Duisburg. . Heinrich von Kleists „Pentesilea“ in Michael Thalheimers Inszenierung für das Frankfurter Schauspiel war ein Höhepunkt des Theatertreffens.
Die Schlacht ist geschlagen, was bleibt sind Stille, Tod und Trauer. Eine Frau hält die nackte, blutüberströmte Leiche eines Mannes auf ihrem Schoß: Dieses Schmerzensbild steht am Anfang von Michael Thalheimers Inszenierung von „Penthesilea“. Mit dem brutalen Liebesdrama von Heinrich von Kleist, das am Wochenende als Gastspiel des Schauspiels Frankfurt im Stadttheater zu sehen war, erlebte das Publikum einen Höhepunkt des Akzente-Theatertreffens.
Brutaler Machtkampf
Auf der wie eine Pyramide gespitzten Schräge, die die ganze Bühne (von Olaf Altmann) beansprucht, entfaltet sich das Spiel von Constanze Becker, die sich auch als Penthesilea als große Tragödin erweist, Felix Rech als Achilles und Josefin Platt, der grauen Erzählerin mit blutrotem Mund, mit der Urgewalt, die dem Stück innewohnt. Kleist lässt diesen zerstörerischen Liebeskampf auf einem Schlachtfeld vor Troja spielen. Hier trifft die Amazonenkönigin Penthesilea auf den griechischen Heerführer Achill. Im Kampf zündet der Liebesfunken zwischen dem griechischen Helden und der stolzen Königin. Eine Liebe, die nur auf den Sieg über den anderen bauen kann.
Die Amazone, deren Reich ganz auf die Herrschaft von Frauen gebaut ist und in dem Männer nur zeitweise zur Zeugung neuer Kriegerinnen zugelassen sind, muss Achill unterwerfen.
Machtkampf mit äußerster Brutalität
Er hingegen möchte dieses faszinierende Weib zu seiner Königin machen. Ein Machtkampf, der mit äußerster Brutalität ausgetragen wird und entsetzlich endet. Penthesilia tötet schließlich Achill, als der sich ihr hingeben will, und reißt ihm in mörderischer Ekstase mit den Zähnen Fleisch aus dem Körper.
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Thalheimer verdichtet das Geschehen stark. Das Schlachtgetümmel wird nur in Worten beschrieben. Diese Worte, Kleists hoch poetische, nicht leicht zu verstehende Verse, werden so klar und eindringlich und körperlich präsent von Josefin Platt gesprochen, dass dem konzentrierten Zuschauer die stürzenden Reiter und Pferde, die Schwerter und Streitwagen, die Schreie und den Staub wie in einem Film vor Augen und Ohren ablaufen.
Figuren als expressive Skulpturen
Die Bilder hingegen, die auf der Bühne entwickelt werden, fesseln in ihrer Reduktion, die Figuren erstarren oft wie expressive Skulpturen. Es sind Bilder, die sich einbrennen: Dieser nackte, blutüberströmte, taumelnde Achill, dessen Heldentum Felix Rech kaum andeutet, dafür aber umso deutlicher zeichnet, wie sehr ihn diese fremde Frau, „halb Furie, halb Grazie“, verwirrt, wie er an ihr verzweifelt, weil sie auf ihm unbekannte Weise denkt, fühlt und handelt. Ihr Kuss ist ein Machtkampf.
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Constanze Becker bringt die Zerrissenheit Penthesileas mit einer beherrschten Intensität auf die Bühne. Wenn ihre träumerische Seite zu Wort kommt, dann klingt sie sanft und mädchenhaft schüchtern, als königliche, zornige, rachsüchtige Kriegerin ist ihre Stimme hart und mächtig. Laut wird sie nur in wenigen Momenten, in denen ihre Schmerzensschreie dann aber umso stärker wirken. Diese Frau ist in ihrem Wahn sogar fähig, sich selbst mit Worten zu töten.
Thalheimers Inszenierung wirkt durchdacht bis in die kleinste Nuance, ist überwältigend in ihrer Klarheit, Verständlichkeit und einer Intensität, die sogar körperlich spürbar ist. Erst durchatmen, dann großer Applaus.
Akzente-Stammgast Michael Thalheimer
Michael Thalheimers Arbeiten waren in den vergangenen Jahren immer wieder beim Theatertreffen der Akzente in Duisburg zu erleben.
Zuletzt stand seine Frankfurter Inszenierung von Euripides’ „Medea“ auf dem Programm, die 2013 mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen geadelt wurde. Auch darin spielte die großartige Constanze Becker die Titelrolle.