Duisburg. Stadtspitze und Fachleute für Kommunalfinanzen: Chance ist dank Niedrigzinsen und Hochkonjunktur da. Duisburg drücken rund 1,3 Millarden Euro.
Bei einer Diskussion mit Fachleuten für Kommunalfinanzen im Rathaus haben OB Sören Link und Kämmerer Martin Murrack für eine Verständigung über die Altschulden von Städten des Ruhrgebiets anderer Bundesländern mit Bund und Land geworben. Es gelte, „eine historische Chance zu einer nachhaltigen Regelung zu nutzen“, so Link mit Blick auf Hochkonjunktur und ein historisch niedriges Zinsniveau. Nur die Befreiung von der drückenden Zinslast könne klammen Städten wie Duisburg wieder Spielräume für dringend erforderliche Investitionen verschaffen.
Kein Geld für Investitionen
Immer wieder sind die Stadtoberhäupter, die sich im „Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte“ zusammengetan haben, in den vergangenen Jahren nach Berlin gefahren, um in der beim Finanzminister angesiedelten Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ für eine solidarische Altschuldenlösung zu werben.
Der Finanzfachmann Gerd Micosatt beschreibt ein „fünffaches Dilemma“ der Städte: geringe Steuereinnahmen, hohe Sozialausgaben, hohe Steuersätze sowie Investitionen und laufende Ausgaben, die aus Mangel an Geld über Kredite finanziert werden. Bis auf 1,8 Milliarden Euro türmten sich diese Liquiditätskredite zu Beginn des Jahrzehnts allein in Duisburg, bundesweit geht es um 47 Milliarden Euro.
Bund soll die Hälfte der Altschulden übernehmen
Im Auftrag des Aktionsbündnisses hat Micosatt ein Konzept für die Entschuldung erarbeitet: Es sieht vor, dass der Bund die Hälfte, Länder und Städte jeweils ein Viertel der Altschulden übernehmen und den Städten so einen finanziellen Neustart ermöglichen. Um eine erneute kommunale Schuldenfalle zu verhindern, müsse der Bund aber gleichzeitig für eine Entlastung bei den Sozialausgaben und den Kosten für Geflüchtete und Asylbewerber sorgen. „Das Ruhrgebiet wendet für Sozialausgaben 49,7 Prozent mehr auf als andere westdeutsche Flächenländer“, argumentiert Micosatt.
In die gleiche Richtung geht ein Vorschlag der Grünen im NRW-Landtag aus der Feder des ehemaligen Bochumer Kämmerers Manfred Busch: Er sieht eine Drittelung der Lasten für Bund, Länder und Gemeinden vor. Die Altschulden sollen in einen Fonds eingebracht werden und dann über 30 Jahre abgebaut werden. Obwohl eine solche Lösung derzeit zu historisch günstigen Konditionen möglich ist, sei darauf zu achten, dass der Zinsdienst die Städte nicht zu sehr in ihrer Handlungsfreiheit einschränke, warnt der kommunalpolitische Sprecher der Grünen, Mehrdad Mostofizadeh.
Steigende Zinsen sind größte Gefahr
Duisburgs „Kassenwart“ könnte sich mit einer solchen Lösung wohl anfreunden, wenn sie denn noch vor der nächsten Bundestagswahl zustande käme. Martin Murrack verweist auf die Erfolge des Stärkungspaktes Stadtfinanzen: Die Millionenhilfen des Landes für die Städte laufen seit 2012 und haben nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt ermöglicht. Dank der anhaltend niedrigen Zinsen, erhöhten Steuern und einer guten Konjunktur konnte die Stadt auch ihre Altschulden von 1,8 auf aktuell 1,3 Milliarden Euro senken.
Hohe Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer
„Das könnte sich aber schnell wieder ändern“, warnt Murrack. Eine Konjunkturdelle sei dabei weniger bedrohlich als eine erneute Finanzkrise oder steigende Zinsen. „Sie würden sofort wirksam“, erklärt der Kämmerer, „denn wir haben die negativen Zinsen genutzt, die es für kurzfristige Anleihen gibt. Kredite mit langfristigen Laufzeiten haben wir kaum noch.“
Von den hohen Hebesätzen für Grund- und Gewerbesteuer könne sich Duisburg deshalb „nicht ohne Weiteres“ verabschieden, so Murrack. Er hofft auf eine Verständigung zwischen Bund und Ländern noch in der laufenden Legislaturperiode: „Es muss noch vor der Sommerpause ein klares Signal geben, wohin die Reise geht.“
>>>Städte: Wer Gesetze macht, soll dafür zahlen
Die Forderungen der Städte sind nicht neu: Gerd Micosatt erinnert an die Initiative des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU), der bereits 1987 die Übernahme von 50 Prozent der kommunalen Soziallasten durch den Bund eingefordert hatte.
Dann kam die deutsche Wiedervereinigung: Auch die klammen Städte mussten Millionen für den Aufbau Ost aufbringen. Die Zahlungen, allein für Duisburg bis heute 700 Mio Euro, wurden über Kredite finanziert – ebenso für neue Sozialleistungen, die in Berlin zu Lasten der Städte beschlossen wurden.
Die Städte fordern künftig eine strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips. Das bedeutet: Wer ein Gesetz beschließt, muss auch für seine finanziellen Folgen geradestehen. Nur so lasse es sich verhindern, dass die Kommunen erneut ihre Aufgaben über Kredite finanzieren müssen.