Duisburg. Ein Mitarbeiter aus Duisburg wirft Betreibern der Hotline vor, massiv Personalkosten einzusparen – und damit die Gesundheit der Bürger zu gefährden.
Ein Mitarbeiter aus der Arztrufzentrale erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen Arbeitgeber. „Durch massive Einsparungen bei den Personalkosten wird die Gesundheit der Bürger gefährdet“, argumentiert der Beschäftigte, der sich an unsere Redaktion gewendet hat und anonym bleiben möchte. Der ärztliche Bereitschaftsdienst wird von den Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe betrieben. Die Hotline informiert zentral Anrufer in NRW über die nächstgelegene Notdienstpraxis und koordiniert Hausbesuche.
Unter der Rufnummer 116 117 bekommen Patienten mit Fieber oder Rückenschmerzen einen Arzt als Ansprechpartner vermittelt, wenn die normale Hausarztpraxis schon geschlossen hat, bei Bedarf kommt auch ein Arzt nach Hause. Dies soll vor allem die Rettungsdienste und die Notaufnahmen der Kliniken entlasten. Der Mitarbeiter wirft den Kassenärztlichen Vereinigungen vor, über die vergangenen sechs Jahre hinweg immer mehr Personal eingespart zu haben. Mit der Folge, dass die Zentrale massiv unterbesetzt sei. Vor allem zu Spitzenzeiten, etwa wenn Grippewellen grassieren.
100 Anrufer in der Warteschleife
Demnach seien an einem solchen Tag zehn Telefonisten im Einsatz, 100 Anrufer in der Warteschleife – die durchschnittliche Wartezeit liege dann bei 30 Minuten. „Verschiedene Feuerwehrleitstellen beschweren sich schriftlich und telefonisch, da die erkrankten Bürger verzweifeln, weil sie nicht durchkommen, die 112 wählen und diese dann belegen. Viele Bürger rufen dann lieber einen Rettungswagen oder belegen die Notaufnahmen im Krankenhaus“, so der Mitarbeiter. Er sagt: „Die ersten Städte wollen den ärztlichen Notdienst wieder in eigene Hände nehmen.“
Der Rettungsdienst der Feuerwehr Duisburg hat sich zwar bisher nicht schriftlich bei der KV beschwert, kann aber bestätigen, dass vermehrt Anrufer in der Leitstelle landen, die zuvor bei der 116 117 nicht durchgekommen waren. „Das hat zur Folge, dass wir Rettungswagen rausschicken müssen in Fällen, in denen es nicht unbedingt nötig wäre“, berichtet Andreas Bretten, Sachgebietsleiter des Rettungsdienstes. „Damit sind Rettungswagen geblockt und stehen in dieser Zeit nicht für die Primärrettung zur Verfügung.“ Jedoch bestehe generell das Problem, dass Menschen unberechtigterweise die 112 wählen, etwa bei kleinen Wunden. „Die Ansprüche sind hoch.“
Medizinisches Hintergrundwissen
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) widerspricht den Darstellungen ihres Mitarbeiters. Die 154 Angestellten der Arztrufzentrale GmbH bearbeiten pro Jahr etwa 1,2 Millionen Anrufe, sagt Sprecher Christoph Schneider. „Die Mitarbeiter sind teilweise ausgebildete Krankenschwestern oder Sanitäter und verfügen über medizinisches Hintergrundwissen.“ In Spitzenzeiten an Wochenenden und Feiertagen könnten pro Schicht bis zu 20 zusätzliche Mitarbeiter aus externen Callcentern hinzugeschaltet werden, die das Mehraufkommen auffangen. Im Schnitt liege die Wartezeit zwischen 50 Sekunden und sechs Minuten. Jedoch, sagt Schneider, lasse sich nicht immer planen, wann genau das Anrufaufkommen steigt. „In solchen Fällen kann es dann zu längeren Wartezeiten kommen – ähnlich wie in einer Hausarztpraxis.“
„Personal wurde nicht abgebaut“, versichert Schneider. Allerdings habe die Arztrufzentrale teilweise anstelle von Neueinstellungen verstärkt auf Personal des externen Dienstleisters zurückgegriffen. „Nicht jede Stelle wurde daher intern nachbesetzt“, räumt er ein. Konkrete Beschwerden von Rettungsdiensten seien ihm bisher nicht bekannt. Im Gegenteil: „Seit es die Arztrufzentrale gibt, sind die Leitstellen klar entlastet.“
ANRUFZENTRALE SITZT IM HOIST-HOCHHAUS
Die Arztrufzentrale GmbH startete am 1. Januar 2011 mit 138 Mitarbeitern. Das Callcenter hat seinen Sitz an der Friedrich-Wilhelm-Straße im Hoist-Hochhaus gegenüber des Hauptbahnhofs. Die Zentrale übernimmt den kassenärztlichen Notdienst für ganz NRW, erreichbar unter
116 117.
Die Technik erkennt die Herkunft der Anrufer im Festnetz und informiert über den nächstgelegenen Notfalldienst. Die Zentrale stand bereits 2015 in der Kritik : Damals beschwerte sich ein Patient über unzureichende Beratung und erstattete Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung