Duisburg. . Bei den Begehungen von Problemhäusern sind nun auch TÜV, Feuerwehr und Zoll dabei. Insgesamt hat die Stadt 85 Schrott-Immobilien identifiziert.

  • Die Ordnungsbehörden haben 78 Problemhäuser in der Stadt identifiziert
  • Bei den Begehungen sind nun auch TüV, Feuerwehr und Zollamt dabei
  • Die Stadt hofft, so Überbelegung und organisierten Sozialbetrug zu beenden

Mit einer neu formierten „Task-Force“ unter der Regie von Ordnungsdezernentin Daniela Lesmeister geht die Stadt seit drei Monaten gegen sogenannte „Problemhäuser“ vor. Hinter den massiven Überbelegungen durch Vermietung, zumeist an Menschen aus Südosteuropa, stecke „ein kriminelles Geschäftsmodell der Vermieter“, sagt Oberbürgermeister Sören Link im WAZ-Interview. Gemeinsam mit dem Hauptzollamt und weiteren Behörden werde man „mit allen Mitteln des Rechtsstaates“ gegen diese Machenschaften vorgehen.

Es gebe verfestigte Erkenntnisse über die Masche der Vermieter, berichtet Lesmeister. Sie brächten Zuwanderer gezielt nach Duisburg, um sie mit Schein-Arbeitsverträgen auszustatten. Damit beantragten die Menschen dann im Jobcenter aufstockende Sozialhilfe. „Das Geld fließt aber zu den Vermietern, die es jeden Monat von den Konten ziehen“, erläutert die Dezernentin. Einige der Täter seien den Ermittlern „einschlägig bekannt“. Ziel müsse es sein, „das Geschäftsmodell kaputt zu machen.“

Häuser fallen auf durch Anwohnerbeschwerden

Insgesamt hat die Stadt 85 Immobilien, die meisten in Marxloh und Hochfeld, als „Problemhäuser“ identifiziert. Sie sind durch Hinweise von Anwohnern oder auch der Stadtwerke aufgefallen. Allein elf Häuser sind seit Jahresbeginn hinzugekommen. „Das Geschäftsmodell ist offenbar lukrativ“, sagt Daniela Lesmeister dazu.

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Das Wohnungsaufsichtsgesetz NRW, verabschiedet 2015, nachdem es auch in Dortmund und Gelsenkirchen zu massiven Überbelegungen kam, setzt nun Mindeststandards für Mietwohnraum. Das verbessert die rechtliche Handhabe gegen die Vermieter.

Verwaltungsgericht bestätigt Vorgehen der Stadt

Seit drei Monaten sind bei den Begehungen neben dem Zoll auch der TÜV und die Feuerwehr dabei. Ist wegen massiver Verstöße gegen den Brandschutz Gefahr im Verzug, werden die Häuser sofort geschlossen. Bei drei Häusern und drei Wohnungen sei das geschehen, berichtet Lesmeister. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat dieses Verfahren bestätigt, die Beschwerde eines Hausbesitzers wurde abgewiesen. Die personellen Ressourcen reichen allerdings nur für zwei Begehungen pro Monat. „Die Nacharbeiten sind enorm aufwändig“, erklärt die Dezernentin. Entschieden dementiert der OB Vorwürfe des Rassismus: „Wir gehen nicht gegen eine Ethnie, sondern gegen ein kriminelles Geschäftsmodell vor, gegen einen lebengefährlichen Missstand für die Menschen.“

OB Sören Link: „Wir brauchen Hilfe von Bund und Land“ 

Im Interview äußern sich Dezernentin Daniela Lesmeister und Oberbürgermeister Sören Link zur neuen Strategie der Stadt gegen die Vermieter von Schrott-Immobilien. Mit dem OB und der Leiterin der Ordnungsbehörde sprachen Rosali Kurtzbach und Martin Ahlers.

Warum gibt es eine „neue“ Task-Force für die Problem-Immobilien?

Sören Link: Der Zuzug aus Südosteuropa hält an. In Duisburg leben rund 17 000 Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Wir haben in der alten Task-Force seit 2014 eine Menge auf den Weg gebracht, von der Sprachförderung über berufliche Qualifikation bis hin zur Betreuung rund ums Thema Wohnen. Aber: Wir müssen jetzt sehen, wie wir der Situation 2016 Herr werden können. Das Wohnaufsichtsgesetz gibt uns die Möglichkeit, gegen die Vermieter aktiv zu werden. Egal welcher Nationalität, ihnen wollen wir das Handwerk legen.

Wie wollen Sie die Situation in den Griff bekommen?

Daniela Lesmeister: Indem wir durch eine behördliche Vernetzung von Ordnungsamt, Polizei, Hauptzollamt, Kindergeldkasse und Jobcenter die lukrative Geschäftsmodell der Vermieter kaputt machen.

Link: Das gelingt nur, wenn man die Mietbasis kaputt macht. Dann funktioniert die Masche nicht.

Warum ist das Hauptzollamt dabei?

Lesmeister: Diese Vermieter sind oft auch Arbeitgeber. Sie stellen Schein-Arbeitsverträge aus, mit denen beantragen die Leute beim Jobcenter eine Aufstockung. Das Geld fließt aber zu den Vermietern: Sie richten Konten für die Mieter ein und ziehen es dann mit EC-Karten. Die Vermieter werben die Menschen direkt an. Ich habe selbst gehört, wie einer gesagt hat: „Ein Eigentümer ist unterwegs, um sich ‘Frischfleisch’ zu besorgen.“

Haben die Vermieter denn ein Interesse, die Häuser instand zu setzen und zu investieren?

Lesmeister: Ja. Der Vermieter hat ein absolutes Interesse, wieder zu vermieten, damit Geld auf sein Konto kommt. In Hochfeld war eine Frau in einer Wohnung mit sieben Kindern wochenlang ohne Strom und Wasser. Sie berichtete, dass sie 550 Euro zahlt. Der Eigentümer, dessen Immobilie wir vor zwei Wochen für unbewohnbar erklärt haben, ist täglich mit uns im Kontakt, weil er wieder vermieten will. Auch ein Vermieter in Marxloh renoviert. Wenn die Immobilien wieder vernünftig hergestellt sind, ist das okay.

85 Häuser gelten derzeit als Problemimmobilien. Wann wollen Sie die abgearbeitet haben?

Lesmeister: Wir wollen einmal in der Woche begutachten, haben in den zwei Monaten vier Häuser geschafft. Bis wir alle durch haben, wird es zwei Jahre dauern.

Werden neue Schrottimmobilien dazukommen?

Link: Davon ist auszugehen. Wenn eine Problem-Immobilie nicht mehr bewohnbar ist, ziehen die Mieter nicht alle irgendwohin weg, sondern sie ziehen ein Haus weiter, das dann wieder zu einem Problemhaus werden kann. Wir gehen nicht davon aus, dass wir 85 abarbeiten und dann ist die Liste erledigt, sondern es kommen neue Häuser dazu.

Wie sieht so eine Begehung aus?

Lesmeister: Wir gehen morgens in die Häuser, weil eine Begehung zwei bis drei Stunden dauert. Ich bin dabei. Wenn wir das Haus oder die Wohnung für unbewohnbar erklären, haben die Mieter vier bis fünf Stunden Zeit, ihre Sachen zu packen. Die Schlüssel werden auf der Wache hinterlegt. Die Mieter können auch später ihre Sachen holen, sie machen das auch. Der Vermieter bekommt von uns eine Verfügung, in dem ihm aufgelegt wird, ein Konzept einzureichen, wie er die hygienischen und baulichen Mängel abstellen wird. Auch ein Belegungskonzept muss er vorlegen. Das vermeidet erneute Überbelegung.

Kontrollieren Sie auch abends? Es gab den Vorwurf, dass Menschen spät abends auf die Straße gesetzt wurden.

Lesmeister: Wir kontrollieren morgens. Es gab einen Einsatz am Abend im September. Der hatte aber nichts mit der Task Force zu tun. In diesem Fall war der Strom im Haus schon lange abgestellt, die Bewohner hatten einen Stromaggregat in den Keller gestellt, einen Dieselmotor. Giftige Abgase zogen durchs Haus. Die Feuerwehr hatte das Haus abends evakuiert, die Menschen mussten im Freien warten, bis das Haus gelüftet war, dann konnten sie wieder rein.

Was passiert mit den Mietern, die aus den Wohnungen raus müssen?

Lesmeister: Jeder Eigentümer ist für anständigen Wohnraum verantwortlich. Wenn wir Wohnungen wegen gravierender Mängel schließen, muss er aus seiner Kasse, die er gut gefüllt hat, Ersatzwohnraum zahlen oder ein Hotelzimmer anmieten. Das sagen wir auch immer den Mietern. Wir haben den Menschen dennoch Notunterkünfte zur Verfügung gestellt.

Welche langfristige Perspektive gibt es für die Häuser?

Link: Wir brauchen eine Entwicklungsperspektive. Ein einziges Problemhaus, kann ein ganzes Viertel herunterziehen. Wenn ich aber dieses Haus kaufe und renoviere, dann habe ich mit wenig Aufwand eine Menge erreicht. Uns als Stadt fehlt dafür das Geld. Dafür brauchen wir Hilfe von Land und Bund. Wenn der Vermieter Geld in die Hand nimmt, gut. Aber es gibt Vermieter, die tauchen gar nicht auf. Wir brauchen auch Geld für mehr Personal für die Müllproblematik. Das haben wir in Berlin und Düsseldorf deutlich gemacht.

Was für ein Müllproblem?

Link: Wir erleben oft, dass Hausflure und Höfe zugemüllt sind, dadurch der Brandschutz nicht mehr gegeben ist. Dann wird ein Müllproblem in den Problemhäusern zu einem Problem der Nachbarn und Allgemeinheit.

Kommentar von Martin Ahlers: Gute Geschäfte mit dem Elend der Menschen 

Mancher hatte sich gefragt, was eigentlich aus der vor zwei Jahren gegründeten Task-Force geworden ist. Der Begriff hat Hoffnungen auf eine schnelle Lösung geweckt, die wohl nicht zu erfüllen waren. Wie so oft, ist es nicht so einfach, sich mit Mitteln zu wehren, die der Rechtsstaat setzt. Das gilt, besonders dann, wenn es um den Eingriff das Grundrecht auf Eigentum gilt. Nun soll eine konzertierte Aktion der Behörden mehr Tempo in die Bemühungen bringen, den Sumpf aus Sozialbetrug und organisierter Verschiebung von Menschen trocken zu legen.

Integration gelingt nur dann, wenn die Menschen bleiben

Jeder Euro, mit dem Land, Bund und EU die Anstrengungen der klammen Stadt unterstützen, ist dabei gut angelegtes Geld. Denn die Integration der Zuwanderer kann nur gelingen, wenn sie Fuß fassen, eine Perspektive erarbeiten können für sich selbst und ihre Familien. Die alternde Gesellschaft braucht langfristig auch die Kinder, sie müssen die Sprache lernen, eine Ausbildung machen. Millionen, die nun in den Ausbau der Schulen, in Programme zur Bildung fließen, sind Investitionen in die Zukunft. Aber nur dann, wenn die Menschen nicht nach wenigen Monaten weiterziehen.