Duisburg. . Jahrelang schrumpfte das Schulsystem, jetzt dreht sich der Wind durch die Zuwanderung: An fast allen Duisburger Schulen wird es eng.
Schulplaner blicken in der Regel auf die nächsten fünf Jahre. Das erleichtert die Prognose – schließlich sind die Kinder dann schon auf der Welt. Zuwanderung, zumeist aus Südosteuropa und Flucht vor Kriegen in Syrien, Afghanistan und dem Irak entziehen dieser Methode ihre zuverlässige Grundlage. Bald 2300 Kinder, davon 800 allein in den vergangenen zwölf Monaten, sind so zusätzlich in ein Duisburger Schulsystem gekommen, das seit einem Jahrzehnt auf Schrumpfung gepolt war. Im Jahresbericht zur Schulentwicklungsplanung, den der Schulausschuss diskutiert, kündigt die Verwaltung an, verschiedene Optionen zu nutzen, um zusätzlichen Schulraum zu schaffen. Eine Übersicht über die Situation in vier Schulbezirken.
Walsum/Hamborn
Jeder dritte Seiteneinsteiger-Schüler besucht eine der 31 Schulen im Nordbezirk – Schwerpunkte sind Marxloh und Obermarxloh. Weil Raum knapp wird, aber sechs weitere Seiteneinsteigerklassen notwendig sind, wird wohl die durchschnittliche Zahl der Kinder in den Grundschulen (derzeit 22) steigen. Alle weiterführenden Schulen unterrichten Seiteneinsteiger, bei vielen ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Steigen die Zahlen weiter, wird zusätzlicher Schulraum nötig.
Meiderich/Beeck/Ruhrort
Der Bezirks hat mehrere Verteilungsprobleme: Sechs der zwölf Internationalen Klassen unterrichtet allein die Gesamtschule Ruhrort. Rechnerisch gibt es 22 ungenutzte Klassenräume, davon aber allein die Hälfte an der Grundschule Bruckhausen. Andere Standorte sind fast ausgebucht, müssen deshalb wohl die Klassengröße erhöhen, die mit 24 ohnehin schon die höchste aller vier Regionen ist. Ebenso wie in Hamborn sei auch hier in den weiterführenden Schulen die Raumsituation „deutlich beengt“, berichtet die Verwaltung.
Rheinhausen/Homberg/Baerl
Ungleich ist die Verteilung der Seiteneinsteiger auch im Westen. An einigen Schwerpunkt-Grundschulen (Krefelder-, Pestalozzistr.) machen sie über 10 Prozent aus, fünf Grundschulen unterrichten noch gar keine Zuwanderer. Räumlich wird’s vor allem an weiterführenden Schulen eng: Weil fünf von elf schon mit der Regelschülerzahl am Limit sind, bleibt kaum Luft nach oben.
Mitte/Süd
Jeder dritte Seiteneinsteiger (30,7 %) besucht eine der 43 Schulen im größten Bezirk, bis zu 14 % beträgt der Anteil etwa in Hochfeld. Acht weitere Grundschulklassen für Zuwanderer hält die Verwaltung für notwendig, bis zu sieben mehr sollten es an den 18 weiterführenden Schulen sein – auch hier ist die Aufnahmegrenze zumeist erreicht.
Verwaltung schlägt vor: „Zeitnah Schulraum schaffen“
In ihrer Analyse der Raumsituation kommt die Verwaltung für alle vier Bezirke zu eindeutigen Feststellungen: Es gibt einen „unmittelbaren Schulraumbedarf“, einige Standorte sind überstrapaziert mit der Aufnahme von Seiteneinsteigern, eng wird es vor allem an den Duisburger Gesamtschulen.
Obwohl sich die Entwicklung der Zuwanderung nicht zuverlässig prognostizieren lässt, sei es notwendig, „Schulraum zeitnah zu schaffen und langfristig zur Verfügung zu stellen“. Dazu müsse auch die bereits vorhandene Kapazität „effizienter genutzt werden“, heißt im Bericht für die Kommunalpolitik.
Flexible Konzepte gefragt
Weil sich auch lokale Schwerpunkte der Zuwanderung – derzeit sind das Hochfeld und Marxloh – kurzfristig verändern können, bevorzugt die Verwaltung flexible Schulraum-Konzepte, „die darauf reagieren können“. Dazu gehört etwa die Erweiterung bestehender Gebäude durch mobile Lösungen oder ihre flexible Nutzung durch innovatives Mobiliar und ebensolche Raumkonzepte. Für denkbar hält die Schulverwaltung aber auch Erweiterungen von Schulen durch feste Anbauen, die Reaktivierung ehemaliger Schulen als Teilstandorte und die Nutzung von Räumen in Förderschulen.
Neubauten soll es hingegen nur bei entsprechend langfristiger Nachfrage geben, zusätzliche Entlastung könnte eine andere Unterrichtsorganisation (etwa das Lehrerraum-Prinzip) oder eine Veränderung im Unterrichtsrhythmus ebenso bringen wie die Einrichtung einer „Klasse 0“ im Sinne einer Vorschule. Als weitere Option beschreibt die Verwaltung die Einrichtung von Zentren für die intensive Diagnose des Bildungsstandes von Seiteneinsteigern, um eine passgenaue Beschulung zu sicherzustellen. Als „außerschulische Lernorte“ könnten Bibliotheken, Hörsäle und Stadtteilcafés genutzt werden.
Nur ein Drittel der Seiteneinsteiger-Kinder kommt aus Kriegsgebieten
Nur ein Drittel der 2258 Kinder und Jugendlichen (Stand 1. Mai), die derzeit 145 sogenannten Internationale Vorbereitungsklassen (IVK) in Duisburger Schulen besuchen, stammen aus Kriegsgebieten in Staaten wie Syrien, Irak und Afghanistan.
Hingegen sind fast 60 % der Schüler aus den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien sowie den Westbalkanstaaten Serbien, Mazedonien und Albanien mit ihren Familien zugewandert. Diese Zahlen legte die Verwaltung am Montag dem Jugendhilfe-Ausschuss vor. Im Zusammenhang mit Schulentwicklungsplanung diskutiert heute der Schulausschuss die Folgen der anhaltenden Zuwanderung.
Schulraum im Stadtnorden wird knapp
Internationale Vorbereitungsklassen gibt es derzeit an vielen Grundschulen, sowie fast allen weiterführenden Schulen und Berufskollegs. Grundschulen besuchen derzeit 904 Kinder, 1113 junge Flüchtlinge und Zuwanderer gibt es an weiterführenden Schulen, weitere 241 lernen in 15 internationalen Klassen der Berufskollegs.
Während die Verwaltung nun mit einer neuen elektronischen Schülerdatenverwaltung auch die jungen Zuwanderer erfassen kann, wird vor allem im Stadtnorden der Schulraum eng. Nachdem zuletzt über Jahre Schulen aufgegeben wurden, denkt die Verwaltung nun auch wieder über Erweiterung und Reaktivierung von Gebäuden nach.