Duisburg. . „Shame shame but different“ im Duisburger Kom’ma-Theater zeigte, wie neu und aufregend Theater auch heute noch sein kann.
„Die schamlose Erkundung des schlimmsten aller Gefühle“, versprach das Theaterstück „Shame shame but different“ im Kom’ma-Theater am Freitagabend. Nach der Uraufführung in Belgien feierte das Stück über Scham, ihre Gründe und ihre Auswirkungen nun in Duisburg seine Premiere. In der Inszenierung von René Linke spielten die sechs hervorragenden Schauspieler Laura Brinkmann, Esther Butt, Leon Frisch, Moritz Rüge, Annika Schmidt und Laura Thomas.
Die Zuschauer bekamen keine stringente Geschichte zu sehen. Vielmehr brachte das Ensemble eine abstrakte Auslotung des Themas auf die Bühne, mit vielen kleinen Teilen, fast wie eine Revue. Kleine Rückbezüge sorgten für auflockernde Lacher. Das Lachen entlarvte sich aber schnell selbst als die häufigste Scham-Übersprunghandlung.
Generell durchbrachen die Schauspieler immer wieder die vierte Wand, denn schämen sollte sich das Publikum, nicht die Schauspieler, entweder wegen dem, was auf der Bühne geschah, oder weil die Zuschauer plötzlich selbst im Rampenlicht standen. Die fließenden, nicht ganz fassbaren Charaktere erzählten von ihren Schammomenten, von Schweißausbrüchen, Fahrradunfällen oder mangelndem Durchhaltevermögen im Bett.
Ein Erlebnis für (fast) alle Sinne
Das Erlebnis für (fast) alle Sinne, das sich auf der Bühne abspielte, ließ viel Interpretationsspielraum für das Publikum und entlarvte den klassischen Theaterzuschauer als Voyeur. Schäme ich mich gerade? Wenn ja, sollte ich mich jetzt schämen? Und geht es gerade überhaupt um mich? Die oft geschrienen, abstrakten Texte – auch aus der Bibel – wurden hin und wieder von deutlichen Botschaften unterbrochen. „Du bist kein Mensch mehr“, wenn du dich schämst, hieß es da, und die Lösung, die Befreiung von der Scham, wäre Authentizität.
Die Scham als Gleichmacher, als Grund für unerwiderte Liebe, als Grund für Einsamkeit. Die Zuschauer bekamen den Spiegel nicht vorgehalten, er wurde ihnen über den Schädel gezogen. „Du hast dein Soll nicht erfüllt“, brüllen die Schauspieler, und das Publikum weiß nicht so recht: Meinen die mich? Schließlich schämt sich jeder für irgendetwas, wahrscheinlich sogar für mehr, als er sich eingesteht. Viele Fragen mit Antworten, die höchstens jeder für sich beantworten kann. „Shame shame but different“ ist eine Erfahrung und ein hervorragendes Beispiel dafür, wie neu und aufregend Theater auch heute noch sein kann.