Duisburg. . Nun droht sogar der Verfall der geleisteten Mehrarbeit. Vier Gewerkschafter erzählen beim Redaktionsbesuch von den Problemen ihrer Kollegen.

  • Die rund 1800 Duisburger Polizisten schieben etwa 115 000 Überstunden vor sich her
  • Ein Ausgleich für die geleistete Mehrarbeit könnte wegen drohender Verjährung wegfallen
  • Vier Gewerkschafter fordern beim Redaktionsbesuch rund 100 Polizisten mehr für Duisburg

Die rund 1800 Polizisten in Duisburg – inklusive der Wasserschutzpolizei – schieben derzeit (Stand: Ende Februar) 114.600 Überstunden vor sich her. „Und dabei handelt es sich nur um die angeordnete Mehrarbeit. Hinzu kommen weitere Zehntausende Überstunden, die aus den Rufbereitschaften und aus dem alltäglichen Dienst entstehen“, sagt Arno Eich.

Der Kreisverbands-Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter war gemeinsam mit Volker Schneider (Deutsche Polizeigewerkschaft) sowie Harald Jurkovic und Stephan Baumgarten (beide Gewerkschaft der Polizei) zu Gast in der Redaktion. Und alle vier klagten über die enormen Belastungen, denen alle Ordnungshüter ausgesetzt sind.

Vom Fußball zum AfD-Parteitag

Die Gewerkschafter (v. l.) Harald Jurkovic, Volker Schneider, Arno Eich und Stephan Baumgarten waren am Freitag zu Gast im Medienhaus.
Die Gewerkschafter (v. l.) Harald Jurkovic, Volker Schneider, Arno Eich und Stephan Baumgarten waren am Freitag zu Gast im Medienhaus. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services

Wie enorm die Anforderungen an die Polizisten in einer Schwerpunktbehörde wie Duisburg sind, zeigte Jurkovic auf, indem er einen Blick auf den Dienstplan der hiesigen Hundertschaft warf. Die war zwischen dem 20. und 29. April quasi unentwegt im Einsatz: Angefangen mit einem 15-Stunden-Einsatz beim Euro-League-Spiel zwischen Schalke und Amsterdam ging es danach für drei Tage und Nächte zum AfD-Parteitag nach Köln, ehe weitere Fußball- und Demo-Einsätze folgten, die stets zwölf Stunden dauerten. „Erst nach neun Tagen am Stück hatten diese Kollegen am 30. April einen Tag frei.

Und diese Taktung ist inzwischen fast Standard“, nennt Jurkovic nur einen von vielen Gründen, wie dieser gigantische Berg an Überstunden entstehen konnte.

Überstunden drohen zu verjähren

Rund 68.000 Überstunden konnten im Vorjahr abgebaut werden. „Etwa 40 Prozent als Freizeitausgleich, 60 Prozent wurden ausbezahlt“, so Baumgarten. Nun zieht ein neues Problem am Horizont auf: Diese Überstunden könnten verjähren. Auf alle vor dem 1. Januar 2015 geleisteten Stunden haben die Polizisten fünf Jahre Anspruch, ehe sie verfallen. „Davon haben wir rund 41 000“, so Baumgarten.

Alle nach diesem Stichtag angefallenen Überstunden haben nur drei Jahre Gültigkeit – verfallen also Ende 2018. „Einige Kollegen haben über 1000 Überstunden. Und erst müssen die Altstunden abgebaut werden. Wie sollen sie das denn schaffen?!?“, fragt Eich kritisch.

Volker Schneider betont, dass aus diesen Gründen im NRW-Justizbereich bereits 80.000 Überstunden verfallen seien. „Und das kann nicht sein: Für geleistete Arbeit muss es einen Ausgleich geben“, so Schneider. Und gemeinsam mit seinen drei Gewerkschafter-Kollegen forderte er in Richtung NRW-Innenministerium: „Diese Verjährungen müssen wegfallen.“

Lösung: Lebensarbeitszeit-Konto

Ein Lösungsansatz könnte laut Jurkovic ein Lebensarbeitszeit-Konto sein. Mit Hilfe der angesammelten Überstunden könnten ältere Kollegen dann eher in Ruhestand gehen. Eich mahnte aber an, dass dies nur möglich sei, wenn es sofort personellen Ersatz für die früher pensionierten Kollegen gebe. „Ansonsten bricht alles zusammen“, so Eich.

Man arbeite bereits jetzt am Anschlag. „Allein uns bei der Duisburger Kripo fehlen rund 50 Sachbearbeiter. Wenn wir eine Mordkommission gründen werden die Kollegen aus anderen Kommissariaten zusammengezogen – und dann bleibt deren eigentliche Arbeit liegen“, schildert Eich.

Baumgarten ärgert sich, weil bereits im Jahr 2013 mit dem Innenministerium unter Führung von Ralf Jäger ein Probelauf für ein Lebensarbeitszeit-Konto vereinbart worden war. „Ans Laufen gekommen ist die Sache aber bis heute nicht. Dabei gibt es schon Versuche in dieser Richtung – etwa bei der Bundespolizei“, so Baumgarten.

100 Polizisten mehr für Duisburg gefordert

Trotz der enormen Belastung sei die Motivation fast aller Kollegen „weiterhin 1a“, wie Harald Jurkovic (GdP) feststellt. „Das ist unter diesen Voraussetzungen alles andere als selbstverständlich und spricht für das Team.“ Volker Schneider warnt jedoch, dass vielen Kollegen durch die dauerhafte Mehrbelastung gesundheitliche Probleme drohen. „Es gibt schon zahlreiche Kollegen mit deutlich erkennbaren Stress-Symptomen“, so Schneider.

Um das abzustellen, müssten zwingend mehr Kräfte nach Duisburg. „Mindestens 100“, so Eich. Die Polizisten im Wach- und Wechseldienst (Streifendienst, Einsatztrupps, Schwerpunktdienst) haben auch ein hohes Überstundenpotential. „In der Regel etwa 100 Überstunden pro Beamter“, so Schneider. Diese Gruppe stellt personell den Hauptanteil im operativen Dienst in einer Kreispolizeibehörde dar.