Duisburg. . Mit 23 Jahren entschied sich Pater Tobias, ins Kloster zu gehen. Als Jugendlicher hatte er sogar eine Freundin. Nun gibt’s nur noch “Uschi“.
„Da steht meine Uschi. Das ist die einzige Frau, die mir etwas sagen darf.“ Pater Tobias zeigt auf sein kleines schwarzes Auto. „Uschi“ ist die Stimme seines Navigationsgeräts. Seit 30 Jahren gehört der Pastor der Herz-Jesu-Gemeinde in Neumühl dem Prämonstratenser-Orden an. Dabei ist er als Zwölfjähriger glatt vom Glauben abgefallen. Damals starb seine Mutter innerhalb von sechs Wochen an Darmkrebs.
Andreas Breer, so heißt der 53-Jährige mit bürgerlichem Namen, fühlte sich von Gott im Stich gelassen. Es war eine schwere Zeit. Bis dahin hatte er eine unbeschwerte Kindheit, wuchs als Zweitjüngster von sechs Kindern auf einem Bauernhof auf. In der Familie wurde zwar gebetet, aber sein Ordensleben schien nicht vorgezeichnet. Deshalb machte er nach der Schule eine Ausbildung zum Kaufmann bei BMW.
Er war glücklich, suchte aber nach einer neuen Herausforderung. Als er sich nach fünfeinhalb Jahren umorientieren wollte, brachte ihn ein Pater aus seiner Gemeinde in Cappenberg auf die Idee, sich wieder verstärkt Gott zu widmen. „Wir haben uns viele Monate immer wieder über Gott und die Welt unterhalten.“ Er vermittelte ihm eine Schule in Neuss, an der er sein Abi nachholen konnte – ein humanistisches Gymnasium. Er beschäftigte sich mit alten Sprachen und Kulturen. Drei Jahre später reifte in ihm der Entschluss, dem Orden beizutreten. Das weltliche Leben mit Frau und Kindern ist seitdem für ihn Geschichte. Aber er vermisst nichts, versichert er im Gespräch über die Liebe und das Leben.
Waren Sie als junger Mann nie in ein Mädchen verliebt?
Pater Tobias: Doch, natürlich. Als ich zur Bundeswehr musste, hatte ich sogar eine Beziehung. Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen und war in der Landjugend aktiv. So haben wir uns damals kennengelernt. Aber als ich zum Bund nach Hamburg und Lüneburg musste, haben wir uns seltener gesehen. Daran ist die Beziehung dann auch gescheitert. Später gab es noch ein anderes Mädchen, aber auch das hielt nicht lange. Das waren Enttäuschungen, sicher. Aber gleichzeitig wuchs meine Liebe zu Gott, und ich habe gespürt, dass das für mich der richtige Weg ist.
Wie haben ihre alten Weggefährten auf ihre Entscheidung reagiert?
Pater Tobias: Ich habe es ihnen erst kurz vorher gesagt. Sie waren überrascht, haben teilweise geweint. Meinen Ordensnamen Tobias habe ich mir nicht ohne Grund ausgesucht. Die Frau meines ältesten Bruders war schwanger. Allerdings hat der Junge nach der Geburt nur sechs Wochen gelebt.
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Er hieß Tobias. Ich habe meinen Bruder dann gefragt, ob es ihm recht ist, wenn ich diesen Namen wähle – einen Andreas gab es im Orden nämlich schon.
Haben Sie nie eine eigene Familie vermisst?
Pater Tobias: Manchmal, wenn ich von Kindern umgeben bin, kommt mir der Gedanke oder wenn ich meine Neffen und Patenkinder sehe. Andererseits bin ich von so vielen Kindern und Menschen umgeben, denen ich meine Liebe und die Liebe von Gott entgegen bringen kann.
Keine Spur von Einsamkeit?
Pater Tobias: Nein, ich suche die Ruhe am Morgen und am Abend. Oft stehe ich morgens auf und beginne mit einer Meditation. Auch wenn ich laufe, bekomme ich den Kopf frei und bete zwischendurch das Vaterunser. Ich hätte mir nie vorstellen können, weltlicher Pastor zu werden und alleine in meinem Pfarrhaus zu sitzen. So befinde ich mich in guter Gesellschaft in der Ordensfamilie. Meine Beobachtung ist ohnehin, dass wir in einer ziemlich kalten Gesellschaft leben.
Die Menschen könnten in Deutschland glücklich sein, sie werden versorgt. Und trotzdem sind sie unzufrieden.
Ist der Zölibat eigentlich überholt?
Pater Tobias: Das Thema ist doch durchgenudelt. Bei mir geht es gar nicht um den Zölibat. Ich würde mich immer wieder so entscheiden. Schauen Sie sich doch meinen Job an – welche Frau und welches Kind tut sich das denn an? Wahrscheinlich wäre ich jetzt längst geschieden. Wir haben deshalb jedenfalls keine Nachwuchs-Sorgen. Es liegt eher daran, dass der Glaube insgesamt keine so große Rolle mehr spielt.
Hand aufs Herz: Sind Sie nie wieder schwach geworden, wenn Sie eine hübsche Frau sehen?
Pater Tobias: Klar, manchmal sitzt eine Braut vor mir und ich denke: Da hat der Bräutigam aber Glück gehabt. Oder ich bin unterwegs und sehe eine nette Frau, wo ich mir sage, die hat Gott aber gut hinbekommen. Ich bin ja auch nur ein Mann. Aber das sind Gedanken, die fließen. Denen hänge ich nie lange nach.
Geht man als Pater eigentlich in Rente?
Pater Tobias: Nee, das ist man ein Leben lang. Bis der Tod uns scheidet.