Duisburg.. Lars Althaus verlässt das Duisburger Klinikum und fängt auf Curacao neu an. Dort baut er die rechtsmedizinische Versorgung nach deutschem Vorbild auf.

Ein paar Umzugskartons sind noch übrig, dienen zu Hause notdürftig als Möbel. Ansonsten ist alles, was Lars Althaus besitzt, bereits von Rotterdam aus per Container verschifft worden. Ziel: Curacao. Dorthin wird sich der 48-Jährige mit seiner Frau Birte und dem Irischen Wolfshund Yoda aufmachen, um ein neues Leben zu beginnen und auf der Karibikinsel eine rechtsmedizinische Grundversorgung nach deutschem Vorbild aufzubauen. Am 9. März startet der Flieger von Schiphol, zwei Tage vorher hat Althaus seinen letzten Arbeitstag im Duisburger Klinikum. Danach verabschiedet sich der renommierte Leiter des Instituts für Rechtsmedizin – nach elf ereignisreichen Jahren.

Althaus, öffentlich beauftragt für die Landgerichtsbezirke Duisburg, Krefeld und Kleve, war in der Zeit mit aufsehenerregenden (Kriminal-) Fällen betraut – etwa mit den Mafia-Morden, als er in den Morgenstunden des 15. August 2007 einen Anruf der Kripo erhielt und zum italienischen Restaurant „Da Bruno“ eilte. Dort waren sechs Menschen erschossen worden. „Wir haben drei Tage lang fast durchgehend obduziert und jeden einzelnen Schuss dokumentiert und rekonstruiert“, so der Experte. „Am Ende konnten wir sagen, in welcher Position und mit welcher Waffe die Opfer erschossen wurden.“

Rockerkrieg und Loveparade-Katastrophe

Außerdem hat ihn der Rockerkrieg beschäftigt – auch durch einen vor rund zwei Jahren gefundenen Torso im Rhein. Die Loveparade-Katastrophe 2010 war für Althaus aber mit Abstand das Schlimmste, was er erleben musste. „Wir waren damals vor Ort, oben tobten die Musikwagen und unten lagen die Toten“, erzählt der 48-Jährige, der einen Teil der Obduktionen übernahm. „Das alles werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“

Insgesamt sei es eine spannende und intensive Zeit in Duisburg gewesen – in einem tollem Team, das sich pro Jahr nicht nur um 450 bis 500 Obduktionen kümmert, sondern auch überlebende Opfer von Gewalttaten untersucht.

Der Abschied fällt dem Mülheimer nicht leicht, aber die Entscheidung für Curacao habe er zusammen mit seiner Frau nach reiflicher Überlegung gefällt. Vor etwa sieben Jahren haben die beiden Hobbytaucher erstmals dort Urlaub gemacht, sind total begeistert und immer wieder dort gewesen.

„Curacao ist für uns zur zweiten Heimat geworden“

„Curacao ist für uns zur zweiten Heimat geworden“, sagt der 48-Jährige. „Wir haben im Laufe der Zeit viele neue Freunde gefunden.“ Und er hat sich dort auch mal mit einem Rechtsmediziner ausgetauscht. „Die Touristen bekommen nichts mit, aber auf Curacao gibt es als großer Drogenumschlagplatz für Europa und die USA sehr viel Kriminalität, viele Bandenkriege und viele Tötungsdelikte“, erklärt Althaus. „Wenn dort allerdings obduziert wird, dann in erster Linie unter der Fragestellung, an welcher Krankheit der oder die Tote gestorben ist, nicht aber unter kriminalistischen Gesichtspunkten. Weil die Ausbildung dafür einfach fehlt.“

Das soll sich mit dem Experten aus Duisburg ändern. Vor anderthalb Jahren hat er das erste Angebot bekommen – und ausgeschlagen. „Wir haben uns lange gefragt, wie verrückt es ist, dorthin zu gehen“, so Althaus. „Aber dann hat uns ein Freund gefragt, wie verrückt es denn sei, es nicht zu tun.“

Da machte es „Klick“. Es gibt Schlimmeres, als Durchschnittstemperaturen im Jahr von 28 Grad bei Luft und Wasser und ein schönes, Haus am Rand der Hauptstadt Willemstad. Und trotzdem: „Es ist das Abenteuer meines Lebens.“

Peter Gabriel folgt in Duisburg auf Lars Althaus

Die Nachfolge für Lars Althaus ist längst geregelt. Peter Gabriel, ebenfalls 48 Jahre alt, verheiratet, Vater einer Tochter (10), wird neuer Leiter des Instituts für Rechtsmedizin im Sana-Klinikum und tritt seinen Dienst am 1. März an. Da Althaus sich erst eine Woche später verabschiedet, kann er Gabriel also noch ein bisschen einarbeiten.

Die beiden kennen sich gut. Gabriel arbeitet seit 1996 im rechtsmedizinischen Institut an der Uni Düsseldorf, aktuell noch als Bereichsleiter für die forensische Morphologie, also für den Obduktionsbereich. Althaus hat ihn einfach mal angesprochen, ob er sich den Job vorstellen könnte. „Am Ende hat es sich dann so ergeben“, sagt Gabriel, der in der Landeshauptstadt lebt, aber in Duisburg geboren ist und vor einigen Jahren mal kurz davor stand, als Rechtsmediziner komplett aufzuhören.

Experte für die forensische Anthropologie

Auslöser dafür seien die Umstände eines Tötungsdeliktes gewesen. „Eine Mutter hatte ihre dreijährige Tochter getötet“, erzählt er. „Ich komme in die Wohnung und sehe den gleichen Zahnputzbecher und die gleichen Hausschuhe wie bei meiner Tochter, die damals genauso alt war. Da wollte ich meinen Job eigentlich nicht mehr machen.“ Er habe es sich am Ende dann anders überlegt, „weil es eben doch eine ganz wichtige Aufgabe ist, aufzuklären“.

Das will Gabriel künftig im Duisburger Klinikum tun. Er wird als Experte für die forensische Anthropologie auch einen neuen Schwerpunkt setzen und sich um die Identifizierung von Bilddokumenten kümmern – etwa von Bankräubern auf Überwachungskameras.