Duisburg. . Ein Spaziergang mit WAZ-Leserbeirätin Manuela Müller. Die Meidericherin bewundert die Werke der Strickguerilla, liebt die Ideen des Kreativquartiers.

Für ine kleine Naherholung zwischendurch kommt die gebürtige Meidericherin Manuela Müller gerne mal nach Ruhrort. Was die Leserbeirätin in den Hafenstadtteil zieht, kann sie nicht mit einem Satz erklären. Sie lehnt sich an das Geländer neben der alten Schifferbörse und schaut über das Wasser. „Ruhrort, das ist genau die Stelle, wo Rhein und Ruhr zusammenfließen. Früher war das mal eine richtige Insel zwischen den beiden Flüssen. Das ist doch faszinierend“, sagt sie und freut sich über den Wind, der an dieser Ecke immer frisch weht und ihr die Haare zaust.

Bild vom „Tönnekesdrieter“ erinnert an Hänseleien der Meidericher

Ein Spaziergang über den alten Leinpfad Richtung Mühlenweide mit dem Biergarten zu Füßen des bunten Flaggenmastes und dem neuen Anleger für Fluss-Kreuzfahrtschiffe wäre jetzt das Übliche, aber Müller möchte in die andere Richtung. Sie bewundert die Werke der Ruhrorter Strickguerilla, die mit ihrer flotten Masche das Geländer und die Video-Stele am Platz so gründlich eingestrickt haben, dass man den Einschaltknopf des Kunstwerkes im grünen Strampelanzug erst länger suchen muss.

Apropos suchen, die Strickerinnen sollen doch auch das Rehlein ersetzt haben, dessen Bronzestatue von August Kraus schon zweimal gestohlen wurde. Aber wo es steht, das weiß Müller auch nicht so genau. Sie biegt von der Krausstraße in die Kasteelstraße ein, wo einst das „feste Haus“ stand, mit dem Ruhrort seinen Anfang nahm. Vor dem großen Bild des Tönnekesdrieters mit Holzschuhen und blanker Kehrseite erklärt sie die alte Geschichte von der fehlenden Kanalisation im Quartier und den hämischen Meiderichern, die den Ruhrortern den miefigen Spitznamen verpassten, der heute noch im Karneval Verwendung findet. Durch die Gildenstraße geht’s zur Ecke Hafen- und Landwehrstraße. Da leuchtet etwas Geringeltes zwischen den Büschen des Haniel-Geländes. Das herzallerliebste Strickreh frürchtet wohl, ebenfalls geklaut zu werden. Sein Vorderteil kauert, inzwischen etwas verblasst, am Boden, nur das Hinterteil steht noch aufrecht.

Ein kleiner Hauch von großer Welt

Durch die Landwehrstraße geht es links in die Dr. -Hammacher-Straße wo jeden Frühling die rosa Kirschblüten leuchten. Hier werden im alten evangelischen Gemeindehaus die skurrilen Ideen für das Kreativquartier ausgebrütet. Manuela Müller biegt rechts in die Fabrikstraße ab, betrachtet die denkmalgeschützten Häuser mit den Außentreppen und den schmiedeeisernen Geländern und sagt begeistert: „Mich erinnert das hier total an Holland.“ Sie hat väterlicherseits Niederlländische Vorfahren. Und sie versucht sich vorzustellen, wie früher die Pantinen der Binnen-Schiffer auf dem Kopfsteinpflaster geklappert haben, als sie ihre Frachten vor dem Bau der Schifferbörse noch auf der Straße verhandeln mussten.

Am anderen Ende der Fabrikstraße, kurz vor dem Friedrichsplatz lockt die alteingesessene Konditorei Kurz. Müller, der man ihre Begeisterung für „alles mit Schokolade“ gar nicht ansieht, outet sich als Tortenfan. „Ohne einen Besuch in diesem kleinen Café mit der sehr großen Tortenauswahl wäre für mich ein Spaziergang durch Ruhrort nicht vollständig“, sagt Müller. Drinnen genießt man seinen Kaffee ebenso komfortabel wie beschaulich im Ohrenbackensessel.

Danach geht es einmal links herum durch die Harmoniestraße vorbei am Neumarkt. „Das ist ja kein hochglanzpolierter Touristenort hier“, sagt Müller, „es gibt Leerstand und auch einige ungepflegte Ecken, aber dafür es gibt jede Menge echtes Flair zu entdecken.“ Ein kleiner Hauch von großer Welt und ein bisschen skurrile Künstler-Atmosphäre kennzeichnen den Hafenstadtteil, Manuela Müller genießt beides. Und lacht herzlich über das Straßenschild an der steilen Horst-Schimanski-Gasse. Es ist fein säuberlich gestrickt.