Duisburg. Ein der Muslimbruderschaft nahestehender Islamologe soll auf dem Duisburger Campus referieren. Der Streit zwischen AStA, Antifa und muslimischen Studierendengruppen geht damit weiter.
An der Universität Duisburg-Essen (UDE) eskaliert ein Streit zwischen dem AStA und Antifa-Gruppen auf der einen und muslimischen Hochschulgruppen auf der anderen Seite. Die Anlässe: ein Vortrag, zu denen der Verein türkischer Studenten (VtS) in der vergangenen Woche auf den Campus Duisburg eingeladen hatte, sowie ein Referent, der am Mittwoch Gast des Islamischen Studentenvereins (ISV) hätte sein sollen. Zwischen den streitenden Fraktionen steht das Rektorat der Uni, das sich veranlasst sieht, seine liberale Haltung bei der Nutzung von Hochschulräumen zu prüfen.
Amir Zaidan, der auf Einladung des ISV am Mittwoch über "Die Beweise für die Existenz Allahs" referieren sollte, ist ein umstrittener Gast: Nach eigenen Angaben steht der 51-Jährige der einflussreichen extremistischen Muslimbruderschaft nahe, die einen islamischen Gottesstaat auf Erden anstrebt. In Deutschland ist der gebürtige Syrer bekannt geworden mit der so genannten "Kamel-Fatwa": In dem islamischen Rechtsgutachten bezog er sich auf den Gesandten Muhammad und "empfahl" hessischen Schülerinnen im Jahr 1998 vor einer Klassenfahrt, sie sollten sich ohne Begleitung eines männlichen Verwandten nicht weiter als eine Tagesreise von der elterlichen Wohnung entfernen - also etwa 81 Kilometer (in Kamelgeschwindigkeit).
Erst am vergangenen Dienstag referierte Buchautor Ali Söylemezoğlu auf Einladung des Vereins Türkischer Studenten (VtS) auf dem Duisburger Campus. Der AStA hatte sich im Vorfeld deutlich gegen die Einladung Söylemezoğlus ausgesprochen: Immer wieder sei der Autor in der Vergangenheit durch Relativierungen des Völkermords an den Armeniern aufgefallen. Ihn in den Räumen der Universität sprechen zu lassen, helfe "dem selbst ernannten Historiker, seinen kruden Thesen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen.“ Der VtS sieht das anders: „Es geht uns nicht um Streit, sondern um Aufklärung eines historischen Sachverhalts im Dialog“, schreibt der Vorsitzende Eyüp Tuzkaya in einem offenen Brief an den AStA. Während des Vortrags im alten Audimax soll es unruhig zugegangen sein. Der AStA berichtet von „Eskalation“ bei der Veranstaltung, Beleidigungen und Drohungen gegen Kritiker.
Uni Duisburg hat Sprecher bisher nie nachgeprüft
Für diesen Mittwoch stellte die UDE keinen Raum zur Verfügung - aus Platzgründen, wie Uni-Sprecherin Beate Kostka auf Nachfrage betont. Zwar hatte der ISV zunächst geplant, Amir Zaidan im Hörsaal an der Lotharstraße sprechen zu lassen, was die Emanzipatorische Antifa Duisburg scharf kritisierte. Aber: "Als der ISV eine Anfrage gestellt hat, war der gewünschte Raum bereits belegt", so Kostka. Daraufhin verlegte der Verein die Veranstaltung kurzerhand in den Hochfelder Akkurt-Saal. Mittlerweile jedoch hat sich der ISV dazu entschlossen, den Vortrag ganz zu verschieben, „da wir dadurch unserem Ziel, den wissenschaftlichen Diskurs auf dem Campus zu fördern, nicht gerecht werden können“, so Vorstandssprecherin Seyma Karahan.
Welch glückliche Fügung für das Rektorat. Denn tatsächlich hat die Uni nach Aussagen Kostkas bis vor kurzem nie geprüft, zu welchem Zweck die eingetragenen Studierendenvereine Räume anmieten. "Wir haben darauf vertraut, dass sich alle an die Spielregeln halten." Erst in den letzten Wochen, vor allem nach den Protesten gegen den Vortrag Söylemezoğlus, sei aufgefallen, dass dieses System nicht so gut funktioniere wie gedacht. Obwohl in jedem Fall der Veranstalter selbst hafte und dafür Sorge zu tragen habe, "dass eine öffentliche Diskussion den üblichen Gepflogenheiten des akademischen Diskurses folgt", überlege die Uni-Leitung jetzt, sich bei der Raumverteilung auch inhaltlich mit den Anträgen auseinanderzusetzen - statt nur formal zu prüfen, ob sie frist- und vorgabegerecht eingegangen sind.
Pikanterweise kündigt der ISV an, dass der Nachholtermin nach Möglichkeit auf dem Campus stattfinden soll. Karahan: „Wir suchen einen neuen Tag, an dem der Redner Zeit hat und der Hörsaal der Uni nicht belegt ist.“
"Vertrete das Gedankengut der Moslembruderschaft"
Das dürfte neues Wasser auf den Mühlen der Antifa sein. Zaidan sei ein „Hassprediger“, befindet sie. Der Islamologe macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Muslimbruderschaft, die in ihrem Heimatland Ägypten mittlerweile verboten und als Terrororganisation eingestuft ist. Er bekannte 1990 vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge: "Ich bin offiziell kein Mitglied, aber ich vertrete das Gedankengut der Moslembruderschaft."
Der ISV betont dennoch: Zaidan "promotet immer wieder den interreligiösen Dialog und das friedliche Mit- und Nebeneinander von Menschen mit unterschiedlichen religiösen Bekenntnissen." Über "haltlose Anschuldigungen" gegen Amir Zaidan werde versucht, eine Verbindung zwischen dem ISV Duisburg und der fundamentalistisch-politischen Organisationen herzustellen. "Wir selber haben mit dogmatisch-ideologischen Vereinigungen nicht nur nichts zu tun, sondern lehnen eine Vermischung von politischen und religiösen Ideen als religiöse Gemeinschaft kategorisch ab", so Karahan. "Wäre der Referent nachweislich Teil einer solchen Organisation, wäre er bei uns definitiv nicht willkommen."