Duisburg. . Gehandicapte Menschen stoßen an vielen Duisburger Bus- und Bahnsteigen an ihre Grenzen. Zwei Rollstuhlfahrer und ein Blinder zeigen, wo es hakt.

  • Der Verein Barrierefrei Leben setzt sich für den barrierefreien Ausbau der Haltestellen ein
  • Zwei Rollstuhlfahrer und ein Blinder zeigen an Beispielen, wo es in Bus und Bahn hakt
  • DVG und Stadt bauen sukzessive Haltepunkte in der Stadt barrierefrei aus

Was mobile Menschen mit einem Sprung überwinden, stellt für Gehandicapte eine große Hürde dar: Stufen beim Ein- und Aussteigen aus dem Bus, unebene Wege, Gefälle oder Steigungen. Alen Letic vom Verein Barrierefrei Leben macht daher seit Jahren auf die Missstände im Öffentlichen Nahverkehr aufmerksam. „An zahlreichen Stellen hakt es“, weiß der Vereinsvorsitzende. Daher lädt er uns ein auf eine Busrundfahrt aus seiner Sicht. Unsere Mitreisenden sind Alen Letic, der in einem Rollstuhl mit E-Antrieb sitzt, Tamara Skowronek, die einen Rollstuhl per Hand bedient und Thomas Faust, der sehbehindert und auf Labrador Lasse, einen Blindenführhund, angewiesen ist.

Blindenhund Lasse mit Herrchen Thomas Faust.
Blindenhund Lasse mit Herrchen Thomas Faust. © Tanja Pickartz

Wir starten am Busbahnsteig am Hauptbahnhof. „Ein positives Beispiel für den barrierefreien Ausbau der Haltestellen“, findet Sebastian Reinhold von der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG). Der Busfahrer senkt den Bus ab und klappt am hinteren Eingang eine Rampe aus, so dass Alen Letic und Tamara Skowronek problemlos über die Rampe in den Bus fahren. „Fast alle Busse sind standardmäßig damit ausgestattet“, sagt Reinhold. Hund Lasse führt sein Herrchen vorne in den Wagen. „Gut ist, dass mittlerweile alle Busfahrer wissen, dass ich ein Ticket habe“, erklärt Thomas Faust. Mit dem Blindenführhund ist klar, dass er schwerbehindert ist und eine Fahrkarte besitzt.

Weniger gut sieht es am nächsten Stopp aus, der Haltestelle „Sportpark“ in Wedau. „Dieser Halt ist eine Zumutung“, sagt Letic. „Um auf die Gegenseite zu gelangen, muss man über einen ungepflasterten Weg, auf dem Baumwurzeln wuchern, so dass man mit dem Rolli umkippen kann.“ Zudem sei die Haltestelle bei Regen matschig – die Räder versinken darin. Das ist auch für Menschen mit Rollator oder Kinderwagen ein Problem.

„Dieser Halt ist ein Beispiel dafür, dass es Spannungsfelder gibt“, sagt Sebastian Reinhold. „Der barrierefreie Ausbau einer Haltestelle richtet sich nach der Inanspruchnahme.“ Je mehr Fahrgäste ein- und aussteigen, desto eher wird diese ausgebaut. „An dieser Stelle ist die Priorität nicht hoch“, weiß Reinhold. Ein Ausbau würde teuer werden, denn neben dem Umbau der drei Steige müssten auch Bäume gefällt werden.

Am Stadttheater gibt es ein Gefälle –  schwierig für Rollstuhlfahrer .
Am Stadttheater gibt es ein Gefälle – schwierig für Rollstuhlfahrer . © Tanja Pickartz

Thomas Faust kommt zwar dank Lasses Unterstützung gut aus den Fahrzeugen heraus, bei holprigem Untergrund, stößt aber auch er an seine Grenzen. „Obwohl Lasse immer den einfachsten Weg sucht.“ Ärgerlich sei es vor allem, wenn Ampelanlagen kaputt sind. So wie an der Düsseldorfer Straße, Ecke Kulturstraße: „Da gehen seit vier Wochen die Signaltöne nicht mehr.“ Für ihn und Lasse sei das Überqueren der viel befahrenen Straße lebensgefährlich. „Daher muss ich diese Haltestelle meiden.“ Auch am Haltepunkt „Am Unkelstein“ im Innenhafen sei es sehr unübersichtlich, weiß Alen Letic. „Dort ist es sehr eng für Rollstuhlfahrer und es gibt keinen vernünftigen Übergang.“

Zu viel Gefälle am Stadttheater

Der Halt „Am Stadttheater“ wurde bereits barrierefrei ausgebaut, die Bordsteinkante der Höhe des Buseinstiegs angepasst. „Jedoch habe ich Probleme beim Aussteigen, weil es hier ein starkes Gefälle gibt“, sagt Tamara Skowronek. Sie bekomme so viel Schwung, dass sie fast mit dem Rollstuhl in die gegenüber parkenden Autos kracht. „Daher steige ich bei Nässe lieber einen Haltepunkt später aus.“

„Da das Wasserviertel niedriger liegt, müsste man weit ausholen, um das Gefälle auszugleichen“, sagt Harald Wenke, Projektleiter im Amt für Stadtentwicklung. Beim barrierefreien Ausbau stoße man manchmal eben auch an bauliche Grenzen.

>>> Breitere Niederflurbahnen ab 2021

Erst 26 Prozent der knapp 580 Bushaltestellen der DVG sind barrierefrei ausgebaut. Fast alle der 110 Busse sind aber mit einer Klapprampe ausgestattet, um den Ein- und Ausstieg zu ermöglichen. Bei den Straßenbahnen sind auf der Linie 901 etwa die Hälfte der Haltestellen barrierefrei und auf der Linie 903 etwa 63 Prozent. Bei den Stadtbahnen (U79) ist es die Hälfte der 40 Haltestellen.

„Der Ausbau weiterer barrierefreier Haltestellen ist bereits geplant“, sagt DVG-Sprecherin Kathrin Naß. „Derzeit wird ein umfangreiches Konzept erstellt.“ Zudem wird die DVG ab 2021 sukzessive neue Niederflurfahrzeuge einsetzen, die breiter sind und damit den Abstand zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante verkürzen. Ab 2024 sollen dann alle neuen Fahrzeuge auf den Linien 901 und 903 unterwegs sein.

Alle Haltestellen wird die DVG bis 2022 aber nicht barrierefrei ausgebaut haben. Dies liege an fehlenden Fördergeldern sowie an infrastrukturellen Gegebenheiten, die einen barrierefreien Ausbau nicht zulassen, so Naß.

>>> DVG-Begleitservice unterstützt Fahrgäste

Hilfe für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste bietet der DVG-Begleitservice. Die Helfer begleiten mit gültigem Ticket kostenlos.

Dies ist nicht nur ein Angebot für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste (Rollstuhl, Stock oder Rollator), sondern auch für Mütter mit Kinderwagen, die den ÖPNV nutzen möchten: 0203-6044585, http://bit.ly/2tj0Hfh