Duisburg. Die über fünf Meter große Büste des Meeresgottes “Poseidon“ von Bildhauer Markus Lüpertz für Duisburg sorgt in der Stadt für Diskussionen.
Er steht noch nicht als „Wacht am Rhein“ und begrüßt erst ab Ende Mai von der Spitze der Ruhrorter Mercatorinsel die Binnenschiffer, die in den Hafen abbiegen, da schlagen die Wellen um „Poseidon“, den griechischen Gott des Meeres, schon hoch, den Bildhauer Markus Lüpertz im Auftrag von Duisport-Chef Erich Staake zum 300-jährigen Hafen-Jubiläum erschafft. Die einen feiern den Erdengang vom Olymp nach Duisburg als Kunstspektakel erster Klasse, die anderen grummeln und spötteln über das „Geschenk“ und hätten lieber Jörg Mazurs künstlerische Walplastik „Rhineheart“ an exponierter Stelle gesehen – hausgemachte Duisburg-Kunst statt aufgesetzten „Fremdeinkauf“.
Spott des Bürgervereins
Der WDR ließ schon den Ruhrorter Bürgervereinsvorsitzenden Dirk Grotstollen zu Wort kommen: „Schaut die Figur mit dem Gesicht zum Rhein, würde das bedeuten, dass sie uns Ruhrortern ihr Hinterteil zeigt“, spottet er. Davon würden die Menschen in Ruhrort sicherlich nicht viel halten. Ähnliche Diskussionen gab es schon in Gelsenkirchen, als dort Lüpertz’ Großplastik des Herkules aufgestellt wurde und man sich fragte, welchem Stadtteil der Halbgott seinen Allerwertesten zuwandte. „Das ist eher was für die Schrottinsel“, ätzte es außerdem in Internet-Foren. Dass der Lüpertz-Coup ein Alleingang von Hafen-Chef Erich Staake ist, stößt manchem ebenfalls auf.
Staake selbst weiß, dass Arbeiten von Lüpertz umstritten sind: „Lüpertz-Werke polarisieren immer, aber gerade die Auseinandersetzung hält die Kunst am Leben und macht die Standorte dieser Kunst zum Schauplatz einer lebendigen Debatte.“ Heißt für Staake: Mit dem „Poseidon“ kann Duisburg auch künstlerische Kante zeigen, von sich reden machen. Mit der monumentalen Kunst – zehn Meter hoch stehen Podest und Büste auf der Mercatorinsel – soll auch ein unübersehbares Zeichen für den Strukturwandel gesetzt werden – und für die Verdienste des Hafens.
Als bekannt wurde, dass Ruhrort eine neue Skulptur bekommt, freute sich ein anderer – wenn auch zu früh, wie er jetzt weiß. Bildhauer Jörg Mazur hat bei den „Akzenten“ viel Zuspruch für seinen Wal „Rhineheart“ bekommen, mit der er an das Tier erinnert, das sich in den 1960er Jahren im Rhein verirrte. Tausende Schaulustige verfolgten damals die Jagd auf den Wal. Als Mazur ihn nachbaute, kamen viele alte Ruhrorter und erzählten ihm ihre Geschichte. Nun soll der Wal als Bronze-Büste an die Begebenheit erinnern. Dabei hatte Mazur durchaus die Mercatorinsel im Auge – und fragte bei „Duisport“ nach einer möglichen (finanziellen) Unterstützung nach. „Ich habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass wir bereits mit einem anderen Künstler zur Erstellung eines Kunstwerks für das Hafenjubiläum in Kontakt stehen. Die Unterstützung eines weiteren Kunstwerks in unmittelbarer Nähe zur Mercatorinsel kam für uns daher nicht in Frage“, erklärt Hafensprecher Julian Böcker.
„Duisburg versucht gerade, sein Image zu verbessern. Hier hat man ein Kunstwerk, das identitätsstiftend ist und noch dazu einen Bezug zu Ruhrort hat. Ich versteh’ nicht, dass man nun Lüpertz holt“, sagt Mazur. Er versuche allerdings, den Mut nicht zu verlieren, habe etwa eine Zusage der Familie Grillo, ihn zu unterstützen und auch Kulturdezernent Thomas Krützberg steht dem Wal positiv gegenüber. „Ruhrort verträgt mehr als zwei Kunstwerke. Wenn die Finanzierung geklärt wird, wollen wir helfen, einen geeigneten Standort zu finden“, so Krützberg.
Geschenk mit Renommee
Udo Vohl, Vorsitzender des Kulturausschusses freut sich indes, dass ein Lüpertz demnächst in Duisburg steht. „Er ist ein international renommierter Künstler, der schon oft in Duisburg ausgestellt hat.“ Zumal es sich bei dem Kunstwerk um ein Geschenk handele und es die Stadt nichts koste.
Kommentar pro Poseidon: Willkommen in Duisburg
Man muss die monumentalen Skulpturen von Markus Lüpertz nicht mögen, man mag ihre kraftvolle Robustheit derb finden. Gefällig sind sie gewiss nicht. Aber das muss Kunst auch nicht sein. Lüpertz ist ohne Zweifel ein Großer seiner Zunft, der sich gewiss auch selbst inszeniert – als Kunstwerk. Sein „Poseidon“ am Hafentor zum Rhein: Das ist ein selbstbewusstes Zeichen von Duisport, das mit künstlerischem Mut ein Ausrufezeichen setzt – auch für die ganze Stadt. Von solchen – auch strittigen – Akzenten können wir mehr gebrauchen. Begrüßen wir Poseidon in Duisburg. (Oliver Schmeer)
Kommentar contra Poseidon: Einsame Entscheidung
Über Geschmack lässt sich wahrlich streiten. Doch blickt man hinter die Kulissen dieses Geschenks, ahnt man, dass die Entscheidung ziemlich einsam von Erich Staake getroffen wurde. Die Politik freut sich, schließlich kostet es die Stadt nichts. Ein Geschmäckle bleibt, wenn ein engagierter Künstler wie Jörg Mazur sich monatelang die Hacken nach einer Finanzierung und Genehmigungen zum Aufstellen einer Plastik im Hochwasser-Gebiet abläuft – und der Hafen-Chef quasi per Handstreich entscheiden kann, dass auf der Mercatorinsel künftig Poseidon wachen soll. (Fabienne Piepiora)