Duisburg. . Wer eine akute psychische Krise hat, muss teilweise sechs Monate oder länger warten. Experten drängen auf neuen Verteilungsschlüssel.

  • Zum 1. April treten neue Regeln in Kraft, die die Lage verbessern sollen – allerdings glauben Experten nicht daran
  • Der aktuelle Verteilungsschlüssel stammt aus den 1990er Jahren: Für rund 31.000 Duisburger gibt es einen Psychiater
  • Die Kassenärztliche Vereinigung erklärt auf Anfrage, dass ein neuer Schlüssel in Arbeit sei

Patienten, die in einer akuten psychischen Krise fachärztlichen Rat zur Diagnose und Therapie suchen, haben in Duisburg ein großes Problem. Weil es viel zu wenige Nervenärzte und Psychotherapeuten gibt, müssen sie lange Wartezeiten in Kauf nehmen. „Es reicht von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr, in Einzelfällen auch deutlich länger“, sagt Marcel Hellmich, Psychiatrie-Koordinator der Stadt. „Die Versorgungslage ist prekär, eine Ausnahme ist lediglich die Kinder- und Jugendpsychiatrie.“

Weiterer Bedarf durch Zuwanderer

Dass Neuregelungen, die zum 1. April in Kraft treten, die Situation verbessern, glaubt der Geschäftsführer der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft nicht. Weil etwa Therapeuten eine Akut-Sprechstunde einrichten dürfen, dafür aber keine Honorierung vorgesehen sei, so Hellmich. Entlastung könne nur eine bessere Ausstattung mit Ärzten bringen. Die wird im Auftrag des Gesetzgebers seit einem Jahr geprüft vom „Gemeinsamen Bundesausschuss“. Das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Therapeuten, Kliniken und Krankenkassen legt fest, wie viele Fachärzte und Therapeuten sich in einem sogenannten Planungsbereich niederlassen dürfen.

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Das Problem ist hausgemacht und geht zurück auf die Neuordnung des Verteilungsschlüssels zu Beginn der 1990er Jahre. Da wurde das Ruhrgebiet als „Sonderregion“ definiert – mit einem Verhältnis zwischen Arzt und Einwohnerzahl, das bis heute gilt: Für rund 31.000 Duisburger gibt es einen Psychiater, südlich der Stadtgrenze teilen sich rund 14 000 Düsseldorfer einen Nervenarzt. „Derzeit gibt es 16 Ärzte in Duisburg, aber nur vier im Norden, wo fast die Hälfte der Stadtbevölkerung lebt“, beschreibt Ludwig Hoeren, Arzt beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes, das Dilemma. In der Behörde versuchen Mediziner (2,7 Stellen) und sieben Sozialarbeiter qualifizierte Unterstützung zu vermitteln.

Netzwerk berät auch Träger wie die Diakonie

„Ein Behelfsystem“, nennt Hoeren den Versuch, rund 10.000 Anfragen pro Jahr abzuarbeiten. „Auf der Suche wenden sich viele an die Fachkliniken, obwohl sie gar keine stationäre Aufnahme benötigen.“ Andere würden aufgefangen durch das Netzwerk der Sozialpsychiatrie, in der Vereine wie Regenbogen oder Träger wie die Diakonie Patienten beraten und betreuen.

Das Dilemma der Unterversorgung sei bekannt, ein neuer Verteilungsschlüssel in Arbeit, so ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Die Auswertung einer Untersuchung, die dazu in Auftrag gegeben wurde, solle in diesem Jahr vorliegen. Die Zeit drängt, weil durch die Zuwanderung weiterer Bedarf entstanden ist. Von vier zusätzliche Psychiater-Sitzen für Duisburg, hat Marcel Hellmich gerüchteweise gehört. Der KV-Sprecher kann das nicht bestätigen: „Vielleicht hat da einfach mal jemand hochgerechnet.“