Duisburg. . Die Autobahnpolizei verzeichnet rund um die A40-Brücke Neuenkamp immer mehr Unfälle. Blitzer an der Rheinquerung brachte der Stadt rund 955.000 Euro.

Seit der Fahrbahn-Verengung von sechs auf nur noch vier Spuren in beiden Richtungen auf der maroden Duisburger A40-Brücke im Oktober vorvergangenen Jahres ist die vielbefahrene Rheinquerung ein täglicher Dauergast in den Verkehrsnachrichten. Rund um das marode Bauwerk zwischen Essenberg und Neuenkamp ist in den letzten anderthalb Jahren allerdings nicht nur ein Stau-, sondern auch ein Unfallschwerpunkt entstanden.

Zahlen der dort zuständigen Autobahnpolizei Düsseldorf belegen das: Im Jahr 2014, als noch größtenteils sechs Spuren zur Verfügung standen, krachte es zwischen dem Kreuz Moers und der Anschlussstelle Duisburg-Homberg in Fahrtrichtung Essen 109-mal. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015, als durchgehend nur noch vier Spuren verfügbar waren, verzeichnete die Autobahnpolizei auf dem gleichen Streckenabschnitt, zwischen den Kilometern 28,4 bis 35,7, 207 Unfälle. Im gesamten Jahr 2013 waren es „nur“ 78.

Ein wiederkehrendes Bild: Nach einem Unfall auf der A 40 vor der Rheinbrücke staut sich der Verkehr in Richtung Essen.
Ein wiederkehrendes Bild: Nach einem Unfall auf der A 40 vor der Rheinbrücke staut sich der Verkehr in Richtung Essen. © FUNKE Foto Services

Dass es bei dieser Tendenz bleibt, ist abzusehen: Im ersten Quartal 2016 krachte es zwischen dem Kreuz Moers und Duisburg-Homberg in Richtung Essen bereits 47-mal. Noch gar nicht in dieser Statistik enthalten ist etwa ein schwerer Unfall am vorvergangenen Freitag, der auch eine Vollsperrung zur Folge hatte. Wie durch ein Wunder hatten eine 35-jährige Duisburgerin und ihr sechsjähriger Sohn, deren Wagen von einem Lkw und einem Kleinlaster förmlich zerquetscht worden war, die Kollision lebend überstanden. Es war einer der typischen Unfallhergänge: Die Beteiligten hatten wohl das (Rück-)Stauende vor der Brücke übersehen.

Mehr Kollisionen vor der Brücke in beiden Fahrtrichtungen

Zwar ist in Richtung Essen auch die Zahl der leicht und schwer Verletzten in den vergangenen Jahren steigend, von insgesamt 26 im Jahr 2014 auf 46 im Jahr 2015, ein Großteil der Unfälle gehe aber relativ glimpflich aus, sagt Susanna Heusgen von der Düsseldorfer Autobahnpolizei: „Die Ursache ist meistens Unachtsamkeit, deshalb kracht es da so oft.“ Etliche Unfälle ereigneten sich aber im Stop-and-go-Verkehr beispielsweise beim Fahrstreifenwechsel, also im Stau direkt vor der Brücke. Oft bleibe es daher bei Blechschäden. Verkehrsteilnehmern rät Heusgen: „Die Leute müssen sich zu 100 Prozent aufs Autofahren konzentrieren.“ Schon das Tippen einer kurzen Nachricht auf dem Handy bedeute einen sekundenlangen Blindflug am Steuer.

Einen schweren Unfall gab es zuletzt am vorvergangenen Freitag auf der A 40 in Höhe der Anschlussstelle Rheinhausen in Fahrtrichtung Essen.
Einen schweren Unfall gab es zuletzt am vorvergangenen Freitag auf der A 40 in Höhe der Anschlussstelle Rheinhausen in Fahrtrichtung Essen. © Feuerwehr Moers

Weil es vor dem Engpass auch in umgekehrter Richtung oft stockt, ist auch dort die Zahl der Unfälle stark ansteigend: 142-mal krachte es zwischen dem Kreuz Duisburg und der Anschlussstelle Homberg in Fahrtrichtung Venlo im Jahr 2014, 189-mal im Jahr 2015, und „gerade“ 92-mal im Jahr 2013. In den Vorjahren davor waren es keine 50 Unfälle pro Jahr auf dem Streckenabschnitt zwischen den Autobahnkilometern 35,7 und 41,1.

Freie Fahrt auf der A 40 durch dünn besiedeltes Land

Was auffällt: Die besonders schlimmen Unfälle mit Verletzten oder Toten ereignen sich in der Regel im Rückstau vor der Brücke in Richtung Essen, das war allerdings auch bereits vor der Verengung der Fahrspuren schon so. In Richtung Venlo gab es zwischen 2011 und 2015 insgesamt sieben Schwerverletzte, in umgekehrter Richtung waren es im gleichen Zeitraum 13 Schwerverletzte und drei Tote. Eine mögliche Erklärung: Autofahrer, aus Richtung Essen kommend, sind durch die zahlreichen Autobahnkreuze und Anschlussstellen, die vor der Brücke liegen, konzentrierter. Aus Richtung Venlo kommend sind sie auf der A 40 freie Fahrt durch dünn besiedeltes Land gewöhnt, ehe sie dann auf das Nadelöhr Neuenkamp stoßen.

Blitzer vor der Brücke brachte der Stadt rund 955.000 Euro 
Seit Mai 2015 ist der Blitzer auf der Rheinbrücke in Richtung Essen scharf geschaltet.
Seit Mai 2015 ist der Blitzer auf der Rheinbrücke in Richtung Essen scharf geschaltet. © FUNKE Foto Services

Welchen Einfluss der Blitzer, den die Stadt Duisburg im Mai 2015 am Brückeneingang in Richtung Essen installiert hat, auf die Unfallzahlen hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Fest aber steht nach 13 Monaten: Die Anlage hat innerhalb eines guten Jahres rund 955.000 Euro in die marode Stadtkasse gespült. Das ist in etwa der Betrag, mit dem die Verwaltung vor dem Aufstellen des Blitzers kalkuliert hatte. Allerdings lässt sich eine exakte Bilanz wohl erst in Monaten ziehen, weil viele Bußgeldverfahren noch laufen, aber auch, weil sich die Ermittlungen etwa nach ausländischen Fahrern extrem schwierig gestalten, wie Stadtsprecher Jörn Esser erklärt. Eine Zahl, die exakt vorliegt, ist die der festgestellten Verstöße: Von Mai 2015 bis einschließlich Mai 2016 waren es 26.996.

Anlage in Gegenrichtung kommt vorerst nicht

Dabei variiert die Zahl von Monat zu Monat extrem. Von 350 wie im vergangenen Dezember bis zu 3562 im März dieses Jahres reicht die Spanne. Einen „Einbruch“ bei den Verstößen gab es auch, als die zulässige Höchstgeschwindigkeit im vergangenen Herbst von 80 auf 100 Stundenkilometer heraufgesetzt worden war. Esser betont, dass es der Verwaltung mit dem Blitzer nicht um zusätzliche Einnahmen für die Stadtkasse gehe: „Es geht darum, die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer an dieser Stelle zu erhöhen.“ Vor Jahresfrist diskutierte Pläne, auch in der Gegenrichtung eine Anlage aufzustellen, hat die Stadt inzwischen auf Eis gelegt. Das sei „derzeit nicht vorgesehen“, sagt Esser. Der Blitzer in Richtung Essen habe auch auf den Verkehr in Richtung Venlo abschreckende Wirkung.

Erhält der Neubau des Bauwerks sechs oder acht Spuren? 
Darüber, wieviele Spuren der Neubau der Rheinquerung einmal haben soll, gibt es unterschiedliche Ansichten zwischen Land und Bund.
Darüber, wieviele Spuren der Neubau der Rheinquerung einmal haben soll, gibt es unterschiedliche Ansichten zwischen Land und Bund. © www.blossey.eu

Dass das marode Bauwerk ein Sanierungsfall ist, steht seit Jahren fest. Dass Autofahrer auf dem Altbau je wieder sechs Spuren in beiden Richtungen nutzen können, gilt als so gut wie ausgeschlossen. Inzwischen wird auch unwahrscheinlicher, dass auf dem längst beschlossenen Komplett-Neubau der Brücke, der frühestens 2026 fertig sein könnte, einmal acht Spuren in beiden Richtungen zur Verfügung stehen könnten, so wie es eigentlich in den bisherigen Planungen vorgesehen war. Im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030, in dem alle relevanten Autobahn-Projekte aufgeführt werden, ist der Ausbau zwischen den Kreuzen Moers und Duisburg - inklusive der in diesem Abschnitt liegenden Brücke - und die Erweiterung von sechs auf acht Spuren auf dieser Strecke nicht mehr enthalten. Die zuständigen Planer beim Bund urteilen: „Nicht wirtschaftlich“ und „kein Bedarf“. Dabei hatten sich die beiden Duisburger SPD-Abgeordneten Bärbel Bas und Mahmut Özdemir noch im Frühjahr vehement dafür eingesetzt.

Unterschiedliche Ansichten zwischen Land und Bund

Der Neubau der Brücke sei dadurch aber nicht gefährdet, beruhigt ein Sprecher des NRW-Verkehrsministeriums: „Der kommt so oder so. Das steht in keinster Weise in Frage.“ Die Planungen bei dem Projektentwickler Deges seien bereits in vollem Gange. Unterschiedliche Ansichten gebe es allein über die Anzahl der Fahrspuren: Das Land wolle vier mindestens in Richtung Essen: „Aber der Bund sieht das anders.“ Die zuständigen Behörden in NRW und in Berlin stünden allerdings noch in Gesprächen. Eine Neubewertung sei nicht ausgeschlossen, versichert der Sprecher. Bis dahin müssen sich die Autofahrer noch gedulden. Auf und vor dem Nadelöhr Neuenkamp.