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Konfliktstoff Kopftuch, Ehrenmorde, Scheidungen, Ge­­walt gegen Frauen, Be­freiung muslimischer Kinder von Klassenfahrten: „Die Zuwanderung ist in deutschen Gerichtssälen angekommen“, sagt der Islamwissenschaftler und Jurist Mathias Rohe.

Im Privatrecht:

Im Ausland geschlossene Viel-Ehen können, trotz eines Verbots in Deutschland, von Gerichten „anerkannt“ werden. Geht es bei einer Scheidung zum Beispiel um die finanzielle Absicherung aller „Ehepartner“, kann die Teilung des Vermögens vom Richter angeordnet werden. Seit dem Jahr 1900 darf bei „privaten Rechtsbeziehungen, wo es um Verträge, Familienfragen und Erbrechtsfragen geht, ausländisches Recht angewandt werden“, erläutert Rohe, der an der Universität Erlangen Nürnberg eine .Professor für Internationales Privatrecht hat. „Wir wenden islamisches Recht hier genauso an wie französisches.“

Allerdings: Das ausländische Recht verliert dort seine Gültigkeit, wo es gegen den sogenannten „ordre public“, einer Grundlegende der inländischen Wertevorstellung, verstößt. So hat ein Bottroper Amtsrichter die Scheidung ei­nes marokkanischen Paares abgelehnt, weil der Mann seine Frau drei Mal mit dem „talaq“, der Verstoßung, belegt hatte. Das afrikanische Gesetz benachteilige die Frau. Das widerspreche deutscher Rechtsnorm.

Andererseits wies eine Richterin 2007 den Scheidungsantrag einer mit einem Muslim verheirateten Frau vor Ablauf des Trennungsjahres zurück. Die Begründung: „Die Ausübung des Züchtigungsrechts begründet keine unzumutbare Härte.“

Die richterliche Freiheit zum Multi-Kulti-Kurs birgt Konfliktpotenzial. Eine „internationale Reform des Privatrechts“, die den Aufenthaltsort des Betroffenen in den Fokus rückt, fordert Rohe deshalb. Zuweilen erkennt der Gesetzgeber die Problematik.

Im Sozialrecht:

Trotz des Verbotes der Viel-Ehe mussten gesetzliche Krankenkassen bis 2005 Zweitfrauen kostenlos mitversichern. Mit der Begründung, die „Vielehe widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz“, wurde dieses Privileg aufgehoben.

Im Arbeitsrecht:

Der Konfliktstoff Kopftuch spiegelt die Misere der Recht-sprechung seit Jahren wider. Bisher konnten sich die obersten Richter am Bundesverfassungsgericht nur dazu entscheiden, sich nicht zu entscheiden, ob in deutschen Schulen muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten dürfen. Die Länder sind gefragt.

Immer häufiger auch die örtlichen Arbeitsgerichte. Sie müssen vermitteln, wenn es zu klären gilt, inwieweit religiöse Normen wie Gebets- und Kleidungsfreiheit den Arbeitsalltag beeinträchtigen dürfen. „Bei der Kollision wichtiger betrieblicher Belange muss meines Erachtens letzteren der Vorzug gegeben werden, weil andere Grundrechtsträger – etwa der Arbeitgeber – nicht gezwungen werden können, hinter noch so plausiblen Belangen religiös motivierter Arbeitnehmer zurückzustehen, vor allem wenn es um den Erhalt des Betriebs geht“, sagt Rohe.

Im Verwaltungsrecht:

Für indiskutabel hält Rohe Auswüchse wie die „Kamel-Fatwa“. Der vom Verfassungsschutz beobachtete Islamwissenschaftler Amir Zaidan hat ein Rechtsgutachten erstellt, wonach eine mehrtägige Reise muslimischer Frauen ohne Begleitung eines Blutsverwandten gegen islamische Regeln verstößt.

Eine Muslimin dürfe sich maximal 81 Kilometer, was der Tagesreise einer Kamelkarawane entspreche, von ihrem Haus entfernen. Das Oberverwaltungsgericht Münster ak­zeptierte die Begründung im Jahr 2004. Sie gilt bis heute als Entschuldigung, um Mädchen die Teilnahme an Klassenfahrten zu verbieten. „Da kommt ein Onkel, schmeißt den Wisch auf den Tisch und wir können nichts machen“, sagt Gerd Weggel, Schulleiter der Erich-Kästner-Realschule in Gladbeck.