Duisburg/Oberhausen. . Ex-Weltmeister Willi Wülbeck vermietet an Hartz IV-Empfänger. Er ist sauer, weil er auf Kosten sitzen bleibt und kritisiert das Jobcenter-System.

„Hetz mich nicht“ steht auf der Postkarte inmitten eines riesigen Spülberges. In dieser Wohnung ist keine Ablage frei, Berge von Klamotten und Schuhen türmen sich auf Stühlen, in und auf der Waschmaschine, auf Pappkartons, im Flur. Das Waschbecken hat ein großes Loch, der Kühlschrank ist verschimmelt, um den Staubsauger haben Spinnen ihre Netze gewoben. Ungeöffnete Post, Kontoauszüge, vertrocknete Blumen, Ketchup und Kippen auf dem Wohnzimmertischchen. Chaos überall.

Vermieter bekommt Miete direkt - eigentlich

„Och, das geht ja noch“, sagt Willi Wülbeck erleichtert. Der ehemalige Weltmeister im 800-Meter-Lauf ist Vermieter dieser Wohnung. Nach langen Kämpfen hat er endlich die Schlüssel zurückbekommen und nimmt die Redaktion zur Erst-Begehung mit. Nach dem Ende seiner sportlichen Karriere hat er in Häuser investiert. Er kümmert sich um alles selbst, sein Auto ist voll mit Farbe, Pinseln, Material.

Chaos, Dreck und Schimmel überall.
Chaos, Dreck und Schimmel überall. © Tanja Pickartz

Kaputtgewohnte Wohnungen, ausbleibende Mietzahlungen, Ärger mit offenen Nebenkosten, das alles kennt er. Aber diesmal ist Wülbeck die Hutschnur geplatzt. Sein Ärger richtet sich auf einen Fehler im System, wie er findet. Denn die Mietkosten hatte in diesem wie in anderen Fällen das Jobcenter direkt an ihn beglichen. Schon beim Abschluss der Mietverträge lässt Wülbeck sich „Abtretungserklärungen“ unterschreiben. Die besagen, dass der Mieter einverstanden ist, wenn das Jobcenter die Miete direkt dem Vermieter überweist, ohne Umweg auf das Mieterkonto. Soweit, so praktisch. Problematisch wird es, wenn der Mieter dieses Einverständnis zurückzieht, der Mietanteil wieder auf seinem Konto landet - und dann irgendwo, nur nicht beim Vermieter.

Wülbeck rechnet mit 4000 Euro Schaden

Ein anderes Problem: Wer Leistungen vom Jobcenter bezieht, muss sich an Spielregeln halten, Termine wahrnehmen, sonst werden die Bezüge gekürzt. „Wir gehen aber nicht an die Miete heran“, sagt Pressesprecherin Katrin Hugenberg, „und vor Sanktionen gibt es Widerspruchsmöglichkeiten“. Dafür muss man die Post aber auch öffnen, das kam angesichts der Briefstapel offenbar nicht vor.

Im aktuellen Fall rechnet Wülbeck mit rund 4000 Euro Schaden: Mietschulden, weiterer Mietausfall, Nebenkosten-Schulden, Kosten für die Renovierung, ein Zähler-Austausch. Seinen Verzicht auf all das machte er schriftlich, damit er die Schlüssel zur Wohnung zurückbekommt. Eine Räumungsklage wäre teuer geworden.

„Eine Wohnung ist keine Spardose“

Wülbeck sagt selbst, dass er „auf hohem Niveau jammert“, zwar habe auch er Bank-Verbindlichkeiten, aber seine anderen Mieteinnahmen könnten solche Ausfälle kompensieren. „Aber wer sich Eigentum zulegt, um mit der Miete monatlich seine Rente aufzustocken, kommt schnell in die Bredouille.“ Da das Jobcenter den Hauseigentümer nicht vorwarne, „ist der Vermieter der Gelackmeierte“, schimpft Wülbeck, für den es sich anfühlt, als würde das Jobcenter ihn mit in die Krise seiner Mieter hineinziehen. Seine Botschaft: „Eine Wohnung ist keine Spardose und eine Hartz IV-Miete nicht sicher.“

Rund ein Drittel seiner Mieter beziehen Hartz IV, Wülbeck entscheidet nach Bauchgefühl, ob er vertrauen kann. Bei der letzten Mieterin hatte der Verein Gemeinsam gegen Kälte ein gutes Wort eingelegt. Kurt Schreiber vom Verein sagt, dass diese suchtkrank ist, eine Streetworkerin habe sich am Ende gekümmert, damit die Wohnung wieder frei wird. „Dass Herr Wülbeck verärgert ist, kann ich gut verstehen, sowas passiert leider“, sagt Schreiber.

Jobcenter mischt sich nicht in Mietverhältnis ein

Das Jobcenter Duisburg wertet das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter rein privatrechtlich, die Miete werde nur auf Wunsch des ALGII-Beziehers direkt überwiesen.

Statistisch werde nicht erfasst, bei wie vielen der 36.681 Bedarfsgemeinschaften mit 76.773 Personen die Miete direkt überwiesen werde.