Duisburg. . Duisburger will Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung stellen. Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes sieht Mitarbeiter des Call-Centers überfordert.

Die Arztrufzentrale muss sich schwere Vorwürfe und Kritik gefallen lassen. Ausgangspunkt ist Lothar Schmidt (57) aus Wehofen, der an einem Montagabend gegen 18.50 Uhr wegen Schwindel, Übelkeit und hohen Fiebers über die bundesweit einheitliche und kostenlose Nummer 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes das Call-Center mit Sitz in Duisburg erreicht. Das wird von den Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen seit 2011 zusammen betrieben und soll zentral Anrufer in fast ganz NRW über die nächstgelegene Notdienstpraxis informieren, aber auch Hausbesuche koordinieren.

In die Notfallambulanz

Genau um einen solchen Besuch bittet der 57-Jährige einen Mitarbeiter der Arztrufzentrale. „Ich war allein zu Hause und konnte in meinem Zustand nicht mehr Auto fahren. Dafür hatte der junge Mann am anderen Ende der Leitung aber kein Verständnis und legte einfach auf.“ Dies sei ihm bei einem weiteren Anruf kurz darauf erneut widerfahren. Am Ende habe sein Lebenspartner von der Arbeit nach Hause kommen müssen, um ihn in die Notfallambulanz des Evangelischen Krankenhauses in Dinslaken zu bringen. „Das Fieber war mittlerweile auf 39,7 Grad gestiegen“, so Lothar Schmidt. „Die behandelnde Ärztin hat mir gesagt, dass ich gerade noch rechtzeitig gekommen bin. Ansonsten hätte eine Blutvergiftung gedroht.“

Nach einer offiziellen Beschwerde nimmt die Arztrufzentrale, die Gespräche nach eigener Aussage nicht aufzeichnen darf, zum Fall Stellung. In einem Schreiben an den 57-Jährigen, das der Redaktion vorliegt, heißt es unter anderem, dass der Telefonist sich nicht an das erste Gespräch erinnern kann. Wichtige Infos wie die Tatsache, dass ein Arzt im Notdienst erst ab 20 Uhr hätte kommen können, seien aber sicherlich mitgeteilt worden. Dafür spreche die Dauer der Unterredung von zwei Minuten.

Oberbürgermeister Sören Link über den Vorfall informiert

Eine sehr ambitionierte Interpretation, findet Lothar Schmidt, der Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung stellen will. Außerdem hat der Wehofener Oberbürgermeister Sören Link über den Vorfall informiert und die Feuerwehr. Dort habe er auch erst erfahren, dass er an jenem Montagabend „schlimmstenfalls“ auch den Rettungsdienst über die 112 hätte anrufen können.

Im Gegensatz zur 116 117 ist die 112 die Notfallnummer für lebensbedrohliche Situationen – etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dass die 112 aber zunehmend ebenfalls bei weniger gravierenden Vorfällen gewählt wird, liegt für Frank Marx nicht nur an dem gestiegenen Anspruchsdenken, sondern auch an der Überforderung der Arztrufzentrale.

Gemeinsame Notrufzentrale gefordert

„Seit es nur noch diese eine Zentrale für ganz NRW gibt, haben wir Probleme“, sagt der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes in Duisburg. „Je mehr Anrufe es gibt, umso eher verweisen die Mitarbeiter auf die 112. Weil sie, aus dem Druck heraus, Hilfe schicken zu wollen, die Verantwortung wegschieben. Dazu kommt noch, dass die Anrufer in Warteschleifen hängen bleiben, irgendwann genug haben und von sich aus die 112 wählen“. Marx fordert deshalb eine gemeinsame Notrufzentrale: „Dann könnten wir zusammen entscheiden, was für den Patienten das Beste ist.“

Arztrufzentrale hatte mehr als eine Million Anrufe im vergangenen Jahr 

Rund 1,35 Millionen Anrufe hat die Arztrufzentrale (ARZ), die außerhalb der Praxisöffnungszeiten erreichbar ist, im vergangenen Jahr bearbeitet. So steht es in der Stellungnahme an Lothar Schmidt. 155 Beschwerden habe es gegeben. Das sind allerdings nur die Fälle, die tatsächlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) weitergeleitet worden sind.

Laut eines Sprechers der KV Nordrhein sind für die ARZ etwa 60 und zu Spitzenzeiten 80 Mitarbeiter tätig, die demnach größtenteils über medizinisches Hintergrundwissen verfügen. Sie nehmen an Wochenenden und Feiertagen die meisten Anfragen entgegen. Dass es im Fall Schmidt auch an einem Montagabend Wartezeiten von bis zu acht Minuten gegeben hat, sei je nach Anrufaufkommen manchmal nicht zu vermeiden. Im Durchschnitt habe ein Anrufer nach 30 Sekunden einen Ansprechpartner.

Eine wie von Frank Marx, dem ärtzlichen Leiter des Rettungsdienstes, geforderte gemeinsame Notrufzentrale ist laut des KV-Sprechers aufgrund der unterschiedlichen organisatorischen Voraussetzungen nicht machbar. Dennoch bemühe sich die KV um Verbesserungen für die Patienten. Dass etwa Notdienstpraxen – derzeit sind es vier in Duisburg – nicht täglich geöffnet sind, soll sich im Zuge der Notfalldienstreform ändern. Außerdem ist geplant, in einem Großbereich Duisburg, der allerdings bis Wesel reichen soll, künftig im Schnitt acht statt fünf Fahrdienste (Arzt und Fahrer) in Bereitschaft einzusetzen – mit entsprechender Software koordiniert von der Arztrufzentrale.