Duisburg. Ergreifende Schilderungen von Jutta Esser und Alice Czyborra bei der Antikriegstags-Veranstaltung des DGB im voll besetzten Duisburger Ratssaal.
Freiheit ist nichts Selbstverständliches. Sondern ein Privileg. Daran müsse sie immer wieder ihre Schüler erinnern, die völlig frei und in Frieden aufwachsen konnten, erzählt Jutta Esser. Die 49-Jährige ist Lehrerin – und die Enkelin von Johann Esser. Jenem kommunistischen Bergmann aus Rheinhausen also, der als KZ-Häftling im Jahr 1933 die sechs Strophen des „Moorsoldaten“-Liedes verfasste und damit eine Hymne der Arbeit- und Widerstandsbewegung schuf. Am Donnerstag wurde es wieder einmal gesungen: bei der Antikriegstags-Veranstaltung des DGB Region Niederrhein. Und Essers Enkelin lauschte gebannt dem eindringlichen Vortrag des Stattchors.
Am 1. September 1939 brach mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg aus. Am gestrigen 1. September 2016, also 77 Jahre später, gedachten Duisburger Gewerkschafter und zahlreiche Besucher im voll besetzten Ratssaal des Rathauses der Millionen Getöteten, Verletzten, Gequälten und Verfolgten. Die zentrale Botschaft von DGB-Geschäftsführerin Angelika Wagner und Bürgermeister Manfred Osenger lautete daher: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“
Die Gingolds schlossen sich in Frankreich der Resistance an
Im Mittelpunkt standen aber die beiden besonderen Gäste: Neben Jutta Esser baten die beiden Moderatorinnen, Michelle Mauritz und Kristina Risch von der DGB-Jugend Duisburg, auch Alice Czyborra auf das Podium. Die 76-Jährige ist die Tochter von Peter und Ettie Gingold – zwei kommunistischen und jüdischen Widerstandskämpfern gegen das Nazi-Regime. Beide schlossen sich nach ihrer frühen Flucht nach Frankreich den dortigen Freiheitskämpfern der Resistance an. Besonders beklemmend waren Czyborras Schilderungen über ihren Vater, nachdem dieser in Frankreich verhaftet und gefoltert wurde. Mucksmäuschenstill war es unter den Anwesenden auch, als sie schilderte, wie ihm mit einem Trick die Flucht gelang.
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Noch eindringlicher waren Jutta Essers Schilderungen. Ihr Großvater habe die Moorsoldaten-Verse geschrieben, nachdem er und seine Mitstreiter in KZ-Haft verprügelt wurden. „Es sollte ein Zeichen sein: Ihr kriegt uns nicht klein.“ Und die Taten ihres Großvaters hätten auch ihr eigenes Handeln und Tun verändert: „Ich habe früh gelernt, dass es Sinn macht , sich einzusetzen. Jeder sollte sich engagieren, so gut er kann, damit man die Welt ein Stück besser macht.“ Donnernder Applaus. Am Mahnmal der ermordeten Gewerkschafter am DGB-Haus wurde später noch ein Kranz niedergelegt.