Duisburg. Duisburger Bündnis gegen sexuellen Kindesmissbrauch legt bei fünfjährigem Bestehen Zahlen vor: Die Zahl der Verdachtsfälle stieg 2017 auf 179 an.

Ein siebenjähriges Mädchen wird von seinen Eltern sexuell missbraucht, sowohl vom Vater als auch von der Mutter. Verhaltensauffälligkeiten führen dazu, dass eine Erzieherin Verdacht schöpft und Kontakt zu einer Beratungsstelle aufnimmt. Der Verdacht erhärtet sich, das Mädchen kommt in eine Pflegefamilie, die Eltern werden angeklagt. Dieser Fall ist kein Einzelfall.

Rosa Stork (von links), Irmgard Borsch, Sabine Block, Lydia Arndt und Yansa Schlitzer vom Team Diagnostik kümmern sich seit fünf Jahren um Verdachtsfälle von sexuellem Kindesmissbrauch.
Rosa Stork (von links), Irmgard Borsch, Sabine Block, Lydia Arndt und Yansa Schlitzer vom Team Diagnostik kümmern sich seit fünf Jahren um Verdachtsfälle von sexuellem Kindesmissbrauch. © Lars Fröhlich

Seit fünf Jahren arbeitet ein Bündnis aus Caritas, dem Kinderschutzbund, der evangelischen Beratungsstelle und dem Verein Wildwasser in Duisburg als Team zusammen. Die aktuellen Zahlen, die es nun ermittelt hat, zeigen einen kontinuierlichen Anstieg von Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern: Waren es 2013 noch 91 Verdachtsfälle, denen nachgegangen wurde, stieg die Zahl 2017 auf 179 an. Auch, weil das Beratungsteam im sogenannten Dunkelfeld arbeitet. Das heißt mit Fällen, die nicht zur Anzeige kommen und somit in der polizeilichen Statistik nicht erfasst werden. Die erfassten Fälle haben laut Kriminalitätsbericht der Polizei Duisburg von 2016 (30 Fälle) auf 2017 (61 Fälle) um 50 Prozent zugenommen. Zu den erhöhten Zahlen könnte auch beigetragen haben, dass die Tabuisierung dieses Themas langsam abnehme, so die Fachberaterinnen. Jedoch: Nicht jeder Verdachtsfall erhärtet sich am Ende auch.

„Die Dunkelziffer bei Jungen ist immer noch höher“

Zwei Drittel der Betroffenen sind Mädchen. „Wobei auch sehr viele Jungen Opfer werden, nur die Dunkelziffer ist bei ihnen immer noch höher“, sagt Yansa Schlitzer vom Kinderschutzbund. „In 80 Prozent der Fälle sind die Täter männlich. Es gibt aber auch Täterinnen oder beide Elternteile werden zu Tätern.“

Kinder und Jugendliche können die Beratung ohne das Wissen ihrer Eltern in Anspruch nehmen. Sie ist kostenlos, auf Wunsch anonym und die Fachkräfte unterliegen der Schweigepflicht. Oft ist es das Fachpersonal aus öffentlichen Einrichtungen, das sich an eine der vier Beratungsstellen wendet. „Wenn ein ängstliches Kind plötzlich laut wird oder umgekehrt; wenn es wieder anfängt, einzunässen oder sich einkotet; wenn es sexualisiertes Verhalten zeigt, Grenzen immer wieder überschreitet: all das sind Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt“, so Irmgard Bosch.

Das Kind braucht ein Angebot, sich zu äußern

Herauszufinden, was genau nicht stimmt, ist nicht leicht. „Wir versuchen, über einen längeren Zeitraum und Spieltherapie eine Beziehung zum Kind aufzubauen. Dabei verdeutlichen wir, Präventionsprinzipien wie ,Mein Körper gehört mir’, ,Ich darf mir Hilfe holen’ oder ,Es gibt gute und schlechte Geheimnisse’“, erläutert Lydia Arndt. Gerade der Geheimhaltungsdruck, der vom Täter auf das Kind ausgeübt wird, ist groß. „Solange Täterkontakt besteht, ist das Kind loyal. Zumal die Täter viel Beziehungsarbeit leisten.“ Daher sei es wichtig, dem Kind ein Angebot zu geben, sich zu äußern.

>>>> Kontakt zu den vier Beratungsstellen

Ev. Beratungsstelle: Duisburger Straße 172 (Hamborn), i.borsch@ev-beratungsstelle.de, 0203 / 99 06 90

Deutscher Kinderschutzbund: Adlerstraße 57, y.schlitzer@kinderschutzbund-duisburg.de, 0203 / 73 55 13

Wildwasser e.V.: Lutherstraße 36, l.arndt.wildwasser@posteo.de, s.block.wildwasser@posteo.de, 0203 / 34 30 16

Beratungsstelle der Caritas: Grünstraße 12, ros@caritas-duisburg.de, 0203 / 28 65 650