Duisburg/Dinslaken. Nach Veröffentlichung ihres Buches erhält die Lehrerin Morddrohungen aus dem rechten Spektrum. Aus Sicherheitsgründen unterrichtet sie nicht mehr.
- Bezirksregierung hat die Lehrerin auf eigenen Wunsch bis zu den Sommerferien 2017 beurlaubt
- „Die Menschen sind vollkommen enthemmt und glauben, dass sie alles sagen dürfen", so Kaddor
- Im Oktober wird die 38-Jährige für ihr Engagement mit dem Duisburger Integrationspreis ausgezeichnet
"Nun ist es passiert." Mit diesem Halbsatz leitet die Duisburger Autorin und Lehrerin Lamya Kaddor ein Posting bei Facebook ein, von dem die Islamwissenschaftlerin offenbar schon länger befürchtet hatte, es mal schreiben zu müssen. "Seit mein Buch erschienen ist, gibt es bei Einigen kein Halten mehr." Zwei Wochen nach der Veröffentlichung hätten die Anfeindungen derart zugenommen, dass die 38-Jährige aus Sicherheitsgründen vorerst nicht mehr unterrichten wird. Die Bezirksregierung hat Kaddor, die an der Friedrich-Althoff-Sekundarschule in Dinslaken lehrt, auf ihren eigenen Wunsch bis zu den Sommerferien 2017 beurlaubt.
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Verunglimpfungen, Hasstiraden und Drohungen war die Duisburgerin, die Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes ist, immer wieder ausgesetzt. Hassmails bekäme sie schon seit vielen Jahren, nun aber sei die Situation eskaliert: Was derzeit "gegen meine Person lanciert wird", sei "nicht mehr berechenbar", "und das nur, weil ich es gewagt habe, einen Blick in Sachen Integration auf die Mehrheitsbevölkerung zu richten", schreibt sie bei Facebook. In ihrem Buch ruft Kaddor die gesellschaftliche Mitte dazu auf, mit "überzeugten Radikalen" nicht zu mehr diskutieren.
Die Briefe und Mails richteten sich vor allem gegen ihre Forderung, dass auch Deutsche und die Nachkommen von Migranten eine Bringschuld für eine gelungene Integration hätten, um gemeinsam eine deutsche Identität zu entwickeln. Auch Intelektuelle, Kaddor nennt hier vor allem den Journalisten Hendryk M. Broder, beteiligten sich an dieser Stimmungsmache.
Staatsschutz ermittelt bereits wegen Drohungen
„Die Menschen sind vollkommen enthemmt und glauben, dass sie alles sagen dürfen, dass ich vergast werden soll, dass man mich demnächst irgendwo nachts abholen wird“, sagte sie am Donnerstagmorgen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Auch Mails mit der Anrede "Heil Hitler" und Klarnamen habe sie erhalten - hier ermittele der Staatsschutz der Duisburger Polizei bereits, jedoch hat Kaddor die subjektive Wahrnehmung, dass die Bedrohungen aus dem rechten Spektrum von den Behörden nicht so ernst genommen und mit Verweis auf die Meinungsfreiheit heruntergespielt würden - ganz anders als etwa die Anfeindungen von Islamisten, die sie ebenfalls schon erleben musste.
Dem widerspricht Polizeisprecher Ramon van der Maat: "Wir nehmen das immer ernst. Die Intensität des Schutzes richtet sich nach einer Gefährdungsbewertung des Staatsschutzes." Wie die Polizei die Betroffenen nach solchen Drohungen schütze, dazu werde man jedoch keine Stellung nehmen. In einem Fall, in dem auch die Identität des Schreibers feststeht, habe man nun die Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltschaft abgegeben, so van der Maat weiter.
Lamya Kaddor erhält im Oktober den Duisburger Integrationspreis
Einmischen will sich die streitbare Islamwissenschaftlerin aber dennoch weiter: "Nein, ich werde mich nicht aus der Diskussion zurückziehen und auch nicht die Klappe halten. Aber es ist an der Zeit, gegen diese Stimmung im Land den Mund aufzumachen!" Für ihr Engagement für ein besseres Zusammenleben wird die 38-Jährige Anfang Oktober auch mit dem Duisburger Integrationspreis ausgezeichnet. (mawo)