Duisburg. . Der Bildhauer Markus Lüpertz legt letzte Hand eine seine Groß-Skulptur Poseidon, die Ende Mai in Duisburg zum Hafenjubläum enthüllt werden soll.

. Welch ein Schädel. Dynamik im Stillstand, rau und zerfurcht wie erstarrte Lava: Markus Lüpertz’ mächtige Poseidon-Büste liegt bronzefarben schimmernd und glänzend auf dem Hinterkopf in der Düsseldorfer Kunstgießerei Schmäke. In einem Monat schaut Poseidon von der Ruhrorter Mercatorinsel auf den Strom. Die göttliche Wacht am Rhein.

Exklusiv warf die WAZ in Lüpertz’ Haus-Werkstatt im Düsseldorfer Süden einen Blick auf die Bronzeskulptur, die die Duisport-Hafengesellschaft sich und Duisburg zum 300. Geburtstag „schenkt“. Am 27. Mai soll das monumentale Präsent ausgepackt werden. Geschenke sollen überraschen, also darf beim Ortstermin auch nicht der ganze Charakterkopf fotografiert werden. Schade.

Urgewaltig, kolossal, wahrlich kein Werk geschmeidiger Schönheit

Poseidon, der griechische Meeresgott, ist ein echter Lüpertz aus der Reihe seiner Bildhauerarbeiten zur griechischen Mythologie. Urgewaltig, kolossal, wahrlich kein Werk geschmeidiger Schönheit. Das provoziert. Der bärtige Kerl erinnert an Lüpertz’ 18 Meter großen Herkules, der seit 2010 auf dem Dach des Nordsternpark-Turmes in Gelsenkirchen steht. Nicht ohne Grund: Lüpertz nennt die Duisburger Arbeit „Das Echo des Poseidon“, weil die Kopfbüste eine Variation der eigentlich dreiteiligen Herkules-Arbeit ist: Kopf, Körper, Beine. Und der Kopf, er soll jetzt als Solitär auf der Ruhrorter Mercatorinsel thronen.

Karl-Heinz Schmäke begutachtet die Arbeiten am Poseidon.
Karl-Heinz Schmäke begutachtet die Arbeiten am Poseidon. © FUNKE Foto Services

Von der anderen Rheinseite, aus dem Haus des befreundeten Kunstsammlers Hans Grothe, hatte Lüpertz schon lange die exponierte Lage der Mercatorinsel am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr im Blick. Welch Standort für einen Meeresgott. So sah es auch ­Duisport-Chef Erich Staake, der zum Hafen-Jubiläum etwas Starkes, „Bleibendes“ als stolze Duisburger Landmarke installieren wollte. Zusammengebracht vom Küppersmühle-Museumsdirektor Walter Smerling besiegelten Staake und Lüpertz per Handschlag den Bildhauer-Auftrag mit sechsstelliger Rechnung. „Der Typ Lüpertz gefällt mir. Er ist nicht stromlinienförmig, nimmt kein Blatt vor den Mund“, lobt Staake. So „robust“ der Bildhauer, so robust seine Arbeit. „Das passt zu Duisburg und zum Hafen, der immer auch für harte Arbeit stand“, setzt der Hafen-Chef auf Symbolik und Strahlkraft.

Poseidon wird allein an der Spitze der Mercatorinsel-Wüstenei stehen, den Blick rheinaufwärts gerichtet die Schiffe begrüßend. Auf einem mächtigen Betonsockel. Und weithin sichtbar. Da passt nichts Filigranes hin. Eher eben der bronzene „Dickschädel“, über fünf Meter hoch, auch breit, scheinbar schwebend auf stählernen Trägern. Und nachts soll er angestrahlt werden. Von unten – „dämonisch“, wie Lüpertz mit geradezu diabolischer Freude ankündigt.

Glänzen und leuchten soll er in der Sonne

Seit einem halben Jahr wird in der Kunstgießerei am Poseidon gearbeitet. 70 Einzelteile wurden aus den Abdrücken gegossen und anschließend zusammengeschweißt. Wie wulstige Narben zerteilen die Nähte das bärtige Gesicht des Meeresgottes, das in changierenden Bronzetönen in den Sonnenstrahlen leuchtet. Über 5000 Kilo Bronze und noch einmal fünf Tonnen Stahlskelett im Inneren machen Poseidon zum stabilen Schwergewicht – scheinbar für die Ewigkeit, zumindest für die nächsten 300 Jahre. „Das soll ein Wahrzeichen für Duisburg werden“, erhofft sich Staake.

Lüpertz besteigt unterdessen mit seinem Gehstock behände mit einer Leiter sein Werk. Soll es gesandstrahlt werden, mit Wachs patiniert? Er fachsimpelt mit Gießerei-Seniorchef Karl-Heinz Schmäke über die Farbnuancierungen, die Poseidon an der Rheinluft erwarten. Glänzen und leuchten soll er in der Sonne, wenn auch der Rhein glitzert. Die barocke Wucht seine eigenen Arbeit scheint den gerade 75 Jahre alt gewordenen Künstler zu treffen. In einigen Wochen wird er seinen Poseidon in der Gießhalle noch „schminken“, Augen, Mund bemalen.

Ein Tieflader wird die Kunstfracht dann zum Rhein bringen, wo Altbundeskanzler Gerhard Schröder am 27. Mai den Poseidon enthüllen wird, der auf einem fünf Meter hohen Sockel thronen wird. Hochwassergeschützt. Dabei spielt Lüpertz geradezu schelmisch mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, wenn seinem Poseidon das Wasser bis zum Halse stünde.