Duisburg. Die Zahl der Verbrechen in Duisburg geht zurück, doch die Angst vieler Duisburger nimmt zu. Was Polizei und Kriminologen dazu sagen.

Der Kriminalitätsstatistik, die im Februar zunächst landesweit von NRW-Innenminister Reul und anschließend stadtscharf von den lokalen Polizeibehörden vorgestellt wird, will Duisburgs Polizeipräsidentin nicht vorgreifen, dennoch treiben die Zahlen Dr. Elke Bartels um. „Die gefühlte Unsicherheit vieler Bürger ist immer noch deutlich höher als die statistische Gefahr, Opfer eines Verbrechens zu werden“, beklagt Bartels.

Ein „Ärgernis“, das Duisburgs Polizeipräsidentin vor allem deshalb so beschäftigt, da sie und die Pressesprecher der Behörde nicht müde werden, mit objektiven Argumenten zu kontern. „Die Kriminalstatistik ist zuletzt nahezu in allen Bereichen besser geworden. Erstmals seit 2009 ist die Zahl der Straftaten im Jahr 2017 unter 50.000 geblieben. Die Aufklärungsquote lag bei 53,9 Prozent“, bilanziert Bartels. Ohne dem Bericht für 2018 vorzugreifen, macht sie deutlich, dass sich die Summe der Straftaten auch im vergangenen Jahr nicht entscheidend geändert hat.

Polizeipräsidentin Dr Elke Bartels im Präsidium in Duisburg .
Polizeipräsidentin Dr Elke Bartels im Präsidium in Duisburg . © Fabian Strauch

Und doch hat Bartels das Gefühl, dass die Polizei mit dieser Botschaft nicht überall durchdringt. „Obwohl es selten so sicher war, haben viele Duisburger ein gegenteiliges Gefühl. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich, dass wir fast alle Körperverletzungen, Einbrüche, bewaffneten und unbewaffneten Raubdelikte über die Medien kommunizieren. Das verbreitet sich sehr schnell über die sozialen Medien, so dass viele Duisburger von vielen Taten lesen, obwohl es in der Summe weniger sind als früher.“ Dadurch entstehe der Eindruck, als würden andauernd Straftaten geschehen, versucht Bartels das Phänomen der gefühlten Unsicherheit zu erklären.

Polizei will aufklären

Eine nicht repräsentative Umfrage unserer Redaktion auf Facebook mit mehreren hundert Teilnehmern bestätigt die Wahrnehmung der Polizeipräsidentin. Zwei Drittel geben an, dass die „Gefahr in Duisburg immer größer werde“, während ein Drittel angibt, sich sicher in dieser Stadt zu fühlen. Die Duisburger Polizei überlegt deshalb, wie sie ihre Präsenz als Akteur in Sozialen Meiden deshalb noch optimieren kann, um Aufklärungsarbeit zu leisten.

Eine kaum zu lösende Aufgabe, wenn man der Einschätzung des Kriminologen Thomas Feltes von der Uni Bochum folgt. Ihm zufolge habe die Kriminalstatistik keinen Einfluss auf die „Verbrechensfurcht“. Obwohl die Zahl der Verbrechen auch in Duisburg zurückgegangen ist, gebe es eine allgemein zunehmende Verunsicherung der Bürger.

„Die Verbrechensfurcht ist hoch“, sagt Feltes.

Thomas Feltes, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie an der Ruhr Universität Bochum.
Thomas Feltes, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie an der Ruhr Universität Bochum. © Ralf Rottmann

Dass die gefühlte und die tatsächliche Sicherheit weit auseinander klaffen, hat der Kriminologe schon 2016 gemessen: Von 3500 befragten Bochumern sahen es 19 Prozent als wahrscheinlich an, im kommenden Jahr Opfer eines Raubüberfalls zu werden. Tatsächlich lag das Risiko bei 0,3 Prozent

„Die Angst vor Straftaten erscheint für den einzelnen Bürger wichtiger als die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden. Von Politikern wird diese Angst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit instrumentalisiert“, so Feltes.

Kriminologe erklärt Angst-Ursache

Mit Folgen für den Zusammenhalt in der Gesellschaft: „Die Angst davor, Opfer zu werden, spiegelt gesellschaftliche Ängste wider: Angst vor Krankheit, Armut im Alter, vor den Auswirkungen der Globalisierung, vor Flüchtlingen. Diese Ängste fokussieren sich – auch bedingt durch mediale Berichterstattung – auf Kriminalität und damit auf ‚die Kriminellen‘, die zunehmend als Ausländer und Migranten ‚identifiziert‘ werden.“

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Die Angst, Opfer eines Verbrechens zu werden, sei gar nicht so sehr von lokalen Gegebenheiten beeinflusst, erklärt Kriminologe Thomas Feltes. Dass Duisburg einst mit der Mafia, dann mit diversen Rockergruppen und heute vor allem mit Clans zu kämpfen hat, sei für das Unsicherheitsgefühl gar nicht so ausschlaggebend, glaubt Feltes.

Experte sieht kritisches gesellschaftliches Klima

„Die Angst vor Kriminalität wird zumeist nicht durch individuelle Bedrohungen ausgelöst. Faktoren wie Globalisierung, das (so wahrgenommene) Versagen der Politik spielen eine deutlich wichtigere Rolle“, berichtet der Kriminologe.

Weil die Sicherheit des Gewohnten abhanden komme, machten sich diffuse Ängste breit. „Weil Menschen sich aber dumm fühlen, wenn sie Angst spüren, ohne zu wissen, wovor sie sich eigentlich fürchten, klammern sich ihre Ängste an alles, was ihnen angeboten wird, wider alle Vernunft. Und das sind dann Flüchtlinge, Straftäter, Rocker, die Mafia, Roma-Familien oder Clans. Alles, was Politik und Polizei als ‚Ursache‘ anbieten“.

Daraus folge ein „kritisches gesellschaftliches Klima“. Viele Menschen würden eine zunehmende Rücksichtslosigkeit und weniger Hilfsbereitschaft, weniger Zusammenhalt und weniger Respekt gegenüber Regeln und Vorschriften wahrnehmen – und sich dann selbst so verhalten