Duisburg. WAZ-Leser haben bei einem Rundgang im Klinikum Duisburg die Arbeit der Rechtsmedizin, den Schockraum und einen neurochirurgischen OP kennengelernt.
Nein, so schräg wie Professor Boerne ist Lars Althaus nicht, aber so wortgewandt wie der von Schauspieler Jan-Josef Liefers verkörperte Rechtsmediziner im Münster-Tatort. Der gravierendste Unterschied zwischen den beiden: Althaus obduziert Tote im realen Leben. Und zwar täglich als Chefarzt im Klinikum und öffentlich beauftragt für die Landgerichtsbezirke Duisburg, Krefeld und Kleve. Der Sektionsraum ist die erste Station eines Rundgangs durch das Krankenhaus mit knapp 20 Lesern zur Serie „WAZ öffnet Pforten“.
Wer eintritt, kann sich eines mulmigen Gefühls nicht erwehren. Links die nummerierten Kühlzellen („Heute hatten wir bereits drei Obduktionen“), rechts der Obduziertisch und dahinter Lars Althaus, der auch die Opfer der Loveparade oder Mafia-Morde untersucht hat.
Bei 30 Tötungsdelikten pro Jahr ist sein Wissen gefragt. Um etwa die Todeszeit zu bestimmen, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. „Die Temperatur, Leichenflecke, Leichenstarre. Dann die Frage, ob die Pupillen reagieren...“ Einige schauen etwas irritiert. Althaus klärt auf: „Wir sprechen dabei von der Supravitalität. Manches Gewebe, manche Muskeln überdauern den Tod.“
Jede Sekunde zählt
500 Obduktionen gibt es im Klinikum pro Jahr. Althaus und sein Team befassen sich aber nicht nur mit Todesfällen. „Wir untersuchen auch Überlebende von Gewalttaten. Leider auch an Kindern. Davon haben wir bis zu drei Fälle pro Woche.“
Ebenso bedrückend wie beeindruckend ist die nächste Station des Klinikum-Rundgangs: der Schockraum. Dort wartet schon Kurosch Moussazadeh, Chefarzt der interdisziplinären Notaufnahme. „Hierhin kommen Patienten, die wirklich schwerst erkrankt oder schwerst verletzt sind. Hier geht es nicht um Empathie, sondern nur ums Überleben. Bei Versorgungszeiten von fünf bis zehn Minuten zählt jede Sekunde“, stellt er klar und deutet auf eine Stoppuhr an der Wand. Die wird in dem 25 bis 27 Grad warmen Raum gestartet, sobald der meist nicht mehr ansprechbare Patient im Schockraum liegt. Dann legen 14 Ärzte und Pflegende, also 28 Hände, gleichzeitig nach einem bestimmten System los. Mit Hilfe von Buchstaben und Farben. „Anders funktioniert das in solchen absoluten Stresssituationen nicht“, sagt Moussazadeh.
Tumore verflüssigen mit dem Selektor
Zum Abschluss warten eine eingespannte Kokosnuss und Wassermelone in einem neurochirurgischen OP auf die WAZ-Gäste. Sie können so sehr gut nachvollziehen, wie Chefarzt Martin Scholz bei der Operation eines Hirntumors vorgeht. Leser Ralf Debus darf an der Nuss sogar mal den Bohrer ausprobieren, mit dem sonst ein Kopf bearbeitet wird. Anschließend geht’s weiter mit einer speziellen Säge und 80.000 Umdrehungen pro Minute sowie zwei Pinzetten, zwischen denen Strom läuft, um das hier nun glücklicherweise nicht vorhandene Blut zu stillen.
Ralf Kellermann, stellvertretender OP-Leiter, greift anschließend zu einem so genannten Selektor, ein feines Gerät, mit dem bei 25.000 Schwingungen pro Sekunde normalerweise weiche Tumore verflüssigt werden. Diesmal ist es – Gott sei Dank – nur eine Wassermelone.