Duisburg. . Auf der Insel Bougainville tobte zehn Jahre lang ein Krieg. Nun beobachten Forscher den Friedensprozess – auch die Uni Duisburg-Essen ist beteiligt.
Bougainville – das klingt nach ewigem Sommer und traumhaften Stränden. Doch der Name der Südseeinsel täuscht. Hier tobte zehn Jahre lang, beinahe unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, ein erbitterter Krieg zwischen Insel-Rebellen und der Zentralregierung von Papua-Neuguinea. Dabei verloren 200.000 Menschen – ein Zehntel der Inselbevölkerung – ihr Leben. 1998 wurde ein vorläufiger Friedensvertrag unterzeichnet, damit rückte Bougainville ins Blickfeld der wissenschaftlichen Forschung an der Universität Duisburg-Essen (UDE).
„Laboratorium“ des Friedens
Ob die Insel gewissermaßen als „Laboratorium“ für einen Weg zur Konfliktbewältigung dienen kann, untersucht Patricia Rinck, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) und des Käte-Hamburger-Kollegs der Universität Duisburg-Essen in einem Gemeinschaftsprojekt mit Dr. Volker Böge, der an der Universität Queensland in Brisbane/Australien lehrt. Das Projekt „Peacebuilding im Spannungsfeld internationaler und lokaler Wahrnehmungen – Einsichten aus dem ,Laboratorium’ Bougainville“, das an der Uni Duisburg-Essen unter der Regie von INEF-Direktor Prof. Dr. Tobias Debiel läuft, wird von der Deutschen Stiftung Friedensforschung bis Ende 2016 mit 99.000 Euro gefördert.
„Paradigmatisch“ nennt Volker Böge den Konflikt auf der 8800 km2 großen Insel, auf der von 1972 bis 1989 von der australischen Firma Bougainville Copper, einem Tochterunternehmen des britisch-australischen Bergbauunternehmens Rio Tinto/CRA, die Panguna-Mine betrieben wurde. Sie war seinerzeit eine der weltweit größten im Tagebau betriebenen Kupferminen, über seine Beteiligung erwirtschaftete der Inselstaat Papua-Neuguinea einen erheblichen Teil seines Bruttosozialprodukts.
Forscher verfolgt Konflikt seit 1998
Weil nur ein geringer Teil auf die Insel zurückfloss, die ökologischen Folgen des Abbaus aber die Lebensgrundlage der Bewohner gefährdete, erzwang die „Revolutionäre Armee Bougainville“ in einem blutigen Konflikt die Schließung des Bergwerks. Durch ein 1998 unter neuseeländischer Vermittlung ausgehandeltes Friedensabkommen wurde die Insel vorerst autonome Region, geplant ist ein Referendum über die völlige Unabhängigkeit von Papua Neuguinea.
Volker Böge, der vor seinem Engagement in Brisbane an der UDE tätig war, verfolgt den Konflikt seit Jahrzehnten und ist seit 1998 immer wieder nach Bougainville gereist, um den Friedensprozess zu begleiten. „Wir blicken vor allem auf die Beziehungen zu den internationalen Akteuren“, erklärt Böge, „auf die Uno, die regionale Friedenstruppe, auf Neuseeland als Vermittler.“
Es gebe auf der Insel, so hat der Politikwissenschaftler in vielen Gesprächen festgestellt, „ein eigenes Verständnis, wie man Frieden festigt und die Staatsbildung voranbringt“. Der Westen versuche das in der Regel durch schnelle Wahlen und den Aufbau staatlicher Strukturen zu erreichen – beides sei aber schwer zu steuern und könne neue Konflikte hervorrufen.
Für Bougainville sei das keine Option gewesen, berichtet Böge: „Die lokalen Akteure waren zu stark und selbstbewusst. die internationalen Akteure im Friedensprozess mussten sich auf ihre Vorstellungen einlassen.“ Es habe verschiedene wichtige Gruppen gegeben, etwa die Frauen, die eine bedeutende Rolle spielten.
Dass diese Befindlichkeiten berücksichtigt wurden, habe entscheidend zur Beilegung des Konflikts beigetragen, glaubt Volker Böge. „Wir wollen nun untersuchen, wie lokale und internationale Akteure miteinander umgegangen sind und dazu Interviews mit vielen Beteiligten führen.“
Jeder Konflikt hat seine Besonderheit
Können die Erkenntnisse, die aus dem Friedensprozess in Bougainville gewonnen werden, auch für die Beilegung anderer Konflikte dienlich sein? „Damit wäre ich vorsichtig“, sagt Dr. Volker Böge. Eine Blaupause zur Befriedung gebe es nicht: „Jeder Gewaltkonflikt hat seine Besonderheiten politischer, ethnischer oder religiöser Natur.“
Sehr wohl aber gebe es Erfahrungen, aus denen man für die Zukunft lernen könne. Das gelte etwa für die Rolle von internationalen Friedenstruppen, die in Krisenregionen eingesetzt werden. Böge: „Ihre rasche Rotation im Rhythmus von sechs Monaten ist schlecht, weil sie den Aufbau von Vertrauen verhindert.“
Entscheidend in Bougainville, so seine Beobachtung, „war die Kontinuität des Prozesses, die Einbindung aller ehemals verfeindeten Parteien in der Autonomie-Regierung.
Zwischenergebnisse des Projekts werden die Wissenschaftler im Juni im Käte-Hamburger-Kolleg in Duisburg vorstellen. Eine weitere Studie ist ebenfalls schon geplant: Dort soll untersucht werden, ob sich in Konflikten in Somaliland, Sierra Leone und Timor Leste ähnliche Prozesse identifizieren lassen.