Duisburg. Prof. Dr. Mehmet Acet von der Uni Duisburg-Essen hat einen einseitigen Magneten entdeckt. Dieser Zufallsfund könnte von großem Nutzen sein.

Das ist dann wohl paradox: Mehmet Acet hat etwas gefunden, von dem er selbst behauptet, dass es das gar nicht gibt. „Magneten mit nur einem Pol existieren natürlich nicht“, versichert der Professor für experimentelle Physik an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Dabei hat er gemeinsam mit seiner türkischen Kollegin Dr. Asli Cakir genau das erzeugt – einen Nano-Magneten, der nur auf einer Seite Proben anzieht, während auf der anderen nichts passiert. Aus dem „Monopol“ im wortspielerischen Sinn soll mehr werden als ein Zufallsfund der Grundlagenforschung. „Vielleicht wird daraus ein Wunderwerkstoff für die Datenspeicherung“, sagt Prof. Dr. Mehmet Acet.

So sei das eben oft in der Grundlagenforschung, sagt der 69-jährige Wissenschaftler, der sich seit über 30 Jahren an der UDE mit Magnetismus beschäftigt. „Man sucht etwas, aber findet etwas anderes.“ Ja, Zufälle sind das. „Aber man muss sie auch erkennen“, sagt Mehmet Acet.

Probe bestand nur aus einem Nordpol

So kam das auch mit dem einseitigen Magneten. Eigentlich untersuchte Asli Cakir, damals Doktorandin an der UDE, die magnetischen Eigenschaften verschiedener Metall-Legierungen – reine Routine, um Daten für eine Versuchsreihe zu komplettieren. Als die Forscher aber eine Nickel-Mangan-Indium-Verbindung in einem Magnetfeld auf rund 380 Grad erhitzten, stellten sie fest, dass sich der Aufbau des Materials veränderte. In der Struktur bildeten sich wenige Nanometer große Partikel und die Probe verhielt sich wie ein einseitiger Magnet. Sie bestand, vereinfacht ausgedrückt, nur aus einem Nordpol.

Klein aber besonders stark ist der Nanomagnet (oben), dessen Besonderheiten Dr. Asli Cakir und Prof. Mehmet Acet entdeckt haben.
Klein aber besonders stark ist der Nanomagnet (oben), dessen Besonderheiten Dr. Asli Cakir und Prof. Mehmet Acet entdeckt haben. © Stephan Eickershoff

Die Analyse ergab: Die Magnetisierungsrichtung der Partikel-Hülle ist immer gleich, nur im Kern weist sie zu verschiedenen Seiten. Die Folge: Auf der einen Seite ist die Anziehungskraft fünf- bis 20-mal stärker als bei herkömmlichen Magneten, auf der anderen gleich Null. Gleichwohl habe auch der „Monopol“-Magnet einen Nord- und einen Süd-Pol, erklärt Acet: „Aber am Südpol heben sich Wirkung von Kern und Hülle gegenseitig auf, so dass er nicht mehr messbar ist.“

Magnetisierung „bis in alle Ewigkeit“

Einen unmittelbaren technischen Nutzen hat die Entdeckung der UDE-Forscher nicht. „Aber die Eigenschaften der starken Hülle kann man nutzen“, ist Mehmet Acet überzeugt. Die starke einseitige Ausrichtung lasse sich etwa für die Herstellung von Datenspeichern nutzen. „Einmal mit dem Laser eingebrannt, hält die starke Magnetisierung bis in alle Ewigkeit“, sagt er. Zur Löschung der Daten seien schon Temperaturen von mindestens 800 Grad erforderlich. Ein Vorteil auch: Das erforderliche Material – Nickel, Mangan, Indium oder Silizium – ist in großen Mengen preisgünstig verfügbar.

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Im Video ist es auch für Laien zu erkennen: Auf der einen Seite lässt sich das etwa daumennagelgroße Teilchen vom Magneten anziehen. Dreht man es um 180 Grad, passiert hingegen nichts. „Diese Entdeckung ist mehr als ungewöhnlich“, erklärt UDE-Prof. Dr. Mehmet Acet. „Bisher gibt es solche Materialien nur in der Theorie.“

Video: www.youtube. com/watch?v=0VlSksW2G-s

Publikation: A. Çakır, M. Acet, M. Farle. Shell-ferromagnetism ..., Sci. Rep. 6, 28931 (2016).

E-Mobilität braucht Magneten 

Gemeinsam mit zwei anderen Forschergruppen in Luxemburg und Bielefeld will der Duisburger Physiker die Entdeckung nun wissenschaftlich kapitalisieren. Am Ende könnte eine auf einen Träger aufgedampfte, hauchdünne magnetische Speicherschicht stehen. Ein Antrag bei der Deutschen Forschungsgesellschaft für das Projekt ist in Vorbereitung.

Die Forschung an Magneten und die für ihre Weiterentwicklung notwendigen Materialien ist ein wichtiges Thema in der experimentellen Physik und der Materialforschung.

Wie eine Wärmepumpe

Auslöser ist nicht zuletzt die Entwicklung der Elektro-Mobilität. „Elektromotoren benötigen Magneten. Je stärker, desto besser, denn dann wird der Motor kleiner“, erklärt Prof. Dr. Mehmet Acet.

Ein Verfahren mit Zukunft sei auch die magnetische Kühlung. „Wir suchen Materialien, die eine starke Temperatur-Änderung erzeugen, wenn man ein Magnetfeld anlegt“, erklärt der Physiker. So sei es möglich, die bisherige Gaskühlung zu ersetzen – durch ein wesentlich effizienteres und weniger umweltschädliches Verfahren. „Es funktioniert wie eine Wärmepumpe, das magnetische Material ersetzt den Kompressor“, erläutert Acet. Versuche mit Legierungen aus Eisen, Phosphor und Silizium brachten vielversprechende Ergebnisse, berichtet der Wissenschaftler: „Mit einem Weinkühler funktioniert es schon.“