Duisburg. . Am Dienstag jährt sich die Katastrophe zum achten Mal. Der Betroffenen-Verein „LoPa 2010“ erneuert im Vorfeld seine Kritik an der Stiftung.

Zum achten Jahrestag der Loveparade-Katastrophe an diesem Dienstag wird die offizielle Gedenkfeier (Beginn: 17 Uhr) erneut für die Öffentlichkeit zugänglich sein. „Wir hatten nach der Premiere im Vorjahr von den Hinterbliebenen der 21 Opfer nur positive Resonanz erhalten und fühlen uns somit ermutigt, den Ablauf der Feier zu wiederholen“, sagte Pfarrer Jürgen Widera, Vorstandsmitglied der Stiftung „Duisburg 24.7.2010“.

Laut Widera werden die Hinterbliebenen von etwa 15 Opfer-Familien in Duisburg erwartet – auch jene aus Spanien, Australien, China, Kanada, den Niederlanden und Italien. Viele von ihnen wollen bereits am Abend zuvor (23. Juli) an der nicht-öffentlichen Andacht in der Salvatorkirche und danach auch an der „Nacht der 1000 Lichter“ im Karl-Lehr-Tunnel teilnehmen. Dieser wird am Montagabend ab 18 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrt – bis Dienstagbend gegen 22 Uhr.

22 Glockenschläge erklangen bei der Gedenkfeier im Vorjahr.
22 Glockenschläge erklangen bei der Gedenkfeier im Vorjahr. © Stephan Eickershoff

Bei der Gedenkfeier werden nach einer Ansprache von Dr. Jürgen Thiesbonenkamp aus dem Stiftungskuratorium 22 Glockenschläge erklingen – 21 für die Verstorbenen der Katastrophe, einer für Verletzte und Traumatisierte. Um die Organisation der „Nacht der 1000 Lichter“ am Montag kümmert sich seit dem Vorjahr der Verein „Bürger für Bürger“. Die Grablichter werden von einem Hamburger Unternehmen gespendet.

Betroffene erneut traumatisiert

An dieser Zeremonie am Montag wollen auch Mitglieder des Vereins „LoPa 2010“ teilnehmen, der Gedenkfeier am Dienstag wollen sie fernbleiben. Die Vereinsvorsitzende Nadine Lange erneuerte im Namen des Vorstands viele Vorwürfe, die seit Jahren erhoben werden: etwa, dass die Stiftung die Verletzten und Traumatisierten nicht unterstützt, sondern im Stich gelassen habe. Vielen Betroffenen gehe es seit Prozessbeginn „gesundheitlich wieder schlechter“, so Lange. Viele seien „retraumatisiert und erneut therapiebedürftig“. Hilfe seitens des Stiftung? Sei ausgeblieben!

Diese Kritik kann Widera nicht nachvollziehen. Für ihn würden in dem Schreiben nur Pauschalvorwürfe erhoben, ohne konkrete Beispiele zu nennen – etwa, welche angeblichen Versprechen von ihm nicht eingehalten worden seien. Auf die Frage, ob das Verhältnis zu diesen Betroffenen zerrüttet sei, sagte Widera: „Wir haben gar kein Verhältnis zu dieser Gruppe.“

Betroffene haben sich erst jetzt gemeldet

Angelika Köhler von der Kontakt- und Beratungsstelle berichtete, dass von den „LoPa 2010“-Kritikern in den letzten zwölf Monaten keine Anfrage zu einem Hilfsangebot der Stiftung eingegangen sei. „Dafür haben wir anderen Betroffenen helfen können, die wir bisher gar nicht kannten und die sich erst jetzt, acht Jahre nach der Katastrophe, bei uns gemeldet hatten“, so Köhler. Einigen von ihnen konnte bei der Suche nach einem Therapieplatz geholfen werden.

Das ist in Duisburg und Umgebung nach wie vor ein großes Problem. Die übliche Wartezeit liegt hier bei sechs bis zwölf Monaten – der bundesweit schlechteste Wert. „Wir konnten aber oft schneller Hilfe besorgen“, betonte Köhler.

In der Prozesspause Dampf ablassen 

Die Stiftung „Duisburg 24.7. 2010“ kümmert sich seit Beginn des Loveparade-Prozesses vor dem Duisburger Landgericht in der Messe Düsseldorf auch um die psychosoziale Betreuung von Verfahrensbeteiligten. Ob Zeugen, Opferangehörige oder das Sicherheitspersonal: Sie alle können vom Gesprächsangebot mit einem Psychologen oder einem Notfallseelsorger Gebrauch machen.

„Pro Verhandlungstag kam es im Schnitt zu zwei bis drei solcher Gespräche“, sagte Richard Bannert, hiesiger Leiter der Notfallseelsorge. Diese hätten in Verhandlungspausen in einem dafür vorgesehenen, separaten Bereich stattgefunden, so Bannert. Manche der Hilfesuchenden hätten einfach nur Dampf abgelassen. „Diese Gespräche sind für die Beteiligten eine Entlastung in einer psychischen Stresssituation“, sagte Ulrike Stender aus dem Stiftungsvorstand, die fast an jedem der bisherigen Prozesstage vor Ort zugegen war.

Schwierig seien die Begegnungen mit einigen Eltern der 21 Todesopfer gewesen, die im Prozess als Nebenkläger auftreten. „Sie hadern mit unserem Rechtssystem und verstehen nicht, warum sie bei diesem Strafprozess nicht Antworten auf all ihre Fragen erhalten werden“, schilderte Bannert.

Das öffentliche Interesse hält sich in Grenzen

Das öffentliche Interesse an der Verhandlung hätte sich an den meisten Tagen in überschaubaren Grenzen gehalten, berichtete Stender. Der Publikumsbereich füllte sich nur, wenn prominente Zeugen wie Ex-OB Sauerland oder Lopavent-Geschäftsführer Schaller als Zeugen auftraten. Zuletzt hätten vornehmlich Beschäftigte der Duisburger Stadtverwaltung als Zeugen ausgesagt.

Wegen des erwarteten Bedarfs wurden an jedem Tag zwei Helfer für die Prozessbegleitung bereitgestellt. Nun ist es nur noch einer. Die Kosten für dieses Betreuungsteam würden sich auf über 100 000 Euro im Jahr belaufen, bezifferte Stiftungs-Vorstand Widera. Kalkuliert hatte man im Vorfeld sogar mit 300 000 Euro, die vom Land NRW auch bereitgestellt worden seien. Zur Stiftung geflossen sei aber nicht die kalkulierte, sondern nur die tatsächlich benötigte Summe, so Widera. Der Verein „LoPa 2010“ kritisierte diese hohen Summen und bot an, bei Bedarf jederzeit kostenlose Seelsorger zur Verfügung zu stellen.