten für Wohnungen verlangen, in denen nicht die geringsten Standards eingehalten werden“. Gegen sie richtet sich die Arbeit der Task Force, betont auch Paul Bischof, Duisburgs Dezernent für Recht und Ordnung. Ihnen soll es ans Geld gehen, wenn ihre Wohnhaus-Türen mit Stahlrahmen „verplombt“ werden.

Neues Gesetz erleichtert Vorgehen gegen Vermieter

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Bischof sieht eine „positive Entwicklung“. Von 46 überprüften Häusern, davon allein 22 in Marxloh, neun in Hochfeld und sechs in Bruckhausen, wurden 41 direkt geräumt, drei teilweise geschlossen und nur zwei blieben ohne Beanstandung. Belegfotos der Stadt vom letzten Task Force-Einsatz an der Rudolfstraße in Marxloh zeigen unhaltbare Zustände: vermüllte Wohnungen, Flure, Keller, Schimmelwände, schwerste Brandschutzmängel, offene Stromkabel, Gabeln in Sicherungskästen.

Ein strengeres Wohnungsaufsichtsgesetz seit 2014 erleichtert der Stadt mittlerweile die Zwangsmaßnahmen gegen die Vermieter und deren „kriminellen Machenschaften“, wie auch der bündnisgrüne und für die Integration zuständige Beigeordnete Ralf ­Krumpholz unterstreicht.

19 Sanierungskonzepte liegen vor

An der Rudolfstraße in Marxloh wurden zuletzt vier Häuser geräumt. Über 170 Mieter mussten ihre Wohnungen verlassen.
An der Rudolfstraße in Marxloh wurden zuletzt vier Häuser geräumt. Über 170 Mieter mussten ihre Wohnungen verlassen. © Lars Heidrich

Von „ruhiger und klarer Ansprache“ spricht Ordnungsdezernent Bischof, wenn die Task Force unangekündigt morgens vor Schrottimmobilien steht, die die Stadt ins Visier nimmt.

Kritiker aus dem politischen Umfeld sprechen dagegen von menschenunwürdigen Aktionen. Zum großen Tross der Task Force gehören Polizei, Ordnungskräfte, auch Dolmetscher, Stadtwerke, Feuerwehr, aber auch Sozial- und Jugendamt oder Steuerfahndung und Jobcenter. Meist, erklärt Task Force-Leiter Ralf Heuberg, führen zahlreichen Beschwerden aus der Nachbarschaft über die Wohnsituation zum Kontrolleinsatz. Oder es häufen sich Hinweise von Schulen, Sozialeinrichtungen, Ämtern zu Missständen, die mutmaßen lassen, dass die immer wieder genannte Adresse eine Schrottimmobilie ist.. „Auch die Vohwinkelstraße war ein Schrotthaus“, schiebt Heuberg nach. Dort starben 2017 bei einem Feuer zwei Erwachsene und zwei Kinder.

Rechtsdezernent: Klare Ansprache

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„Wir lassen die Betroffenen nicht im Regen stehen“, weist Link die Vorwürfe menschenunwürdiger Härte zurück und verweist auf die Angebote von Sozialdiensten und auf Notunterkünfte, die allerdings fast nie genutzt werden. „Der Vermieter muss sich verdammt noch mal kümmern“, betont Bischof. Wenn Abschreckung einkalkuliert ist, dann gegen sie und nicht gegen die Mieter, die nach Eindruck der Stadt schnell eine andere Bleibe finden, beteuert Bischof. Heuberg ergänzt: „Zum System gehört, dass wir unangekündigt kommen“. Auf lange Ausreden, Beschwichtigungen, ein Hin und Her will sich die Stadt erst gar nicht einlassen. Alle Klagen gegen die Schließungen scheiterten bisher.

Druck auf Hauseigentümer scheint zu fruchten

Der Druck auf die Hauseigentümer scheint zu fruchten. Für 19 geschlossene Gebäude liegen Sanierungskonzepte vor, bei dreien haben die Arbeit begonnen, das erste ist frisch modernisiert und wieder freigegeben. 13 andere leerstehende Gebäude hat die Stadt, vorzugsweise die Wohnungstochter Gebag gekauft. Dazu gab es Landeshilfe von 5,5 Millionen Euro. Sie werden saniert oder abgerissen.

Und doch räumt Oberbürgermeister Link ein: „Wir betreiben Flickschusterei.“ Denn der Zustrom aus Bulgarien und Rumänien hält an. Link fordert mehr Unterstützung und Geld von Land, Bund und EU, strengere Regelungen gegen Sozialmissbrauch. Und europäische Lösungen gegen die Armutszuwanderung.

>>> Über 20.000 Zuwanderer aus Südosteuropa

Zum Stichtag 1. April lebten in Duisburg 11.643 bulgarische und 8.853 rumänische Staatsbürger. Seit Sommer 2011 ist damit die Zahl um rund 16.700 Zuwanderer aus Südosteuropa gestiegen.

Knapp 6900 sind minderjährige Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Besonders hoch ist der Anteil der Zuwanderung in den Bezirken Hamborn/Marxloh (6.681/32,6 Prozent) und Mitte/Hochfeld (6.558, 31,99 Prozent).

In Marxloh wurden 20 Häuser komplett geschlossen, in Hochfeld acht, in Bruckhausen sechs, in Beeck, Meiderich und Ruhrort zwei und in Rheinhausen eins.

Allein für Sozialleistungen nach SGB 2 zahlt die Stadt im Jahr rund sechs Millionen Euro.